• Wilhelm von Humboldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Bonn · Date: 18.10.1822
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Wilhelm von Humboldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 18.10.1822
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Briefwechsel zwischen Wilhelm von Humboldt und August Wilhelm Schlegel. Hg. v. Albert Leitzmann. Halle 1908, S. 81‒85.
  • Incipit: „[1] Berlin, den 18. October, 1822.
    Von Woche zu Woche wollte ich Ew. Hochwohlgebohrnen inhaltreichen Brief vom 29. Mai, durch den Sie [...]“
    Manuscript
  • Provider: Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek
  • OAI Id: 1732807
  • Classification Number: S 507 : 6
  • Provenance: Betr. Übersendung eines von Humboldt geschriebenen Aufsatzes an Schlegel "über einen Punkt der Indischen Grammatik (...) und meine Hauptabsicht dabei ist, daß Sie die Güte haben mögen, ihn zu lesen, und mir, wenn es Ihre Zeit erlaubt, Ihr Urtheil darüber zu sagen. Zugleich aber wage ich auch, Ihnen den Aufsatz für die Indische Bibliothek anzubieten."Geschenk August Wilhelm von Schlegels an die Universitätsbibliothek Bonn (s. A. Klette und I. Staender, Chirographorum in Bibliotheca Academica Bonnensi servatorum catalogus, Bd. II, Bonn 1858-1876, S. 152).
  • Number of Pages: 4 e. S.
  • Format: 25,3 x 21,2 cm
  • Particularities: Der Brief ist als Nr. 6 mit weiteren 26 Briefen Wilhelm von Humboldts an August Wilhelm von Schlegel in einen braunen marmorierten Pappeinband des 19. Jhs. eingebunden (Nr. 5: Brief von August Wilhelm von Schlegel an Wilhelm von Humboldt).
    Language
  • German
[1] Berlin, den 18. October, 1822.
Von Woche zu Woche wollte ich Ew. Hochwohlgebohrnen inhaltreichen Brief vom 29. Mai, durch den Sie mir eine so große Freude gewährt haben, beantworten, aber da ich mich mit den Gegenständen, welche er betrift, ununterbrochen beschäftige, so kommen mir auch immer theils neue, theils veränderte Ansichten, und so schob ich es von einer Zeit zur andern auf. Jetzt drängt mich nun die Zeit, der leider fast ungeheuren Inlage nichts mehr hinzufügen zu können, als was ich nothwendig über sie selbst sagen muß. Denn Geschäfte nöthigen mich aufs neue aufs Land zu gehen, und da das Paket Ihnen durch einen Courier zukommen soll, muß es von hier abgehen.
Ich nehme mir nemlich die Freyheit, Ew. Hochwohlgebohrnen einen Aufsatz über einen Punkt der Indischen Grammatik zu übersenden, und meine Hauptabsicht dabei ist, daß Sie die Güte haben mögen, ihn zu lesen, und mir, wenn es Ihre Zeit erlaubt, Ihr Urtheil darüber zu sagen.
Zugleich aber wage ich auch, Ihnen den Aufsatz für die Indische Bibliothek anzubieten. Ich fühle aber, daß das ein Wagstück ist, und erwarte also beinahe, daß Sie ihn dazu unpassend finden. Sie können nemlich und werden vermuthlich es für unthunlich halten, Ihren Lesern eine so weitläuftige, und trockne Arbeit über eine einzelne grammatische Frage aufzubürden. Schiene es Ihnen indeß doch passend, auch solche Gegenstände in Ihrer Zeitschrift abzuhandeln, und hielten Sie die Arbeit würdig, darin zu erscheinen, so könnte der Aufsatz, wie Sie schon hier und da gethan haben, mit kleiner Schrift gedruckt werden, und ließe sich in zwei, selbst in drei Hefte vertheilen. Denn §. 1–6. dann 7. und endlich der Ueberrest bilden drei sich sehr füglich scheidende Theile. Ich ließe mir dies sehr gern gefallen, da mir, immer vorausgesetzt daß Sie die Arbeit dessen werth finden, viel daran liegen würde, mit dem Ersten, was über die Sanskrit Sprache von mir erscheint, gerade unter Ew. Hochwohlgebohrnen Schutz und Auspicien [2] aufzutreten. Vielleicht hätten Sie auch sogar Lust, und fänden, vorzüglich bei der Theilung, Muße, Anmerkungen hinzuzufügen um das von mir Gesagte zu widerlegen, bestätigen, oder besser auszuführen. Das Einzige, worum ich Ihre Freundschaft in Anspruch nehmen würde, wäre, daß, wo Sie wahre Unwissenheitsfehler finden sollten (obgleich ich möglichst gesucht habe, mich davon frei zu halten), Sie die schonende Güte hätten, diese stillschweigend zu berichtigen.
Könnten Sie von meiner Abhandlung keinen Gebrauch für die Bibliothek machen, dann bitte ich Sie, mir dieselbe und zwar wieder durch den Geheimen Legations Rath Himly in Frankfurt am Main, durch den Sie solche erhalten werden, zurückzusenden. Ich werde ihr dann eine andre Bestimmung geben.
Ließen Sie sie aber abdrucken, so könnten wohl auf meine Kosten, ohne alle Verändrung der Seitenzahl oder sonst, 12 Exemplare für mich besonders abgezogen werden.
Der 7. Paragraph, die Auseinandersetzung der Begriffe des Infinitivs, Gerundiums und Supinums wird Ihnen vielleicht eine Episode scheinen, die füglich hätte nur im Resultate aufgenommen werden können. Allein ich möchte sie nicht gern vom Ueberreste trennen; ich habe mich, seitdem ich mich mit diesen Gegenständen wieder ernstlicher beschäftige, überzeugt, wieviel Misverstand in diesen Begriffen herrscht, wie wenig auch die, denen sonst selbst Gelehrsamkeit nicht abzusprechen ist, in den allgemeinen grammatischen Begriffen fest sind, wie wenig Uebereinstimmung darin herrscht, wie leicht (z. B. von Herrmann) neue Theorien, fast Einfälle hingestellt werden, ohne daß man es sich zur Pflicht macht das längst Vorhandene zu prüfen, und anzunehmen oder zu widerlegen. Nicht einmal die Theorie der tempora, die doch Reiz schon richtig aufstellte, ist irgend allgemein geworden, und noch immer hört man von kurz und lang vergangenen Zeiten, relativen und absoluten reden, ohne daß doch jene wahre nur gründlich zu widerlegen versucht wird. In Frankreich verfährt man we[3]nigstens mit mehr Consequenz. Man findet überall de Sacy’s Grammatik befolgt, und so wenig ich wünschte, daß diese bei uns Eingang erhielte, da mir dies wirklich höchst oberflächliche Buch immer des sehr gelehrten Mannes recht herzlich unwerth geschienen hat, so entgeht man dadurch doch der Unannehmlichkeit, alle Augenblicke auf andre Begriffe zu stoßen. Insofern war mir also an der Episode gelegen, in der ich gesucht habe die Begriffe aus ihren allgemeinen Gründen zu entwickeln, und mit den alten Grammatikern zu vergleichen. Für den Zweck von Ew. Hochwohlgebohrnen Zeitschrift paßt vielleicht auch ein Gegenstand, der doch auch die interessiren kann, die nicht selbst Sanskrit treiben.
Sehr leicht aber kann eine so ausführliche Behandlung einer einzelnen grammatischen Frage, selbst wenn sie die Sache völlig ausmachte, kleinlich scheinen. Dies befürchte ich oft selbst, und tröste mich nur, wenn ich auf das Ganze meines Strebens sehe, das aber freilich vor dem Publikum nicht klar da liegen kann. Einzeln erscheint so etwas freilich kleinlich. Aber längere Erfahrung hat mir nun die Ueberzeugung gegeben, daß jede grammatische Discussion nur dann wahrhaften wissenschaftlichen Gewinn bringt, wenn sie so durchgeführt wird, als läge in ihr allein der ganze Zweck, und wenn man jede, noch so rohe Sprache selbst, gerade mit derselben Sorgfalt behandelt als Griechisch und Lateinisch. Nur auf diesem Wege kann man mit der Zeit zu einem System vergleichender Sprachkunde kommen, und nur so kann man dem jetzt herrschenden Elende entgehen, wo jeder, der darüber schreibt, statt einen kleinen und einzelnen Punkt ganz zu ergründen, Urtheile über das Ganze wagt, denen ganz andre und umfassendere factische Untersuchungen zum Grunde liegen müßten, und daß man ebenso Urtheile über Sprachen ausspricht, deren Grammatiken und Wörterbücher man einmal flüchtig durchlaufen hat. In meinen Untersuchungen über die Amerikanischen Sprachen hoffe ich es dahin zu bringen, daß sich aus den einzelnen, allerdings kleinlichen Untersuchungen Resultate zusammenstellen sollen, die wenigstens historisch sicher genannt werden können, und sich dann auch über Reihen von Sprachen [4] erstrecken können. Bei Remusats treflichem Werk über die Tatarischen Sprachen vermißt man gerade zu sehr den eigentlich grammatischen Sinn. Die noch fehlenden Theile werden freilich davon mehr ergeben, als der bis jetzt erschienene, wenn er aber das Studium recht eigentlich auf die Kenntniß des Organismus dieser Sprachen gerichtet hätte, und darin glücklich gewesen wäre, würden schon seine Grundsätze über die Verwandtschaft und Abstammung der Sprachen reichhaltiger ausgefallen seyn, und er würde sich auch gehütet haben, die wenigen, die er vorbringt, für so neu zu halten.
Ew. Hochwohlgebohrnen haben die Güte gehabt, mich aufzufodern, Stellen aus meinen frühern Briefen an Sie in Ihre Zeitschrift einrücken zu lassen. Ich danke Ihnen herzlich dafür, muß Sie aber bitten mir zu erlauben, gerade diese ungedruckt zu lassen. Aeußerungen in Briefen sind, meiner Empfindung nach, immer nur für das eigne Studium und Denken gut. Man oder vielmehr ich wage auch das, was ich nur erst ahnde, was ich vollständig nicht gleich zu beweisen wissen würde, was ich vielleicht selbst später zurücknehmen und beschränken müßte. Ich wünsche das Urtheil des Andern hervorzulocken, und dies kann man nur durch entschiedene Behauptungen, scharf hingestellte Sätze. Für den Druck eignet sich das daher nicht. Auch scheue ich mich sehr vor den Urtheilen über Sprachbau, Sprachentstehung überhaupt, und es ist mir nicht einmal lieb, daß die Vorlesungen in der Akademie mir mehrere entlockt haben. Ich bin noch zu sehr im Studium des Factischen begriffen, die Ansicht kann noch zu viel neue Modificationen erleiden, und da ist eine einmal hingewagte Behauptung immer im Wege.
Leben Sie herzlich wohl, und nehmen Sie diese Zeilen und meine Abhandlung mit Güte und Nachsicht auf. Ich freue mich im Voraus der Belehrungen, die mir bei Gelegenheit der Arbeit von Ihnen zukommen werden, und wiederhole Ihnen die Versichrung der Gesinnungen der hochachtungsvollsten Freundschaft, mit welcher ich verharre
Ew. Hochwohlgebohrnen
ergebenster,
Humboldt.
[1] Berlin, den 18. October, 1822.
Von Woche zu Woche wollte ich Ew. Hochwohlgebohrnen inhaltreichen Brief vom 29. Mai, durch den Sie mir eine so große Freude gewährt haben, beantworten, aber da ich mich mit den Gegenständen, welche er betrift, ununterbrochen beschäftige, so kommen mir auch immer theils neue, theils veränderte Ansichten, und so schob ich es von einer Zeit zur andern auf. Jetzt drängt mich nun die Zeit, der leider fast ungeheuren Inlage nichts mehr hinzufügen zu können, als was ich nothwendig über sie selbst sagen muß. Denn Geschäfte nöthigen mich aufs neue aufs Land zu gehen, und da das Paket Ihnen durch einen Courier zukommen soll, muß es von hier abgehen.
Ich nehme mir nemlich die Freyheit, Ew. Hochwohlgebohrnen einen Aufsatz über einen Punkt der Indischen Grammatik zu übersenden, und meine Hauptabsicht dabei ist, daß Sie die Güte haben mögen, ihn zu lesen, und mir, wenn es Ihre Zeit erlaubt, Ihr Urtheil darüber zu sagen.
Zugleich aber wage ich auch, Ihnen den Aufsatz für die Indische Bibliothek anzubieten. Ich fühle aber, daß das ein Wagstück ist, und erwarte also beinahe, daß Sie ihn dazu unpassend finden. Sie können nemlich und werden vermuthlich es für unthunlich halten, Ihren Lesern eine so weitläuftige, und trockne Arbeit über eine einzelne grammatische Frage aufzubürden. Schiene es Ihnen indeß doch passend, auch solche Gegenstände in Ihrer Zeitschrift abzuhandeln, und hielten Sie die Arbeit würdig, darin zu erscheinen, so könnte der Aufsatz, wie Sie schon hier und da gethan haben, mit kleiner Schrift gedruckt werden, und ließe sich in zwei, selbst in drei Hefte vertheilen. Denn §. 1–6. dann 7. und endlich der Ueberrest bilden drei sich sehr füglich scheidende Theile. Ich ließe mir dies sehr gern gefallen, da mir, immer vorausgesetzt daß Sie die Arbeit dessen werth finden, viel daran liegen würde, mit dem Ersten, was über die Sanskrit Sprache von mir erscheint, gerade unter Ew. Hochwohlgebohrnen Schutz und Auspicien [2] aufzutreten. Vielleicht hätten Sie auch sogar Lust, und fänden, vorzüglich bei der Theilung, Muße, Anmerkungen hinzuzufügen um das von mir Gesagte zu widerlegen, bestätigen, oder besser auszuführen. Das Einzige, worum ich Ihre Freundschaft in Anspruch nehmen würde, wäre, daß, wo Sie wahre Unwissenheitsfehler finden sollten (obgleich ich möglichst gesucht habe, mich davon frei zu halten), Sie die schonende Güte hätten, diese stillschweigend zu berichtigen.
Könnten Sie von meiner Abhandlung keinen Gebrauch für die Bibliothek machen, dann bitte ich Sie, mir dieselbe und zwar wieder durch den Geheimen Legations Rath Himly in Frankfurt am Main, durch den Sie solche erhalten werden, zurückzusenden. Ich werde ihr dann eine andre Bestimmung geben.
Ließen Sie sie aber abdrucken, so könnten wohl auf meine Kosten, ohne alle Verändrung der Seitenzahl oder sonst, 12 Exemplare für mich besonders abgezogen werden.
Der 7. Paragraph, die Auseinandersetzung der Begriffe des Infinitivs, Gerundiums und Supinums wird Ihnen vielleicht eine Episode scheinen, die füglich hätte nur im Resultate aufgenommen werden können. Allein ich möchte sie nicht gern vom Ueberreste trennen; ich habe mich, seitdem ich mich mit diesen Gegenständen wieder ernstlicher beschäftige, überzeugt, wieviel Misverstand in diesen Begriffen herrscht, wie wenig auch die, denen sonst selbst Gelehrsamkeit nicht abzusprechen ist, in den allgemeinen grammatischen Begriffen fest sind, wie wenig Uebereinstimmung darin herrscht, wie leicht (z. B. von Herrmann) neue Theorien, fast Einfälle hingestellt werden, ohne daß man es sich zur Pflicht macht das längst Vorhandene zu prüfen, und anzunehmen oder zu widerlegen. Nicht einmal die Theorie der tempora, die doch Reiz schon richtig aufstellte, ist irgend allgemein geworden, und noch immer hört man von kurz und lang vergangenen Zeiten, relativen und absoluten reden, ohne daß doch jene wahre nur gründlich zu widerlegen versucht wird. In Frankreich verfährt man we[3]nigstens mit mehr Consequenz. Man findet überall de Sacy’s Grammatik befolgt, und so wenig ich wünschte, daß diese bei uns Eingang erhielte, da mir dies wirklich höchst oberflächliche Buch immer des sehr gelehrten Mannes recht herzlich unwerth geschienen hat, so entgeht man dadurch doch der Unannehmlichkeit, alle Augenblicke auf andre Begriffe zu stoßen. Insofern war mir also an der Episode gelegen, in der ich gesucht habe die Begriffe aus ihren allgemeinen Gründen zu entwickeln, und mit den alten Grammatikern zu vergleichen. Für den Zweck von Ew. Hochwohlgebohrnen Zeitschrift paßt vielleicht auch ein Gegenstand, der doch auch die interessiren kann, die nicht selbst Sanskrit treiben.
Sehr leicht aber kann eine so ausführliche Behandlung einer einzelnen grammatischen Frage, selbst wenn sie die Sache völlig ausmachte, kleinlich scheinen. Dies befürchte ich oft selbst, und tröste mich nur, wenn ich auf das Ganze meines Strebens sehe, das aber freilich vor dem Publikum nicht klar da liegen kann. Einzeln erscheint so etwas freilich kleinlich. Aber längere Erfahrung hat mir nun die Ueberzeugung gegeben, daß jede grammatische Discussion nur dann wahrhaften wissenschaftlichen Gewinn bringt, wenn sie so durchgeführt wird, als läge in ihr allein der ganze Zweck, und wenn man jede, noch so rohe Sprache selbst, gerade mit derselben Sorgfalt behandelt als Griechisch und Lateinisch. Nur auf diesem Wege kann man mit der Zeit zu einem System vergleichender Sprachkunde kommen, und nur so kann man dem jetzt herrschenden Elende entgehen, wo jeder, der darüber schreibt, statt einen kleinen und einzelnen Punkt ganz zu ergründen, Urtheile über das Ganze wagt, denen ganz andre und umfassendere factische Untersuchungen zum Grunde liegen müßten, und daß man ebenso Urtheile über Sprachen ausspricht, deren Grammatiken und Wörterbücher man einmal flüchtig durchlaufen hat. In meinen Untersuchungen über die Amerikanischen Sprachen hoffe ich es dahin zu bringen, daß sich aus den einzelnen, allerdings kleinlichen Untersuchungen Resultate zusammenstellen sollen, die wenigstens historisch sicher genannt werden können, und sich dann auch über Reihen von Sprachen [4] erstrecken können. Bei Remusats treflichem Werk über die Tatarischen Sprachen vermißt man gerade zu sehr den eigentlich grammatischen Sinn. Die noch fehlenden Theile werden freilich davon mehr ergeben, als der bis jetzt erschienene, wenn er aber das Studium recht eigentlich auf die Kenntniß des Organismus dieser Sprachen gerichtet hätte, und darin glücklich gewesen wäre, würden schon seine Grundsätze über die Verwandtschaft und Abstammung der Sprachen reichhaltiger ausgefallen seyn, und er würde sich auch gehütet haben, die wenigen, die er vorbringt, für so neu zu halten.
Ew. Hochwohlgebohrnen haben die Güte gehabt, mich aufzufodern, Stellen aus meinen frühern Briefen an Sie in Ihre Zeitschrift einrücken zu lassen. Ich danke Ihnen herzlich dafür, muß Sie aber bitten mir zu erlauben, gerade diese ungedruckt zu lassen. Aeußerungen in Briefen sind, meiner Empfindung nach, immer nur für das eigne Studium und Denken gut. Man oder vielmehr ich wage auch das, was ich nur erst ahnde, was ich vollständig nicht gleich zu beweisen wissen würde, was ich vielleicht selbst später zurücknehmen und beschränken müßte. Ich wünsche das Urtheil des Andern hervorzulocken, und dies kann man nur durch entschiedene Behauptungen, scharf hingestellte Sätze. Für den Druck eignet sich das daher nicht. Auch scheue ich mich sehr vor den Urtheilen über Sprachbau, Sprachentstehung überhaupt, und es ist mir nicht einmal lieb, daß die Vorlesungen in der Akademie mir mehrere entlockt haben. Ich bin noch zu sehr im Studium des Factischen begriffen, die Ansicht kann noch zu viel neue Modificationen erleiden, und da ist eine einmal hingewagte Behauptung immer im Wege.
Leben Sie herzlich wohl, und nehmen Sie diese Zeilen und meine Abhandlung mit Güte und Nachsicht auf. Ich freue mich im Voraus der Belehrungen, die mir bei Gelegenheit der Arbeit von Ihnen zukommen werden, und wiederhole Ihnen die Versichrung der Gesinnungen der hochachtungsvollsten Freundschaft, mit welcher ich verharre
Ew. Hochwohlgebohrnen
ergebenster,
Humboldt.
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