Unsre gestrige Unterredung hat mir durch die heftige Gemüthsbewegung fast den Todt zugezogen, es ist aber nun vorbei. Ich bitte Sie mein theurer Freund etwaß zur Beruhigung meines Gemüths beizutragen da Sie den Grund der tiefen unheilbahren Wunde meines Herzens wohl ahnden müssen. Ich bitte Sie nicht dies für Empfindlichkeit, nicht für Bitterkeit zu nehmen sondern für daß waß es ist. Ich möchte ungern jezt meine Kinder in der wüsten Welt allein lassen und fühle daß dieser Schmerz der sich meiner bemächtigt hat, die Quelle meines Lebens bald vertrocknet, und nehme so meine Zuflucht zu Ihnen, dem ich mich nur ganz vertrauen kann.
Viele Plane habe ich die unwiederstehliche Sehnsucht auszuführen, und zweifle oft traurig an dem Gelingen, weil ich die Erfahrung mache daß so wenige Menschen ihren liebsten Freunden nur etwaß aufzuopfern imstande sind, wie solten sie den[n] fähig sein dem Ganzen alles zu opfern? Auß diesem Grunde klage ich bloß über meine Freunde und nicht in rücksicht auf mich. Ich bitte Sie also mich darin nicht falsch zu verstehen.
Sein Sie mir ein liebender Bruder darum bitte ich Sie flehentlich, auch um Ihrentwillen, denn es könte sein daß wenn mein Herz aufhört zu schlagen Ihres sich nicht mehr so ruhig bewegte, und Sie [2] sich nicht mehr davon überzeugen könten, oder damit trösten, ich sei an kranken Fantasien untergegangen. Ich bitte Sie flehentlich antworten Sie brüderlich, doch nicht auf diesen Brief. Lassen Sie dieß Blat keinen sehen, und bringen Sie mich nicht mit der Antwort in Verlegenheit wenn K[norring] bei mir währe. Ich komme wohl heut Vormittag zur Frau v. St[aël] ich wol[l]te ich sehe Sie einen Augenblick und fände Trost.
S[ophie]