Mein liebster Bruder
Ich habe sogleich nach dem Empfang Deines Briefs alles so besorgt, wie Du es verlangest, der Schwiegerinn sind 200 Th durch einen Wechsel übermacht, ich hoffe Sie wird nun sehen ihre Reise aufs wohlfeilste zu machen, daß sie zur Noth noch etwas übrig behält. Das so viele vernünftige Menschen den Gedanken nicht fassen können daß auf heute, Morgen folgt, ich glaube Friedrich wäre auch schon weiter wenn er diesen Gedanken recht beherzigt hätte. Schreibe mir ja so bald Du etwas von Friedrich hörst, denn ich möchte es zu unvollkommen durch ihn selbst erfahren. Wie sehr verdientest Du die Belohnung für Deinen Edelmuth bester Wilhelm, daß es Friedrichen wohlgänge, und daß Du sein dauerhaftes Glück begründet hättest. Ich werde das meinige thun auf die Schwiegerinn zu wirken, daß sie Friedrich keine Lust bezeugt, so bald nach Wien zu kommen, und daß sie es ruhig bey uns hier abwartet, denn ich wünschte sehr das Friedrich erst einen festen Fuß in Wien hätte, ehe er die Frau kommen ließe. Ich bin auch sehr begierig über den Fortgang seines dramatischen Werkes, sage mir doch auch wie das Werk über Indien in der Gelehrten Welt aufgenommen ist. – An die Mutter habe ich weitläuftig über euer Hierseyn geschrieben, ich wartete mit Willen bis Du erst da gewesen werst, [2] denn ich war überzeugt daß niemand der Mutter die Sache mit Friedrich in ein günstigeres Licht stellen konnte, und niemand hat auch die Kraft so auf Sie zu wirken wie Du, es ist Dir auch zum bewundern gelungen. ich habe einen weitläuftigen Brief von der Mutter wo sie noch ganz voll von der Freude ist, die sie durch Dich genossen, das ist wa[h]r Du bist das Muster eines guten Sohns, der Mutter ihr Schicksal würde mich viel sorgenvoller machen wenn Du nicht wärest. Das Du sie aber zugleich so geehrt hast, ihr so viele Stunden im vertraulichen Gespräche gewidmet, daß wird ihrem Herzen lange wohl thun. Auch mit Julchen hast Du eine günstige Veränderung hervorgebracht, kurtz Deine Reise ist mit wahren Segen begleitet gewesen. Ueber Deine Nachrichten von Moritzen habe ich mich auch sehr gefreut, dieser sollte sich doch aber auch gut stehen, ich wundre mich daß er so gar nichts thun kann. – Nun wirst Du Dein ruhiges Leben in Copet angefangen haben alle Tage auf Deinem Pferde spatzieren reiten und die schöne Zeit der Poesie widmen, so wünschte ich es wenigstens, laß Dir ja von Deiner schönen Zeit durch unnützes geselliges hin und her treiben nicht zu viel rauben. Copet kann ein Elisium für Dich werden, wenn Du dort nur Deinem Geiste lebst wenn Du dort Dich ganz ins dramatische Fach wirfst. Dieser Ruhm würde mir am schmeichelhaftesten seyn, so auf die gesammte Maße der Menschen zu würken. Ich begreife auch nicht wa[3]rum die Frau v. Stael noch nicht darauf gefallen ist, da bey ihr alles lebendiges Leben ist und sich bey ihr natürlich jeder Gedanke in Gespräch entfaltet. Sie müßte meisterhaft seyn, in den feiner geistigen muntern Stücken. Und zu dem tragischen traue ich ihr die völlige Energie zu, ich habe sie leider den Racine nicht lesen hören, aber ich bin überzeugt daß sie diesem eine lebendigere Seele einhaucht als er eigentlich besitzt. Das würde eine rechte emulation werden, der Frau v. Stael strömte der Beyfall in Paris zu, Dir in Wien. Zur Probe führtet ihr sie allemal erst auf ehe sie das Publicum zu sehen bekäme, das müßte doch gar herrlich seyn. – Tiek ist alleweile in Dresden ich habe ihn aber noch nicht gesehen, und ich glaube schwerlich daß er nach Pillnitz kommen wird, er ist mit einem Berliner Prediger hier, und will einmal wieder das südliche Deutschland bereisen, ich denke aber er wird wohl noch einen andern Begleiter haben. Denn er braucht wenigstens zu seinen Reisen nothwendiger Rittersgutsbesitzer, als arme Prediger. Gustchen leßt der Frau v. Stael viel schönes und zärtliches sagen, sie hat jetzt die Spitzblattern gehabt, nun ist sie aber wieder beßer. Für das Geld was Du ihr geschenkt hat sie sich ein schönes Umschlagetuch gekauft, nun hat sie noch 4 Th übrig dafür sollen recht sorgfältig auserlesene Noten gekauft werden. Der Frau v. Stael empfiehl mich aufs angelegentlichste. Ihre Bekanntschaft wird mir immer wichtig bleiben. Ich [4] besitze eine Eigenschaft die wenig Frauen haben nemlich ein recht reines Wohlgefallen, und einen innigen Genuß, der Eminenten Eigenschaften die andre Frauen besitzen. Bey den meisten Frauen ist dieses nur ein Aufruf zum Wettstreit, und es artet in Unruhe und Misbehagen aus wenn sie die Ungleichheit fühlen. Bey mir aber ist gar nichts dergleichen vorhanden, sondern es ist ein reines bewundern, und eine Freude die ich an meinem Geschlechte habe. – –
Gestern haben wir einen Brief von der Schwiegerinn bekommen, worinnen Sie uns ihre Freude und ihre Ungeduld bezeugt von Cöln wegzukommen, ich bin sehr froh daß wir dieses zusammen haben bewirken können, denn die arme Frau saß wirklich wie eine Gefangene da, hier ist ein Brief von ihr an Dich.
Wegen der kleinen Stael ihrer rothen Haare rieth ich doch noch folgendes Mittel zu gebrauchen, es hat es ein Kammerherr mit glücklichem Erfolge für seinen Knaben gebraucht. Doch sollen braune rothe Haare am schwersten zu tilgen seyn es käme auf einen Versuch an. Die Haare müßen ganz glatt abrasiret werden, daß der Kopf ganz kahl ist, und nun recht oft mit Chinatinktur, China in Wasser gekocht, gewaschen, die schwächer ist als die gewöhnliche, die man curiret und so wie sich Haare wieder zeigen mit einem bleyernen Kamm gekämmt. Ich würde rathen keine falschen Haare alsdann zu tragen, sondern wie ich es einmal mit Gustchen gemacht habe, kleine Muslinhäubchen mit einer Spitze, das der Kopf recht kühl bleibt. Lebe wohl theuerster Bruder laß bald was von Dir hören
Deine
Charlotte Ernst