Geliebter Bruder,
Ich will Dir nur vor allen Dingen sagen, daß ich so eben erfahre, daß nach den hiesigen Preußischen Nachrichten, der Fürst H.[ardenberg] schon mit dem 1ten oder doch in den ersten und nächsten Tagen von Berlin abgeht und wahrscheinlich schon am 15ten am Rhein seyn wird. Ich bin nun ungaublich begierig, zu erfahren was unterdessen vorgefallen ist, und welche Antwort oder Einladung Du erhalten hast. Theile mir ja sogleich alles mit, und beschließe nichts ohne daß ich davon weiß. Die Hoffnung, Dich noch in Heid.[elberg] zu finden und dort einige Tage mit Dir zu verleben, ist mir ungemein tröstlich in meiner sonst so unglaublich verdrießlichen Lage; sehr schmerzlich würde es mir seyn, wenn diese Hoffnung unerfüllt bliebe. Ich denke auch, daß dieß nicht geschehen; hier muß ich zwar in dem einmal eingeschlagenen wichtigen diplomatischen Wege fortfahren, und sollicitiren, daß ich nach Karlsbad geschickt werde. Schwerlich aber werden sie es thun, und dießmal [2] geschieht mir denn eigentlich ein Gefallen damit, da die Hoffnung in Karlsb.[ad] und bey Mett.[ernich] auf die rechte Art zu seyn, doch so äußerst gering ist.
Seit vorgestern bin ich nun wieder hier und kaum wirst Du es glauben, daß die Expedition von W.[ien] immer noch nicht gekommen ist, und daß ich an dieses verwünschte Frankf[urt] ordentlich wie angehext bin. Das Bad hat mir übrigens ganz außerordentlich wohl gethan, nur habe ich es eigentlich noch länger brauchen sollen; ich habe zu früh aufgehört, und fühle mich daher seit gestern etwas angegriffen und unwohl; doch wird es hoffentlich mit einiger Achtsamkeit und Schonung wieder vorübergehen. Ich habe mich geängstigt, wegen dessen was Du in Deinem letzten Briefe von Deiner Gesundheit und Deinem Unwohlseyn schriebst, besonders da Du seitdem, nun schon ziemlich lange Zeit, nicht wieder geschrieben hast.
Meinen Brief aus Wießbaden – vom 19ten oder 20ten wenn ich nicht irre – wirst Du richtig erhalten haben. Ich wollte Dir von dort aus noch einmal [3] schreiben, bin aber vor lauter Spatzierengehen nicht dazu gekommen; da ich ohnehin beym Baden eigentl[ich] nichts thun kann, und besonders nach dem geringsten Schreiben mir das Blut gleich sehr nach dem Kopf steigt.
Wegen der Gräfin St. Aulaire kannst Du ganz unbesorgt seyn. Ich habe ihr gleich meine Aufwartung gemacht und als Cavaliero siruente alle mögliche Höflichkeit erzeigt und da sie sonst keinen Begleiter hatte, <sie> auf allen Promenaden begleitet und bestens herumgeführt. Ueber die politischen Sachen habe ich mich sehr viel und lebhaft mit ihr gezankt; sie ist wirklich etwas gar zu liberal. Doch schien einiges, was ich ihr mit großer Ruhe und Sanftmuth entgegensetzte, zuletzt doch Eindruck auf sie zu machen. Uebrigens habe ich sie sehr angenehm gefunden, sie hat etwas Originelles und dabey sehr Leichtes; besonders gefallen <hat> mir auch, daß sie sich sogleich in unsre Deutsche Lebensweise fand. Wir haben weit und breit um Wießbaden herum, wo es nur irgend etwas zu spatzieren gab, in Gesellschaft einiger anderer Frauen, die sich auch mit an unsre Spatziergänge anschlossen, ‚kühlen Wein und [4] Selzerwasserʻ <zusammen> getrunken, wobey ich mich sehr an Dich erinnerte und auch Deiner oft gedacht wurde. Auch mit der Tochter habʼ ich mich zuletzt ausgesöhnt, da sie doch die Spatzierfarthen auch recht fröhlich mitmachte, und im Geiste über die künftige duchesse <ganz> vergnügt war. Ich danke Dir mithin sehr, daß Du mir diese angenehme Bekanntschaft verschafft hast. Wie die Mutter eigent[lich] mit August steht, das habe ich nicht recht klein kriegen können, obgleich sie mehrmals von ihm gesprochen hat, mochte dieß auch nicht weiter berühren, da es ihr vielleicht unangenehm hätte seyn können. Uebrigens scheint es mir, ungeachtet ihres muntern Tones, als ob sie gefühlvoll wäre. – Wenn Du sie in Heidelberg sehen solltest – da sie jetzt ihren Mann erwartet und mit diesem dann etwa bis zum 12ten dort eintreffen und einen Tag bleiben will – oder auch sonst, wenn Du ihr schreibst, so sprich nur ja in den verbindlichsten Ausdrücken über die Bekanntschaft, die ich mit ihr gemacht; da sie so ungemein artig gegen mich gewesen ist.
[5] Jetzt sitze ich nun wieder hier in meinem Verdruß und sinne auf Mittel, um endlich fort zu kommen, und fresse meinen Aerger in mich herein. – Theuerster Freund, meine Lage ist eigentl[ich] ganz unglaublich ärgerlich und verdrießlich; um so mehr, da mir eigentl[ich] so leicht zu helfen wäre, und es doch nicht geschieht. Versäume ja nichts, theuerster Bruder, was dazu dienen kann, eine Anstellung meiner in B.[onn] vorzubereiten, wenn eine solche Veränderung nothwendig werden sollte; ich fürchte immer, der Fall kann wirklich eintreten. Doch übereilen werde ich nichts. Nun noch eine dringende Bitte. Ich war am Tage Deiner und meiner Abreise ordentlich bestürzt über meine schreckliche Vergessenheit, wegen des Briefes von Dreßden. Ich bitte Dich nun dringend und inständig meinen Fehler wieder gut zu machen, dadurch daß Du sobald als nur irgend möglich dorthin schreibst und dieß ja nicht länger aufschiebst, wenn es nicht etwa schon geschehen ist. Du glaubst gar nicht, wie sehr Charlotte daran hängt und wie viel ihr daran gelegen ist.
Meine Frau ist aufs allerglücklichste in [6] Rom angekommen, und schreibt mir von dort die schönsten Briefe. Unter den jungen Leuten dort ist ein ganz neues Leben rege; Philipp hat die Arbeiten im Pallaste Massimi – die sämmtlich Alfresco aus dem Dante – nun wirklich definitiv übernommen. Wenn ich erst selbst das Nähere weiß, werde ich ihm mit gutem Rath beystehen, so viel ich kann und vielleicht auch bey Dir, als altem Meister der scienza Dantesca – um eins oder das andre Deine Meynung fragen. Nina ist Braut und wie es scheint, sehr glücklich. – Was machen denn Deine Schweizer Angelegenheiten? – Doch dieß ganz unter uns. Sieh selbst und entscheide Dich selbst; die beste von allen Eigenschaften, die eine Frau haben kann, ist wenn sie einen gern hat und von Herzen liebt.
Dein Dich herzlich liebender Freund und Bruder
Friedrich.
Schreib mir ja recht bald! Ich bitte inständig darum.