• Karl von Hardenberg to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Meiningen · Place of Destination: Coppet · Date: 03.05.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Karl von Hardenberg
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Meiningen
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 03.05.1809
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 38‒40.
  • Incipit: „[1] Meiningen d. 3ten May 1809
    Mein geliebter Freund! Aus einem fremden Lande, aus dem Lande der Geister eilt mein Gruß zu [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,28,7
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 24,9 x 18,8 cm
    Language
  • German
[1] Meiningen d. 3ten May 1809
Mein geliebter Freund! Aus einem fremden Lande, aus dem Lande der Geister eilt mein Gruß zu Ihnen geliebter Freund, denn er kömt aus meinem Herzen, und dies wohnt fern von der Erde; denn wo unser Schatz ist, da ist auch unser Herz; und meine Hoffnungen und Reichthümer sind, Gott sey dank, dahin gerettet, wo kein Hauch der Erde sie mehr berührt; – Nehmen Sie den Gruß des armen Pilgers freundlich auf! – Mehrere Tage war ich tief betrübt über den schmählichen Untergang aller irdischen Hoffnungen, ob ich wohl deren nicht viel hatte; aber ich war ein Kranker der sich noch auf menschliche Aerzte verließ; – Gott hat mein Herz geklärt, und ich weiß nun wo der wahre Arzt wohnt! Ach! geliebter Freund, wie sollt ich eher aufhören den Herrn preisen, der mir den wahren Weg des Friedens eröffnet hat! – Niemals hätte ich in dieser Fremde ausgehalten, wo Alles zertrümmert, woran ich noch einige Anhänglichkeit hatte, hätte mich die ewige Liebe nicht zu sich gerufen, und mir die Augen aufgethan; Regnum meum non est de hoc mundo! sagte unser Herr und Meister; dürfen wir anders denken? – O! und wie köstlich ist dieser Spruch, der uns auf Flügeln des Morgenroths über diesen Boden erhebt?‚ uns von dieser Erde entfernt, wo der Fürst dieser Welt mit eisernen Zepter regiert? – Mögte ich Ihnen, theurer Freund, doch es sagen können, wie seeliger Trost mir vom Himmel niederthaut?, wie auch die höchsten Schmerzen sich in den leisen [2] Klang künftiger Herrlichkeit auflösen? Ja wie wir gerade nach tiefer Trauer, den Himmel wahrhaftig offen sehen? O! mein theurer Freund, könnte ich Ihnen das doch so sagen, so ausdrükken als mein Herz sich darnach sehnt; Gewiß müßte auch Ihnen sich eine frohe Aussicht des himmlischen Trostes, der allein in dem Frieden Gottes wohnt, zeigen! – Und ich glaube mit Gewißheit zu ahnden, daß es Ihnen gerade jezt besonders nothwendig sey. – Kurz zuvor erhielt ich von Fr.[iedrich] die Nachricht, daß er nach Ihren Wünschen placirt sey; – Lassen Sie uns für ihn beten, daß der Geist Gottes ihn leite; – Meine Gedanken sind stets um ihn; der Herr nehme ihn in seinen mächtigen Schutz. – Für die Erde habe ich keine Hoffnung, als durch ihre Leiden immer nach oben gewiesen zu werden, und den Blik unverwandt dahin zu richten, wo jeder Traum sich löset, und jede Täuschung verschwindet; – Was mag diese Welt versprechen, und geben ? – Die wahren Weltüberwinder waren die alten Einsiedler, die in der neuern Zeit selbst mehr treue Nachfolger gefunden, als wir es glauben; – Noch kürzlich hat uns ein Deutscher ein herrliches Beyspiel gegeben; Ein Adjudant vom Philippsthal kömt nach der Uebergabe von Gaeta nach Rom, wird dort katholisch, und lebt jezt als ein frommer Einsiedler in den Apenninen. – Auch in der Welt kann man ja ein Einsiedler seyn, nur etwas beschwerlicher, als in der Wüste. – Es giebt noch viel zu sagen, wenig zu schreiben; Nie haben wir leichter durchdringender Papier gehabt als jezt. – Noch jezt las ich die Geschichte von Nadir Schach; es ist gräßlich wie dort kein Mensch dem andern mehr trauen durfte, ja wie auch ein Wink, ein Wort hinreichend war, um den Friedlichsten zu compromittiren; – Es ist seltsam, daß ich in diesen Tagen träumte, ich lebe in Persien [3] unter seiner Regierung; – Auch die Christen in jenem Lande, beteten inniger und waren stets im Gebet vereint; so lebten sie doch ruhig im Vertrauen auf Gott, ohne allen Antheil an den ungeheuren Begebenheiten, die den Persern noch jezt als Mährchen erscheinen sollen. – Von Berlin habe ich Nachricht bekommen, daß Sie den Proceß gewonnen, und nur ohngefähr 7–8 Th zu bezahlen verurtheilt sind; – HE. Neuber[t], wahrscheinlich ein Commis der Unger, ist schon mit der Revision der Bibliothek beschäftigt, und der Justizkommissarius Bode wird mir nächstens wieder Nachricht von dem Gange der Sache geben; – Es thut mir leid, daß Sophie in München unnüzzes Geld ausgegeben. – Ich wünschte ein Christliches GesangBuch herauszugeben; Sie, geliebter Freund würden mir wohl manche Beyträge dazu geben können; sollten Sie nicht mehrere alte Lateinische Hymnen übersezt haben; auf die wenigen trefflichen Uebersetzungen von Ihnen mache ich besonders Anspruch; – Sollten nicht auch Italienische geistliche Gesänge der Uebersetzung werth seyn? Von Petrucci kenne ich einige sehr schöne. Lassen Sie mir doch Ihr Urtheil darüber zukommen; – Vielleicht ist es mehr als je an der Zeit den Menschen, denen die Erde mit allen ihren Herrlichkeiten untreu wird, den Himmel als den einzigen sichern ZufluchtsOrt zu zeigen. – Von andern Arbeiten wäre es zu weitläuftig zu schreiben; die meisten betreffen die Gloryficirung der wahren Religion; wenige die Physik und Poesie. – Wie gern mögte ich von Ihnen, geliebter Freund, wissen, wie es Ihnen geht? Was Sie arbeiten? und, ob Sie zu Zeiten unserer gedenken? – Meine Frau und Kinder, deren ich jezt 3 habe, sind sehr wohl und munter; dies ist ein Seegen Gottes den ich nicht genugsam erkennen kann; – Sonst sieht es freylich noch sehr bedrängt im Irdischen aus, da Freund Kn.[orring] noch immer nicht zahlt; [4] doch verspricht er mir in seinem lezten Briefe bald nach Rußland zu gehen, und von dort Hülfe zu schaffen, die mehr als je nothwendig ist. – Im übrigen ist die allgemeine GeldNoth, selbst bey den Reichsten, als ein physisches Phänomen anzusehen; das Metall nimt eine gänzlich fremde Richtung; auch mögte uns ja seine Qualität der Schwere, als die Action der ewigen Unruhe, und des unaufhörlichen Fallens, schon früher mit der wahren Heimath desselben bekannt gemacht haben. – Doch werden Sie nicht müde, geliebter Freund, und verzeihen Sie der Freude mit Ihnen zu reden, die Länge des Briefes. – Meine Frau grüßt Sie herzlich; – Empfelen Sie uns Frau v. Stael auf das Angelegentlichste. – Gott mit uns Allen! Pax Domini!
Ihr treuer Freund
Carl Hardenberg
[1] Meiningen d. 3ten May 1809
Mein geliebter Freund! Aus einem fremden Lande, aus dem Lande der Geister eilt mein Gruß zu Ihnen geliebter Freund, denn er kömt aus meinem Herzen, und dies wohnt fern von der Erde; denn wo unser Schatz ist, da ist auch unser Herz; und meine Hoffnungen und Reichthümer sind, Gott sey dank, dahin gerettet, wo kein Hauch der Erde sie mehr berührt; – Nehmen Sie den Gruß des armen Pilgers freundlich auf! – Mehrere Tage war ich tief betrübt über den schmählichen Untergang aller irdischen Hoffnungen, ob ich wohl deren nicht viel hatte; aber ich war ein Kranker der sich noch auf menschliche Aerzte verließ; – Gott hat mein Herz geklärt, und ich weiß nun wo der wahre Arzt wohnt! Ach! geliebter Freund, wie sollt ich eher aufhören den Herrn preisen, der mir den wahren Weg des Friedens eröffnet hat! – Niemals hätte ich in dieser Fremde ausgehalten, wo Alles zertrümmert, woran ich noch einige Anhänglichkeit hatte, hätte mich die ewige Liebe nicht zu sich gerufen, und mir die Augen aufgethan; Regnum meum non est de hoc mundo! sagte unser Herr und Meister; dürfen wir anders denken? – O! und wie köstlich ist dieser Spruch, der uns auf Flügeln des Morgenroths über diesen Boden erhebt?‚ uns von dieser Erde entfernt, wo der Fürst dieser Welt mit eisernen Zepter regiert? – Mögte ich Ihnen, theurer Freund, doch es sagen können, wie seeliger Trost mir vom Himmel niederthaut?, wie auch die höchsten Schmerzen sich in den leisen [2] Klang künftiger Herrlichkeit auflösen? Ja wie wir gerade nach tiefer Trauer, den Himmel wahrhaftig offen sehen? O! mein theurer Freund, könnte ich Ihnen das doch so sagen, so ausdrükken als mein Herz sich darnach sehnt; Gewiß müßte auch Ihnen sich eine frohe Aussicht des himmlischen Trostes, der allein in dem Frieden Gottes wohnt, zeigen! – Und ich glaube mit Gewißheit zu ahnden, daß es Ihnen gerade jezt besonders nothwendig sey. – Kurz zuvor erhielt ich von Fr.[iedrich] die Nachricht, daß er nach Ihren Wünschen placirt sey; – Lassen Sie uns für ihn beten, daß der Geist Gottes ihn leite; – Meine Gedanken sind stets um ihn; der Herr nehme ihn in seinen mächtigen Schutz. – Für die Erde habe ich keine Hoffnung, als durch ihre Leiden immer nach oben gewiesen zu werden, und den Blik unverwandt dahin zu richten, wo jeder Traum sich löset, und jede Täuschung verschwindet; – Was mag diese Welt versprechen, und geben ? – Die wahren Weltüberwinder waren die alten Einsiedler, die in der neuern Zeit selbst mehr treue Nachfolger gefunden, als wir es glauben; – Noch kürzlich hat uns ein Deutscher ein herrliches Beyspiel gegeben; Ein Adjudant vom Philippsthal kömt nach der Uebergabe von Gaeta nach Rom, wird dort katholisch, und lebt jezt als ein frommer Einsiedler in den Apenninen. – Auch in der Welt kann man ja ein Einsiedler seyn, nur etwas beschwerlicher, als in der Wüste. – Es giebt noch viel zu sagen, wenig zu schreiben; Nie haben wir leichter durchdringender Papier gehabt als jezt. – Noch jezt las ich die Geschichte von Nadir Schach; es ist gräßlich wie dort kein Mensch dem andern mehr trauen durfte, ja wie auch ein Wink, ein Wort hinreichend war, um den Friedlichsten zu compromittiren; – Es ist seltsam, daß ich in diesen Tagen träumte, ich lebe in Persien [3] unter seiner Regierung; – Auch die Christen in jenem Lande, beteten inniger und waren stets im Gebet vereint; so lebten sie doch ruhig im Vertrauen auf Gott, ohne allen Antheil an den ungeheuren Begebenheiten, die den Persern noch jezt als Mährchen erscheinen sollen. – Von Berlin habe ich Nachricht bekommen, daß Sie den Proceß gewonnen, und nur ohngefähr 7–8 Th zu bezahlen verurtheilt sind; – HE. Neuber[t], wahrscheinlich ein Commis der Unger, ist schon mit der Revision der Bibliothek beschäftigt, und der Justizkommissarius Bode wird mir nächstens wieder Nachricht von dem Gange der Sache geben; – Es thut mir leid, daß Sophie in München unnüzzes Geld ausgegeben. – Ich wünschte ein Christliches GesangBuch herauszugeben; Sie, geliebter Freund würden mir wohl manche Beyträge dazu geben können; sollten Sie nicht mehrere alte Lateinische Hymnen übersezt haben; auf die wenigen trefflichen Uebersetzungen von Ihnen mache ich besonders Anspruch; – Sollten nicht auch Italienische geistliche Gesänge der Uebersetzung werth seyn? Von Petrucci kenne ich einige sehr schöne. Lassen Sie mir doch Ihr Urtheil darüber zukommen; – Vielleicht ist es mehr als je an der Zeit den Menschen, denen die Erde mit allen ihren Herrlichkeiten untreu wird, den Himmel als den einzigen sichern ZufluchtsOrt zu zeigen. – Von andern Arbeiten wäre es zu weitläuftig zu schreiben; die meisten betreffen die Gloryficirung der wahren Religion; wenige die Physik und Poesie. – Wie gern mögte ich von Ihnen, geliebter Freund, wissen, wie es Ihnen geht? Was Sie arbeiten? und, ob Sie zu Zeiten unserer gedenken? – Meine Frau und Kinder, deren ich jezt 3 habe, sind sehr wohl und munter; dies ist ein Seegen Gottes den ich nicht genugsam erkennen kann; – Sonst sieht es freylich noch sehr bedrängt im Irdischen aus, da Freund Kn.[orring] noch immer nicht zahlt; [4] doch verspricht er mir in seinem lezten Briefe bald nach Rußland zu gehen, und von dort Hülfe zu schaffen, die mehr als je nothwendig ist. – Im übrigen ist die allgemeine GeldNoth, selbst bey den Reichsten, als ein physisches Phänomen anzusehen; das Metall nimt eine gänzlich fremde Richtung; auch mögte uns ja seine Qualität der Schwere, als die Action der ewigen Unruhe, und des unaufhörlichen Fallens, schon früher mit der wahren Heimath desselben bekannt gemacht haben. – Doch werden Sie nicht müde, geliebter Freund, und verzeihen Sie der Freude mit Ihnen zu reden, die Länge des Briefes. – Meine Frau grüßt Sie herzlich; – Empfelen Sie uns Frau v. Stael auf das Angelegentlichste. – Gott mit uns Allen! Pax Domini!
Ihr treuer Freund
Carl Hardenberg
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