Geliebter Bruder!
Der Fürst H.[ardenberg] ist nicht so schnell abgereist als es anfangs hieß, und den neuesten Nachrichten zufolge war er noch in Schloß Engers. Allein es ist dieß doch nur der gewöhnliche letzte Ministeraufschub, und es ist durchaus nicht anrathsam, daß Du einen Versuch <machtest>, ihn noch dort zu treffen, da es <gewiß> zu erwarten steht, daß er ehester Tage mit einemmale fort ist. – Ich freue mich unsäglich, unterdessen durch unsre Schwester Marie zu hören, daß so wie sich Altenstein darüber vernehmen laßen, die Sache jetzt so gut als entschieden und Deine Rückkehr nach Deutschland gewiß <ist>. – Dringend bitte ich Dich nun, mir mit umgehender Post Deine weiteren Plane und Beschlüße zu melden, da ich so sehnlich wünsche, Dich bey dieser Gelegenheit wiederzusehen, und es bey mir jetzt grade auch zum Aufbruch kommt, und ich von Ungewißheiten und Sorgen aller Art hin und her gerissen werde.
Am besten und schönsten wäre es wohl, Du kämest grade hieher, sobald Du nur fertig <bist>, und wir brächten dann einige Wochen hier, oder noch viel beßer in Heidelberg, in Cölln oder wo es Dir sonst recht ist, zusammen zu. Meine Abberufung wird zwar wohl in wenigen Tagen hier seyn, da der alte Graf sie ohne allen Zweifel mitbringt; indessen werde ich noch 6 Wochen oder 2 Monathe Zeit und Urlaub sehr leicht haben, wozu auch schon alles eingeleitet ist. Willst Du auch nach Hannover gehen, so begleite ich Dich auch dahin sehr gerne, sobald es sich nähmlich mit meinen Geldeinrichtungen vereinbaren läßt; denn <wenn es in diesem Punkte fehlt> kann <man> freylich nicht ‚quand mêmeʻ – sagen. Indessen würde die Reise, wenn wir sie, so wie ich Dir neulich vorschlug, in meinem Wagen zusammen machten, wohl nicht so sehr kostbar seyn.
Meine so früh erfolgte Abberufung von hier, so wenig ich unter den <einmal> obwaltenden Umständen wünschen konnte, länger zu bleiben, bleibt immer ein ganz enormer Verlust für mich. Besonders muß ich es bedauern, daß ich meine Frau auf die kurze Zeit habe hieher kommen laßen und sie nicht lieber gleich 1816 nach Rom gegangen ist. – Ich sehe nun mit großer Unruhe und Sorge der weitern Entscheidung entgegen. – Es ist auch in Wien manches unangenehme; der Einfluß von Genz, der überall nur negativ und hemmend wirkt, die ängstliche und fast obscurantische Stimmung, laßen mich sehr besorgen, daß Alles was für die Wißenschaften <während> der jetzigen Ruhezeit Großes in Oesterr[eich] geschehen sollte, und auch für mich das vortheilhafteste seyn würde, <unsäglich> viele Hindernisse finden oder gar nicht zu Stande kommen wird. – Ich bin nun das ewige Warten und Hinleyern und Geduld üben im unnützen Kampf mit kleinen Hindernißen allmählig müde geworden; und möchte gern noch ein zehn Jahre, so lang es Zeit ist, recht kräftig und frey, frisch aus dem Vollen, wirken und arbeiten. – Zu dieser trüben Aussicht in die Zukunft kommt nun auch die schwere, große Sorge der Gegenwart, bis erst alles wieder in Ordnung ist und die jetzige Katastrophe überstanden. Noch weiß ich nicht recht, wie ich hindurch kommen werde; es kommt noch die peinliche Ungewißheit hinzu, da es ein großes Mehr oder Weniger austrägt, je nachdem die <Staats>KanzleyGötter über mich und mein Schicksal entscheiden. Und selbst im günstigsten Falle bleibt für den Moment ein großes Deficit, von dem ich noch nicht weiß, wie ich mir heraushelfen werde. Wenn es wahr wäre, was vor einiger Zeit versichert wurde, daß die ganze Besoldung (die allerdings gut ist und mir die Hoffnung läßt, mich in der Folge wieder heraus zu arbeiten) in Silber bezahlt würde, so würde ich es vielleicht wagen, Dich um ein Darlehn von 500 fl. oder 100 Duc.[aten] anzusprechen, unter der Bedingung, daß ich die Rückzahlung gleich auf ein bestimmtes <Besoldungs> Quartal des Jahres 1819 <festsetzte>, was ich alsdann könnte. Sonst würde ich es freylich selbst nicht wünschen dürfen, da ich Dir schon in alten Zeiten so viel gekostet habe. Kannst Du es jedoch unter der obig[en] Bedingung, ohne Beschwerde; so will ich nur so viel sagen, daß ich noch niemals mit der ganzen Einrichtung meines Lebens im Großen so auf der Kippe stand, als jetzt. – Ich kann Dir gar nicht sagen, wie glücklich ich Deine freye Lage und Wirksamkeit, der Du entgegen gehst, finde. – Seine Hoffnung auf Minister setzen und von ihnen, auch den besten, abhängen; das ist ein Handwerk, welches man selbst mit einer so pferdemäßigen Geduld wie die meinige, von Herzen müde wird, wenn man es zehn Jahre lang getrieben hat. – Nun, lieber Bruder, schreibe mir also umgehend, und richte es wo möglich so ein, daß wir von den nächsten zwey Monathen, die ich wohl noch die Deutsche Luft athmen werde, so viele Zeit als möglich zusammen verleben. – Meine Frau wird, wenn wir es mit der Reise nach Rom, die in jeder Hinsicht das beste wäre und bliebe, nicht zu Stande bringen, nach Dreßden gehen, was freylich bey Charlottens Talent zur ökonomischen Einrichtung von dieser Seite wenig Schwierigkeit haben wird, dagegen aber nur <für> einen Sommer gut, für längere Zeit nicht der Ort ist, wo sie getrennt von mir bleiben kann. Daß sie nicht mit nach W.[ien] und ich zuerst allein dort hin gehe, bis erst meine Lage dort ganz consolidirt und organisch gestaltet <ist>; dieser Entschluß ist so nothwendig, daß mich nichts darin wankend macht. Verzeih mir daß ich Dich so mit meiner Noth und Sorge <plage>; ich nehme darum nicht minder herzlichen Antheil an Deinem jetzt sich so glücklich gestaltenden Loose. –
Dein treuer Freund F S
Ich darf zwar kaum voraussetzen, daß die Herzogin von Broglie sich meiner noch erinnert, bitte Dich jedoch mich ihr ergebenst zu empfehlen. Bethmann von hier wird Dich wahrscheinlich sehen, da er wie er sagt, bey Br[oglie]s bekannt ist. Er wollte einen Brief von mir mitnehmen; ich war aber nachher den Tag nicht gestimmt, weil alles gar zu ungewiß war. Empfiehl mich ihm, wenn Du ihn siehst.