• Wilhelm von Humboldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Tegel · Place of Destination: Bonn · Date: 16.06.1829
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Wilhelm von Humboldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Tegel
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 16.06.1829
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Briefwechsel zwischen Wilhelm von Humboldt und August Wilhelm Schlegel. Hg. v. Albert Leitzmann. Halle 1908, S. 221‒241.
  • Incipit: „[1] Ew. Hochwohlgeboren haben mich durch Ihren ausführlichen, inhaltreichen und vertraulichen Brief vom 20ten vorigen Monats aufs höchste erfreut. Wenn ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek
  • OAI Id: 1732979
  • Classification Number: S 507 : 23
  • Provenance: Betr. Ramayana und Hitopadesa (kritische Ausgaben Schlegels), Worttrennung im Sanskrit sowie "[Franz] Bopp und seine Arbeiten".Geschenk August Wilhelm von Schlegels an die Universitätsbibliothek Bonn (s. A. Klette und I. Staender, Chirographorum in Bibliotheca Academica Bonnensi servatorum catalogus, Bd. II, Bonn 1858-1876, S. 152).
  • Number of Pages: 15 hs S. mit e. Schlussabsatz
  • Format: 26 x 21,3 cm
  • Particularities: Der Brief ist als Nr. 23 mit weiteren 26 Briefen Wilhelm von Humboldts an August Wilhelm von Schlegel in einen braunen marmorierten Pappeinband des 19. Jhs. eingebunden (Nr. 5: Brief von August Wilhelm von Schlegel an Wilhelm von Humboldt).
    Language
  • German
  • Greek
  • Sanskrit
  • English
[1] Ew. Hochwohlgeboren haben mich durch Ihren ausführlichen, inhaltreichen und vertraulichen Brief vom 20ten vorigen Monats aufs höchste erfreut. Wenn ich lange schwieg, so geschah es nur, weil ich Ihre Zeit und Ihre Arbeiten ehrte, und weil es mir oft an Muße gebricht, was dem, der nicht weiß, daß ich sehr langsam arbeite, unbegreiflich scheinen muß.
Ihren Ramayana habe ich noch ebensowenig als Ihren Hitopadesa. Ich statte Ihnen aber im Voraus meinen herzlichsten Dank dafür ab. Auch wissen Sie schon, wie ich über den ersteren urtheile, und ich bin überzeugt, daß ich den letzteren mit gleich dankbarer Bewunderung studiren werde. Nach Ihrer Schilderung in den Prolegomenen ist freilich der Zustand der Handschriften des Ramayana so, daß er es dem Herausgeber unmöglich macht, nicht eine gewisse Willkühr auszuüben. Bei den Griechischen und Römischen Handschriften ist man in diesem Punkte besser daran. Eine solche Willkühr werden manche in der Aufnahme der schlüpfrigen Scenen finden. Ich vertraue aber dem kritischen Alterthumsgefühl Ew. Hochwohlgeboren. Sie erwerben Sich ein unsterbliches Verdienst durch diese Ausgabe, und gewiß werden wir Ihnen noch andere künftig verdanken. Dabei fällt mir die Staatszeitung ein. Ich kannte den Artikel nicht, von dem Ew. Hochwohlgeboren reden. Ich muß mich doch nach dem Verfasser erkundigen. Auch neulich hatte sie einen wunderbaren Artikel, den mir der Herausgeber eigen zuschickte, von Klaproth gegen Champollion. Es ist wunderbar genug, ein solches Cartel in einer deutschen politischen Zeitung seinem französischen Gegner übers Meer nach Aegypten nachzuschicken.
Daß Ew. Hochwohlgeboren mit meinem Englischen Aufsatz (der aber übrigens nicht mein Englischer, sondern eine von Babington gemachte Uebersetzung meines Französischen ist) nicht unzufrieden sind, ist mir sehr angenehm gewesen. Besonders aber freut es mich, daß ich, nach Ihrem Zeugniß, nun annehmen kann, daß sich nur Ein Angelsächsisches Wort unter die von mir als Romanisch aufgeführten eingeschlichen hat. Ich hatte, als ich diese Wörter in [2] diesem sehr eilig und ohne alle Bücher gemachten Aufsatz niederschrieb, die Angst, daß ich in mehreren Unrecht haben könnte. timme war mir wirklich unbekannt. Mir fiel nur auf, daß time und Zeit nicht zusammenhängen, aber ich hätte bedenken sollen, daß eine Ableitung von tempus fast noch unmöglicher ist. Sollten Sie aber glauben, daß der ehrwürdige Colebrooke aus Güte für mich die Correctur übernommen, und Rosen davon zurückgehalten, und nun geduldet hat, daß die einzigen zwei Sanskrit-Wörter so gräßlich verdruckt worden sind. Ich begriff nicht, daß mich alle schützenden Sanskritgeister auch bei dem flüchtigsten Schreiben sollten bis auf diesen Grad haben verlassen können. Die Unschuld meiner Urschrift ist aber ganz diplomatisch constatirt worden.
Eine so wichtige Autorität, als Sie sind, für meine Behauptung über die Worttrennung im Sanskrit zu entbehren, thut mir ungemein leid, allein ich sah es voraus, und nenne Sie darum gewiß nicht eigensinnig. Eine Beruhigung gewährt es mir indeß, daß unter den Einwendungen, die Ihr Brief aufstellt, keine ist, die ich nicht mir selbst gemacht, und mit in meine Berechnung aufgenommen hätte. Da ich niemals die Schranken meiner Kenntnisse aus den Augen verliere, so schreckt mich immer am meisten der Gedanke, daß ein gar nicht von mir geahndetes Moment mir entgegentreten könnte. Bedauert aber habe ich, daß Sie in Ihrem Briefe gar nicht auf diejenigen Gründe eingehen, auf die ich sichtbar mich am meisten stütze, und über einiges Factische, worüber mir Ihr Urtheil so höchst wichtig wäre, Ihre Meinung gar nicht äußern, namentlich nicht über den Unterschied der Behandlung der dumpfen Consonanten vor Vocalen in der Mitte und am Ende der Wörter, und über die syllabische Natur des Devanagari Alphabets und die Bestimmung der sogenannten Mittelvocale. Erlauben mir jetzt Ew. Hochwohlgeboren einige Bemerkungen zu den in Ihrem Briefe enthaltenen Einwendungen.
Sie werfen mir vor, daß mein Vorschlag das uralte, zum Theil vorhistorische Herkommen ummodelt, und tadeln dies. Dagegen möchte ich zweierlei erinnern.
1., Das uralte Herkommen der Sanskrit-Schreibung, wenigstens das älteste uns bekannte, ist die durchgängige Theilung aller Sylben ohne alle Zusammenziehung inniger Art. So druckt man, soviel [3] ich weiß, jetzt nirgends. Alle jetzigen Schreibungen trifft also derselbe Vorwurf, den Sie mir machen. Die Schreibung, der Sie noch in der Bhagavad Gita folgten, ist ja gar nicht Indisch, sondern Englisch, und erreicht höchstens ein Alter von 50 Jahren. Die, welche Sie jetzt annehmen, ist sogar neuer, als meine Neuerung, und entfernt sich eben so weit vom uralten Herkommen. Denn nichts kann diesem mehr entgegen seyn, als, wie in tân api z. B., den Vocal von dem vor ihm unmittelbar vorhergehenden Consonanten zu trennen. Der Unterschied liegt freilich nur, wie Ew. Hochwohlgeboren scherzhaft sagen, in etwas weißem Papier. Aber dieselbe Rechtfertigung kann auch ich brauchen, wenn Sie mir nur etwas mehr dieses Materials zugestehen. Da wir uns mithin alle von jenem Herkommen entfernen, so ist die Discussion immer nur, was man thun muß, um nicht diesseits des Nothwendigen stehen zu bleiben, oder über das Erlaubte hinauszugehen? und diese Discussion habe ich versuchen wollen.
2., Es ist eine ausgemachte Thatsache, daß die Griechen noch sehr spät hin im Schreiben die Wörter nicht getrennt haben: interessant, aber schwierig zu bestimmen möchte es dagegen seyn, die wahren Epochen genau zu fixiren, und aufzufinden, warum es bisweilen geschehen und nicht geschehen ist? Denn auf Großgriechischen Vasen ist ὁ παῖς καλός bald fortlaufend geschrieben, bald nicht. Ich habe in meinem Aufsatz im Journal Asiatique die ersten Herausgeber der Griechen darum gelobt, daß sie von dieser Sitte der Handschriften abgegangen sind. Wollten Sie im Ernst Ihnen dies Lob entziehen? Wollten Sie zum alten Herkommen zurückkehren, ja nur wünschen, man hätte es dabei gelassen?
Volney’s Methode kann hier gar nicht in Vergleichung kommen. Sie greift ins Innerste der Sprache ein, was das Zusammenschreiben oder Trennen der Wörter gar nicht thut. Jene Methode ist für praktische Zwecke, wo man nur mit einer Sprache zu thun hat, und es auf keine wissenschaftliche ἀκρίβεια ankommt, gewiß sehr brauchbar. Als philologisches Mittel hat sie, außer einer Schaar andrer Gründe, das gegen sich, daß jeder Buchstabe zwar zu einer Classe gehört, aber selbst ein Individuum ist, und wieder nur durch ein Individuum bezeichnet werden kann, es auch so viele Individuen dieser Art giebt, daß ein irgend allgemeines Alphabet, womit ich mich oft [4] beschäftigt, Hunderte von Buchstaben brauchen würde. Ein eingeborner Cherokee hat daher mit vollem Recht vor einiger Zeit, mit Wegwerfung unsrer Buchstaben, ein eigenes Alphabet erfunden, und seine ganze Nation ist ihm so einstimmig beigefallen, daß die Missionarien selbst genöthigt worden sind, dies (übrigens zum Theil syllabische) Alphabet anzunehmen. Man hat jetzt eine mit demselben gedruckte Zeitung.
Von allem diesem findet, wie Ew. Hochwohlgeboren mir gewiß Recht geben werden, gar nichts auf die Worttrennung Anwendung.
Ew. Hochwohlgeboren sagen ferner: Ist es wirklich eine allgemeine historische Thatsache, daß in allen gebildeten Sprachen eine große Sorgfalt auf die Worttrennung gewendet worden sey? und da Sie nun von der Worttrennung im Schreiben reden, so scheint es, als habe ich irgendwo behauptet, alle gebildeten Nationen hätten im Schreiben die Wörter getrennt.
Dies aber habe ich nie gethan, da mir sehr wohl, wie namentlich die vorhin berührte Stelle meines Aufsatzes im Journal Asiatique beweist, die Unrichtigkeit einer solchen Behauptung in solcher Allgemeinheit bekannt war.
Vermuthlich haben Ew. Hochwohlgeboren S. 582. meines Aufsatzes von den Worten Obgleich die Rede bis um so nothwendiger vor Augen gehabt. Ich bedaure, daß Sie gerade diese Stelle nicht mehr beachtet haben, da sie, meiner Ansicht nach, etwas Wichtiges und vielleicht Neues enthält.
Ich rede in dieser Stelle gar nicht vom Schreiben, auf das ich erst später übergehe, sondern von dem ersten Requisit aller regelmäßigen Grammatik, der Worttrennung durch grammatische Mittel. Ich sage darum: „das Wort auch im Laute sorgfältig zu umgränzen und mit Zeichen seiner Individualität zu versehen.“ Ich meinte damit im Sanskrit namentlich den Umstand, daß nur gewisse Consonanten ein Wort beschließen können, dann den Unterschied der Sandhi-Regeln für getrennte Wörter und für Verbindungen von Affixen mit dem Grundwort, endlich die Betonung, aber auch da nicht das geschriebene Accentzeichen.
Ich sprach ferner nicht von allen gebildeten Nationen, sondern [5] von denjenigen, „von welchen vollkommen organisirte Sprachen ausgegangen sind,“ so daß ich an dieser Stelle nicht mit den Aegyptiern zu thun zu haben glaubte.
Das uralte Herkommen im Schreiben war, wie ich glaube, allgemein gegen die Worttrennung. Aber ich halte es in unsrer Zeit und für uns, und besonders in einer Sprache, deren Studium man Grund hat, eng an das unsrer bisherigen classischen Sprachen anzuschließen, für vernünftig und heilsam, von diesem uralten Herkommen abzugehen.
Ew. Hochwohlgebohren erklären Sich zwar gegen alle unsre kleinen philologischen Hülfsmittel, als nur der analytischen Periode der Sprachen, nicht der schöpferischen angehörend. Gewiß setze auch ich sie nur in die erstere, halte sie aber darum nicht für weniger heilsam und nützlich, und da wir, wenn wir sie plötzlich wegwerfen, darum doch nicht schöpferischer werden würden, für ganz unschädlich. Wenn es mir erlaubt ist zu sagen, so scheinen mir diese Einwendungen zu allgemein zu seyn, und zu viel zu beweisen. Die Alten, sagen Sie, haben, ohne jene Hülfsmittel, vortrefflich recitirt u. s. f. Sie haben aber auch ohne Glasscheiben studirt und gemalt. Wollen wir darum unsere Glasscheiben entzwei schlagen?
Ich sage dies Alles nur vorzüglich, weil ich wünschte Ew. Hochwohlgeboren Aufmerksamkeit auf das wahre Fundament meiner Theorie und meine eigentlichen Argumente zu richten. Sie stehen S. 582–584., dann in unmittelbarer Anwendung auf das Sanskrit S. 586–589.
Die Wolfischen Worttrennungen sind Ew. Hochwohlgeboren widerwärtig. Aber Wolf und der ihm hierin vorangegangene, so vorsichtige Reiz sind große Autoritäten. Ueber die Einwendung, daß nur Consonanten, die nicht Finalbuchstaben sind, Wörter beschließen, werde ich mich gleich erklären.
Wahre particulas encliticas hört man auch im Abendlande auf den Londoner Straßen, wenn das Volk ein Pronomen nach dem Verbum ausspricht. Leute, die nicht an wissenschaftliche Orthographie gewöhnt sind, schreiben auch bei uns: bistu.
Die Erleichterung für die Schüler (so sehr ich auch selbst Erleichterung bedarf) habe ich wahrlich nicht im Auge gehabt. Ich habe es im Journal Asiatique ausdrücklich gesagt. Aber auch Ew. Hochwohlgeboren [6] glauben meiner Versicherung nicht, und bekämpfen dies Argument noch. Was ich wirklich im Auge habe, steht deutlich S. 583. Einem Schüler Bopps, selbst wenn er, wie doch schwerlich der Fall seyn wird, bloß Boppische Ausgaben und nur nach der Neuerung läse, wird es, kommt er an Handschriften, nicht anders ergehen, als einem Griechischen Philologen im gleichen Fall. Seine gut erlernten Sandhiregeln werden ihn durchbringen.
Das Bedürfniß einer Interpunction (denn jetzt giebt es in Gedichten nur mittelbar und einigermaßen eine durch die Versabtheilung) möchte ich doch nicht ganz wegläugnen. Es giebt doch auch längere Sätze, das Ende des Slokas ist nicht immer das Ende des Satzes. Fragen irren auch oft. Alles das sind bei einer zweiten Lesung keine Hindernisse, aber man wünscht doch auch bei einer ersten nicht aufgehalten zu werden. Wären indeß die Vortheile der Trennung auch nicht so groß, so scheint mir das, was man dabei aufgiebt, immer noch weniger bedeutend.
Ich bin Ew. Hochwohlgeboren sehr dankbar, mir Ihr jetziges neues System auseinandergesetzt zu haben. Wenn ich von Mangel an Consequenz sprach, so war es nur, weil ich nicht wußte, daß Sie jetzt einem ganz andern Grundsatz, nämlich dem der Endbuchstaben, folgen.
Allein ich gestehe, daß es mir nicht einleuchten will, daß dies ein angemessener leitender Grundsatz für das Zusammenschreiben oder Trennen der Wörter ist. Die in der Sprache liegende Regel, daß nur gewisse Buchstaben ein Wort beschließen können, gilt doch nur vom isolirt betrachteten Worte, und enthält die nothwendige, stillschweigende Einschränkung, wenn der Endbuchstabe des Wortes nicht durch einen folgenden Anfangsbuchstaben eines andern afficirt wird. Man verletzt diese Regel daher gar nicht, wenn man den geschriebenen Wörtern Endbuchstaben im Zusammenhange der Rede giebt, die sie außer demselben nicht haben können. Aus diesem Grunde haben vermuthlich auch Reiz und Wolf an einem schließenden δ und μ keinen Anstoß genommen, da ihnen doch die Unfähigkeit dieser Buchstaben, Wörter zu beschließen, nicht unbekannt seyn konnte.
Sie sagen ferner, Ihr System vertheidigend: denn mit solchen Buchstaben kann ein Wort ohne Hülfe des folgenden ausgesprochen werden. Sollte es aber bei der Schrift nicht darauf ankommen, wie es, unabhängig vom Können, in der That ausgesprochen werde? und dies, so wie, ob es, mit andern Endbuchstaben, gleich mit dem folgenden Worte zu Einem zusam[7]menschmelze? übergehen Sie.
Ich kann mir beim Schreiben einer Sprache in Absicht der Worttrennung nur einen von folgenden zwei Zwecken denken: entweder den der Darstellung der Lautauffassung für den Verstand, oder den der Darstellung der Lautauffassung für das Ohr (die Nachahmung des mündlichen Vortrags).
Ew. Hochwohlgeboren bisheriges System genügte dem letzteren. Ihr jetziges begünstigt in verschiedenen Punkten den einen und den andern, ohne Einen ganz zu erreichen. So werden beide zugleich verletzt; wo Sie zusammenziehen, die intellectuelle Darstellung, wo Sie trennen, wie beim schließenden n und nachfolgendem Vocal, die phonetische. Denn die ganze hier sichtbar werdende Analogie zeigt, daß man den Vocal hier in der Aussprache ebensowenig von n, als von einem vorhergehenden d trennte. Aus diesem beständigen Zusammennehmen des Anfangsvocals mit dem vorhergehenden Endconsonanten kann ja überhaupt nur die Verwandlung der dumpfen Endconsonanten in tönende vor Vocalen erklärt werden. Ich läugne daher nicht, daß ich gewünscht hätte, Sie wären lieber bei Ihrer Schreibung in der Bhagavad Gita geblieben, die ich für richtiger halte. Ich nahm mir die Freiheit, Ihnen das schon in Absicht des End-n, als Sie in Berlin waren, zu sagen.
Ihrem Grundsatz, daß die legitimen Endbuchstaben getrennt bleiben, folgen Sie allerdings mit voller Consequenz. Aber ich kann weder seine Geltung, noch seine Fruchtbarkeit in dieser Anwendung einsehen.
Wenn man mit der Feinheit unterscheidet, welche diese Gegenstände, wie klein sie auch sind, nun einmal fordern, so giebt es, meines Erachtens, einen dreifachen, hier in Betrachtung kommenden Zustand der Wörter:
1., den, wo sie, mit unafficirten Endbuchstaben, getrennt stehen bleiben,
2., den, wo sie zwar getrennt bleiben, d. h. nicht mit dem folgenden Wort zu Einem werden, wo aber das folgende Wort ihre Endbuchstaben afficirt,
3., den, wo sie mit dem folgenden Wort wirklich zu Einem werden.
Für die Bezeichnung des mittleren Zustandes eignet sich nun sehr gut das Alleinstehen mit illegitimen Endbuchstaben, wie καδ δε.
Sie läugnen vermuthlich jenen mittleren Zustand gänzlich ab, und [8] nehmen überall Zusammenfließen in Ein Wort an, wo sich die Grenzbuchstaben afficiren. Sie mögen darin vollkommen Recht haben, die Sache ist doch aber einer Erwägung werth, und diese einzuleiten, habe ich S. 586. versucht.
Es thut mir leid, über diesen Gegenstand so weitläuftig gewesen zu seyn. Es war mir aber wichtig, Ihnen meine Ideen vollständig darzulegen. Irre ich, so seyn Ew. Hochwohlgeboren wenigstens überzeugt, daß es nicht aus dem Eigensinn herrührt, eine einmal gemachte Behauptung nicht aufgeben zu wollen. Nichts kann weniger anmaßend seyn, als mein Aufsatz im Journal Asiatique war. Nur das vornehm thuende Absprechen des Herrn Dursch, was von gar keiner eigentlichen Untersuchung der Sache begleitet war, hat mich veranlaßt, den Gegenstand nun bestimmt auszuführen, und so gründlich zu untersuchen, als es meine Kräfte erlaubten. Diese Untersuchung hat denn freilich meine Ueberzeugung befestigt, neuen überwiegenden Gründen aber würde ich ohne Bedenken nachgeben.
Das zweite Hauptthema des Briefes Ew. Hochwohlgeboren ist Bopp und seine Arbeiten, und hier bitte ich Sie, was ich Ihnen darüber sagen werde, recht freundschaftlich aufzunehmen.
Ew. Hochwohlgeboren erinnern Sich, daß ich, als ich Ihnen rieth, Ihre kostbare Zeit lieber kritischen Ausgaben, als einer neuen Grammatik zu widmen, gleich wünschte, Sie schrieben Bemerkungen über Bopps Grammatik. Dieser Meinung bin ich noch heute, und sehe dem Heft der Indischen Bibliothek, zu dem Sie Hoffnung machen, mit Verlangen entgegen.
Von Ihren Distichen lasse ich mir daher Ihr erstes gefallen für den Preis der Belehrung, die daraus entstehen muß. Mit dem von Herrn Lassen kann ich ganz einverstanden seyn. Es soll Ihnen alles Gute und Ehrenvolle gebühren. Den ersten Vers kann ich mit einem versteckten wenn verstehen. Daß der Strafwürdige, wenn er es ist, gestraft werde, ist auch meine Meinung, und das . . . . setzt mich noch mehr à mon aise. Ihr zweites aber muß ich in der Allgemeinheit, in der es sich ausspricht, durchaus von mir ablehnen.
Aus diesen, wenn gleich nur scherzhaften Distichen, dem Ueberdruß an den Episoden, die wenigstens das Verdienstliche haben, wenn man ihnen, wie ich nicht weiß, auch sonst viel Vorwürfe machen könnte, daß sie Dinge ans Licht bringen, die bisher unzugänglich waren, und dem ganzen Ton Ihres Briefes sehe ich, oder glaube ich wenigstens eine gewisse Bitterkeit zu sehen, die ich recht wahrhaft bedaure. Ich bin überzeugt, daß Ew. Hochwohlgeboren keine Eifersucht haben, allein wenn, was Sie über Bopp schreiben wollen, nur [9] halb die Farbe Ihres Briefes trägt, so werden Sie auch bei den am billigsten Urtheilenden diesem Verdacht nicht entgehen. Daß Sie der Sache gar nichts vergeben, ist meine volle Meinung, aber schon des Studiums des Sanskrits und seiner Beförderung willen, sollten Sie Ihren Erinnerungen mehr die Form eines gemeinschaftlichen Strebens nach dem gleichen Ziel, als einer Gegenschrift geben. Sie erreichen auch dadurch eine viel größere Wirkung.
Ich stehe ganz unpartheiisch zwischen Ihnen beiden. Ich kann mich, soviel Belehrung ich auch Ihnen beiden schuldig bin, einen Schüler von keinem von Ihnen nennen, Sie haben beide selbst meine Irrthümer und Unkenntnisse mit fast überhöflicher Schonung behandelt, meine langjährige Freundschaft mit Ew. Hochwohlgeboren, meine lebhafte Zuneigung und Theilnahme an Bopp stellt mich Ihnen beiden nahe, mir kann keine Eifersucht beiwohnen, da ich Sie beide in diesen Studien weit über mir erkenne. Mein Zeugniß kann mithin von keiner Seite der Partheilichkeit verdächtig seyn.
Mein Urtheil über Bopp ist nun bestimmt folgendes.
Ich gebe vollkommen zu, daß Bopp die Indischen Grammatiker nicht selbst studirt hat, und ob ich gleich, wie ich augenblicklich sagen werde, dies in ihm gerechtfertigt finde, so billige ich nicht, daß er oft zu sehr dies Studium überhaupt für nicht nothwendig erklärt. Ich thäte das schon nicht, weil gerade ein solches Urtheil mit vielem Studium verbunden seyn müßte, es ist aber auch gegen meine Ueberzeugung, wiewohl ich, was hier zu lang zu rechtfertigen wäre, keine so vortheilhafte Meinung von den eingeborenen Grammatikern und ihrem Formelwesen habe, als Ew. Hochwohlgeboren, und die guten Griechischen für weit vorzüglicher halte.
Bopp hat sich aber über seine Methode in der Vorrede seiner Grammatik ausführlich, und freimüthig ausgesprochen, ohne daß ich darum diese Vorrede der anmaßenden Verschmähung der Grammatiker bezichtigen kann, welche Sie darin finden. Die Englischen Grammatiker hatten den Weg eingeschlagen, das Material der Sanskrit-Grammatik aus den eingeborenen Grammatiken zu entnehmen, und, mehr oder minder von der ihm in ihnen anklebenden Form befreit, in mehr oder minder selbständiger Anordnung wiederzugeben. Sie haben dies gewiß im Ganzen in großer Vollständigkeit und [10] Richtigkeit ausgeführt, und wenn Bopp nicht dieselbe Arbeit noch einmal thun will, so ehrt er mehr ihr Verdienst, als er die Eingeborenen verschmäht.
Die Aufgabe aber, die er nach dem Eingange der Vorrede nun sich selbst stellt, ist wirklich die, welche man sich beim Schreiben einer Grammatik wirklich stellen muß, und die für das Sanskrit vorzugsweise nöthig war, besonders wenn man den höheren Zweck hatte, indem man das Sanskrit lehrte, es zugleich so darzustellen, daß die Vergleichung mit den verwandten Sprachen und dem Sprachtypus überhaupt dadurch möglich und fruchtbar gemacht wurde.
Diese Aufgabe nun hat Bopp, meinem Urtheile nach, in einem solchen Grade gelöst, daß es meine vollkommen ernstliche Meinung ist, daß seine Grammatik nicht nur die beste unter den vorhandnen Sanskrit-Grammatiken ist, sondern daß ich auch keine einer alten Sprache kenne, die ich mit ihr vergleichen möchte. Er hat überall die in der Sprache liegende Analogie, die Bildungsgesetze und Lautgewohnheiten aufgesucht, und Fäden angeknüpft, die oft durch viele, bisweilen durch alle Theile der Sprache fortlaufen. Sollte er daher auch in Einzelnem aus Panini berichtigt werden können, sollte er selbst, was aber sehr selten der Fall seyn wird, einzelne falsche Analogien aufgestellt haben, so wird dies immer mein Urtheil über das Verdienst seiner Grammatik nicht wankend machen, weil dies in der Anlage liegt, in der dann einzelne Berichtigungen leicht einzuschalten sind.
Wie Ew. Hochwohlgeboren von Bopp in Absicht seiner Grammatik sagen können, daß er in Klarheit und Eleganz lange nicht Wilkins erreicht habe, begreife ich nicht. Vergleichen Sie doch nur das einzige Capitel vom Sandhi. Wie ganz unvollständig ist da Wilkins, wie hat er selbst das, was er anführt, so auseinandergerissen, daß alle Analogie unkenntlich wird, wie wirft er um sich mit occasionally und generally, wo man ganz anders bestimmen kann. Ich lasse darum Wilkins nicht minder volle Gerechtigkeit wiederfahren. Ich habe mein Sanskrit ganz eigentlich zuerst aus ihm gelernt. Er ist der lichtvollste unter den Engländern, hat viele und leicht zugängliche Paradigmen, und enthält großes Detail. Noch kürzlich, da ich versuchte, die Theorie der reduplicirenden Form des 3. Praeteritums (die auch bei Bopp weder vollständig noch ganz richtig ist) dergestalt aus der Sprache selbst zusammenzustellen, daß ich in Forster dies Praeteritum [11] in allen Wurzeln durchging, und daraus, mit Bemerkung der Ausnahmen, die Regeln abstrahirte, habe ich gesehen, wie wenig übersichtlich z. B. auch dies Capitel, bei aller Ausführlichkeit, ausgearbeitet ist. Es leuchtet in die Augen, daß Wilkins die einfachen Gesetze dieser nur verwickelt scheinenden Bildung gar nicht eingesehen hat.
Darin, die Analogie der Sprachen aufzufassen, ihrem Bildungsgange nachzugehen, die gleichen Fälle in verschiedenen zu erkennen, die nur gleich scheinenden abzusondern, besitzt Bopp, meiner Ueberzeugung nach, ein Talent und einen Blick, in denen ich ihm jetzt niemanden, als höchstens Grimm, an die Seite zu setzen wüßte. Die Sprachzergliederung und die Vorarbeiten zu einer Geschichte der edelsten uns bekannten Sprachen sind durch ihn wesentlich gefördert worden. Daß dies auch Grimms Urtheil über ihn ist, beweisen dessen öffentliche Aeußerungen über ihn, so wie das, was er mir noch im vorigen Jahre mündlich sagte. Was ich hier ausspreche, beziehe ich auf alle Arbeiten Bopps, nicht bloß auf seine Grammatik.
Darum bin ich bei weitem nicht in allen Punkten einerlei Meinung mit Bopp. Ich weiche vielmehr in manchen bedeutend ab, und finde, daß er in der Erklärung der Affixa viel weiter geht, nicht bloß als ich thun würde, sondern als man überhaupt gehen sollte. Allein auch hier ist die Bahn, die er einschlägt, auch meiner Ueberzeugung nach, die richtige, und das Anhalten am rechten Punkt ist leichter, als das Eröffnen der Bahn.
Bopps Tendenz, Grammatik und Lexicon auf die wirklich vorhandenen Texte zu gründen, da die Englischen Grammatiker und Wilson nur Grammatiker und Lexicographen zu Quellen haben, muß ich auch billigen. Es wäre doch die wahre Methode, wie auch Wilson zugesteht, wenn man mehr und ganz berichtigte Texte hätte, deren Mangel man allein dieser Methode zum Vorwurf machen kann. Soll man aber darum die ganze Methode aufgeben? oder ihre Anwendung ins Unbestimmte hin aufschieben? Man besitzt doch schon viel, und alles ist doch nicht kritisch ungenau. Auch ergiebt sich aus dem von Bopp ziemlich zuerst versuchten Verfahren das sehr merkwürdige Factum, daß die Grammatiker eine große Zahl Wurzeln und Formen mehr haben, als die uns jetzt am meisten bekannten Texte.
[12] Indeß würde ich niemals dafür seyn, dies zu weit zu treiben, und den überschießenden Theil nicht gleich gründlich zu studiren. Wie Sie aus meinem Briefe an Herrn Lassen gesehen haben werden, hat es mir nur geschienen, daß man daran Epochen in der Sprache erkennen könne. Wenn ich in jenem Briefe den Veda Dialect als ausgeschlossen von Paninis Gebiet ansah, so verkannte ich darum nicht, daß er hier und da seiner Erwähnung thut. Ich meinte nur, daß er doch die Veda-Eigenthümlichkeiten (wie z.B. das tempus let) nicht vollständig giebt.
Beim Studium Paninis darf man auch wohl nicht vergessen, daß man in ihm nur Eine, wenn gleich die berühmteste Schule hat. Man müßte die andern doch auch studiren. Nach den Beispielen, die in Carey zerstreut liegen, scheint zwar der Unterschied zwischen Vopadeva und Panini hauptsächlich nur in der Terminologie zu bestehen.
Ew. Hochwohlgeboren reden von Bopps Künsteleien mit den Personalendungen. Ich weiß nicht, worauf Sie das beziehen. Regel 299. der Grammatik giebt er die einfache Tafel. Seine Ableitungen schiebt er wirklich r. 298. in eine Anmerkung, und wer diese ganze Regel überschlagen will, kann es ja ohne Umstände thun. Meine Meinung ist übrigens, daß allerdings Bopp Recht hat, daß Pronomina unter den Personalendungen stecken, daß sich aber nur wenige aufzeigen lassen, und daß in dem Zustand, wie wir die Sprache überliefert erhalten haben, keine Endung darum die ist, welche sie ist, weil sie dieses oder jenes Pronomen enthält, sondern weil sie im Schema aller Personen, auf eine, mit keiner andern zu verwechselnde Weise, die ihr angewiesene bestimmte Stelle einnimmt. Dadurch ist hauptsächlich das Sanskrit (mit den verwandten, wie ich glaube, einzig unter allen Sprachen) eine durchaus flectirte, ganz von Form durchdrungene.
Das Schreiben aller Wurzeln mit n billige ich auch nicht, und hatte eben, ehe ich Ihren Brief erhielt, Bopp darüber bei Gelegenheit seiner lateinischen Grammatik geschrieben, ohne bis jetzt Antwort zu haben. Wenn, wie er annimmt, die Grammatiker bei dem Schreiben mit bloß den Grund gehabt hätten, bemerklich zu machen, daß das n in den bekannten Fällen verwandelt wird, so würde ich Bopp beipflichten. Das ist aber nicht allein zweifelhaft, sondern erwiesen unrichtig. Denn man schreibt, nach Bopp selbst, praṇudati und praṇêdus, und doch steht, nach den Grammatikern, in Carey’s und Wilkins Wurzeln ṇud und nad. Es muß also einen andern Grund gehabt haben, und dann geht [13] durch die allgemeine Schreibung mit n eine, wenn gleich dunkle Thatsache verloren, was nicht seyn darf.
Liegt aber die Sache vielleicht noch anders? Ew. Hochwohlgeboren nennen es einen Irrthum, daß das n zu Anfange der Wurzeln durchgehends verwandelbar sey. Meinen Sie damit, daß die Regel der Verwandlung des dentalen Nasalen in den cerebralen nach pra, pari und para nicht allgemein sey, und ist es falsch, daß bei Bopp im Nalus nad wie oben geschrieben ist, dann werden die Folgerungen allerdings verschieden. Dann wäre der Wurzelanlaut bei den Grammatikern doch nur zum Zweck, diese Ausnahmen anzuzeigen, da, und daß man die Wurzeln rein von allen Anzeige-Buchstaben gebe, daß man nicht einen Buchstaben, der nur unter gewissen Umständen eintritt, der Wurzel selbst gebe, und dadurch die Nothwendigkeit einer neuen Regel herbeiführe, ist vollkommen auch meine Meinung. Dann aber wäre Bopps r. 94. b. wieder sehr zu tadeln.
In etwas, das bei Bopp hier noch zum Grunde liegt, bin ich mit ihm verschiedener Meinung. Er betrachtet, wozu freilich auch Colebrooke Anlaß giebt, die Wurzeln als grammatische Abstracta. Ich hingegen halte sie für uralte Grundwörter, die aber in der ganz flectirten Sprache, als solche, verschwinden. Höchstens möchte ich zugeben, daß die Grammatiker, welche sie (wenige Fälle ausgenommen) allerdings bloß als wissenschaftliche Hülfsmittel brauchten, sie von gewissen Nebenlauten befreiten oder sonst Lautveränderungen mit ihnen vornahmen, um sie zu durchaus lauteren Quellen aller aus ihnen entspringenden Formen zu machen. Ich suche daher immer nach dem Erscheinen dieser Wurzeln in nicht-Sanskritischen Asiatischen Sprachen, und habe wohl Einiges, aber nicht Vieles bisher gefunden.
Wie aber Ew. Hochwohlgeboren sagen können, daß Wilkins schon über den Punkt des n, was wahr und vernünftig sey, genügend enthalte, begreife ich nicht, ich müßte denn eine Stelle bei ihm ganz übersehen haben. p. 130. r. 160. sagt er bloß, was ganz unvermeidlich ist, wenn man Wurzeln mit beginnen läßt, und p. 35. r. 60. scheint er ganz vergessen zu haben, daß er p. 29. r. 35. b. viel bestimmter schon dasselbe festgesetzt hatte. Die Regel von der Verwandlung des Anfangs-n der Wurzeln kann ich, aller angewandten Mühe ungeachtet, gar nicht bei ihm finden. Vergleichen Sie damit nur Bopps r. 94. a. b. S. 62.
[14] Schwerlich kann man glauben, daß Wilkins die hier zur Sprache kommenden Regeln klar vor sich hatte, wenn man sein Motto auf dem Titelblatt liest, wo man doch nicht gleich mit Druckfehlern anhebt. Oder irre ich mich, daß man bhramêṇa schreiben müßte? Er erwähnt zwar r. 35. b. nicht, daß auch ein dazwischen tretender Lippenlaut die Verwandlung nicht aufhebt, allein Carey sagt es ausdrücklich, und Wilkins druckt selbst p. 643. r. 1297. râmêṇa. So bleibt also der auf Wilkins allein reducirte Schüler, wenn er Regel und Beispiele seines Führers vergleicht, gleich ungewiß über das, was eigentlich richtig ist. Solcher Fälle giebt es viele in Wilkins, ich hebe nur diesen heraus, weil Ew. Hochwohlgeboren ihn gerade hier loben. Ich ehre gewiß Wilkins Verdienste. Bopp konnte ja systematischer seyn, da er ihn vor sich hatte. Aber Bopps Grammatik gegen die von Wilkins herabzusetzen, kann ich nicht für frei von Partheilichkeit halten.
Die Umstellung der Personen scheint mir eine höchst gleichgültige Sache. Bopp hat keinen andern Grund dazu gehabt, als die Sanskrit-Grammatik der Griechischen gleich zu machen, was mir, wenn man einmal über diese Kleinigkeit sprechen will, beifallswerth scheint. Die Thatsache, daß die Indischen Grammatiker es anders machten, läßt sich durch eine allgemeine Anmerkung erhalten.
Den Gründen, die Ew. Hochwohlgeboren für die Indische Stellung anführen, kann ich nicht beistimmen. Es ist allerdings so, wenn man in der Sprachphilosophie nur Logik sieht, im Verbum nur eine Copula. Dies ist aber nun lange genug geschehen. In der Philosophie, welche die Eigenthümlichkeit des Unterschiedes zwischen Logik und aus der lebendigen, schöpferischen und begeisterten Natur der Sprache geschöpfter Theorie unterscheidet, steht gerade das colloquiale Verhältniß oben an. Davon liegt auch eine Andeutung im Pronomen aller Sprachen. Der Takt der Griechischen Grammatiker scheint mir also hier tiefer eingegangen zu seyn. Doch läßt sich in diesen allgemeinen Gründen ewig hin und her streiten, weshalb ich in solchen Dingen nicht viel auf sie gebe.
Ich möchte aber glauben, daß die Indischen Grammatiker einen andern specielleren Grund gehabt hätten. Sie stellten die Person im Schema zuerst, die sie überhaupt und oft allein anführen wollten, um die Flexionsart des Verbum zu zeigen. Dazu taugt aber die 3. sing. im Sanskrit mehr, als die erste, theils weil diese oft Vocalverlängerung hat, die in der Mehrzahl der Beugungen nicht ist, theils weil die unmittelbare Anschließung des dumpfen Zahnlauts an den Wurzelconsonanten mehr und schwierigere Verwandlungen [15] hervorbringt. Darum billige ich Rosens beständige Anführung der 1. pers. sing. gar nicht. Die Stellung im Schema hängt damit nicht nothwendig zusammen.
Ew. Hochwohlgeboren anhaltendes Studium des Panini freut mich ungemein. Wäre es nicht sehr schön, wenn Sie alle Stellen anmerkten, die vom Sprachgebrauch der Vedas handeln? Man könnte sie dann in Ein Corpus vereinigen.
Eine höchst merkwürdige Stelle in Ihrem Briefe ist mir die gewesen, wo Sie sagen, daß aus den Grammatikern unwidersprechlich erhelle, daß in ihrem Lande und zu ihrer Zeit das Sanskrit selbst von den untersten Volksclassen correct gesprochen worden. Hierüber sollten Sie vor Allem einmal etwas schreiben. Die Engländer nahmen, wie man aus den Asiatischen Untersuchungen sieht, an, daß das Sanskrit nur bis zu den drei ersten Kasten hinuntergieng, und scheinen in den untersten das Pracrit zu finden, was die Sanskrit-Schriftsteller einmischen. Dies kam mir wahrscheinlich vor, weil die mehrsten Sprachen Süd-Asiens einen höheren, gebildeten Dialect neben einem Volks Dialect haben. Vielleicht gelten aber diese Annahmen der Engländer nur von einer späteren Zeit, als die von Panini oder von den Grammatikern war, welche Panini benutzte.
Ich kann diesen langen Brief nicht abgehen lassen, ohne einige Worte noch selbst hinzuzufügen. Ich bin von Ew. Hochwohlgebornen Theilnahme an dem unglücklichen Ereigniß überzeugt, das mich betroffen hat. Es hat mich nicht allein tief erschüttert, sondern mich in eine Stimmung versetzt, die mich nur zurückgezogne Einsamkeit suchen läßt. Es giebt kaum irgend etwas im inneren Leben, das nicht durch ein so gewaltsames Zerreißen eines langjährigen beständigen Zusammenlebens auf das schmerzlichste in jedem Augenblick berührt würde. – Ich freue mich unendlich Ew. Hochwohlgebornen dauerhafter Gesundheit und rüstiger Arbeitslust. Möge Ihnen beides noch recht viele Jahre ungeschwächt und ungestört bleiben! Mit der herzlichsten und ausgezeichnetesten Hochachtung ganz der Ihrige
H.
Tegel, den 16. Junius, 1829.
[16]
[1] Ew. Hochwohlgeboren haben mich durch Ihren ausführlichen, inhaltreichen und vertraulichen Brief vom 20ten vorigen Monats aufs höchste erfreut. Wenn ich lange schwieg, so geschah es nur, weil ich Ihre Zeit und Ihre Arbeiten ehrte, und weil es mir oft an Muße gebricht, was dem, der nicht weiß, daß ich sehr langsam arbeite, unbegreiflich scheinen muß.
Ihren Ramayana habe ich noch ebensowenig als Ihren Hitopadesa. Ich statte Ihnen aber im Voraus meinen herzlichsten Dank dafür ab. Auch wissen Sie schon, wie ich über den ersteren urtheile, und ich bin überzeugt, daß ich den letzteren mit gleich dankbarer Bewunderung studiren werde. Nach Ihrer Schilderung in den Prolegomenen ist freilich der Zustand der Handschriften des Ramayana so, daß er es dem Herausgeber unmöglich macht, nicht eine gewisse Willkühr auszuüben. Bei den Griechischen und Römischen Handschriften ist man in diesem Punkte besser daran. Eine solche Willkühr werden manche in der Aufnahme der schlüpfrigen Scenen finden. Ich vertraue aber dem kritischen Alterthumsgefühl Ew. Hochwohlgeboren. Sie erwerben Sich ein unsterbliches Verdienst durch diese Ausgabe, und gewiß werden wir Ihnen noch andere künftig verdanken. Dabei fällt mir die Staatszeitung ein. Ich kannte den Artikel nicht, von dem Ew. Hochwohlgeboren reden. Ich muß mich doch nach dem Verfasser erkundigen. Auch neulich hatte sie einen wunderbaren Artikel, den mir der Herausgeber eigen zuschickte, von Klaproth gegen Champollion. Es ist wunderbar genug, ein solches Cartel in einer deutschen politischen Zeitung seinem französischen Gegner übers Meer nach Aegypten nachzuschicken.
Daß Ew. Hochwohlgeboren mit meinem Englischen Aufsatz (der aber übrigens nicht mein Englischer, sondern eine von Babington gemachte Uebersetzung meines Französischen ist) nicht unzufrieden sind, ist mir sehr angenehm gewesen. Besonders aber freut es mich, daß ich, nach Ihrem Zeugniß, nun annehmen kann, daß sich nur Ein Angelsächsisches Wort unter die von mir als Romanisch aufgeführten eingeschlichen hat. Ich hatte, als ich diese Wörter in [2] diesem sehr eilig und ohne alle Bücher gemachten Aufsatz niederschrieb, die Angst, daß ich in mehreren Unrecht haben könnte. timme war mir wirklich unbekannt. Mir fiel nur auf, daß time und Zeit nicht zusammenhängen, aber ich hätte bedenken sollen, daß eine Ableitung von tempus fast noch unmöglicher ist. Sollten Sie aber glauben, daß der ehrwürdige Colebrooke aus Güte für mich die Correctur übernommen, und Rosen davon zurückgehalten, und nun geduldet hat, daß die einzigen zwei Sanskrit-Wörter so gräßlich verdruckt worden sind. Ich begriff nicht, daß mich alle schützenden Sanskritgeister auch bei dem flüchtigsten Schreiben sollten bis auf diesen Grad haben verlassen können. Die Unschuld meiner Urschrift ist aber ganz diplomatisch constatirt worden.
Eine so wichtige Autorität, als Sie sind, für meine Behauptung über die Worttrennung im Sanskrit zu entbehren, thut mir ungemein leid, allein ich sah es voraus, und nenne Sie darum gewiß nicht eigensinnig. Eine Beruhigung gewährt es mir indeß, daß unter den Einwendungen, die Ihr Brief aufstellt, keine ist, die ich nicht mir selbst gemacht, und mit in meine Berechnung aufgenommen hätte. Da ich niemals die Schranken meiner Kenntnisse aus den Augen verliere, so schreckt mich immer am meisten der Gedanke, daß ein gar nicht von mir geahndetes Moment mir entgegentreten könnte. Bedauert aber habe ich, daß Sie in Ihrem Briefe gar nicht auf diejenigen Gründe eingehen, auf die ich sichtbar mich am meisten stütze, und über einiges Factische, worüber mir Ihr Urtheil so höchst wichtig wäre, Ihre Meinung gar nicht äußern, namentlich nicht über den Unterschied der Behandlung der dumpfen Consonanten vor Vocalen in der Mitte und am Ende der Wörter, und über die syllabische Natur des Devanagari Alphabets und die Bestimmung der sogenannten Mittelvocale. Erlauben mir jetzt Ew. Hochwohlgeboren einige Bemerkungen zu den in Ihrem Briefe enthaltenen Einwendungen.
Sie werfen mir vor, daß mein Vorschlag das uralte, zum Theil vorhistorische Herkommen ummodelt, und tadeln dies. Dagegen möchte ich zweierlei erinnern.
1., Das uralte Herkommen der Sanskrit-Schreibung, wenigstens das älteste uns bekannte, ist die durchgängige Theilung aller Sylben ohne alle Zusammenziehung inniger Art. So druckt man, soviel [3] ich weiß, jetzt nirgends. Alle jetzigen Schreibungen trifft also derselbe Vorwurf, den Sie mir machen. Die Schreibung, der Sie noch in der Bhagavad Gita folgten, ist ja gar nicht Indisch, sondern Englisch, und erreicht höchstens ein Alter von 50 Jahren. Die, welche Sie jetzt annehmen, ist sogar neuer, als meine Neuerung, und entfernt sich eben so weit vom uralten Herkommen. Denn nichts kann diesem mehr entgegen seyn, als, wie in tân api z. B., den Vocal von dem vor ihm unmittelbar vorhergehenden Consonanten zu trennen. Der Unterschied liegt freilich nur, wie Ew. Hochwohlgeboren scherzhaft sagen, in etwas weißem Papier. Aber dieselbe Rechtfertigung kann auch ich brauchen, wenn Sie mir nur etwas mehr dieses Materials zugestehen. Da wir uns mithin alle von jenem Herkommen entfernen, so ist die Discussion immer nur, was man thun muß, um nicht diesseits des Nothwendigen stehen zu bleiben, oder über das Erlaubte hinauszugehen? und diese Discussion habe ich versuchen wollen.
2., Es ist eine ausgemachte Thatsache, daß die Griechen noch sehr spät hin im Schreiben die Wörter nicht getrennt haben: interessant, aber schwierig zu bestimmen möchte es dagegen seyn, die wahren Epochen genau zu fixiren, und aufzufinden, warum es bisweilen geschehen und nicht geschehen ist? Denn auf Großgriechischen Vasen ist ὁ παῖς καλός bald fortlaufend geschrieben, bald nicht. Ich habe in meinem Aufsatz im Journal Asiatique die ersten Herausgeber der Griechen darum gelobt, daß sie von dieser Sitte der Handschriften abgegangen sind. Wollten Sie im Ernst Ihnen dies Lob entziehen? Wollten Sie zum alten Herkommen zurückkehren, ja nur wünschen, man hätte es dabei gelassen?
Volney’s Methode kann hier gar nicht in Vergleichung kommen. Sie greift ins Innerste der Sprache ein, was das Zusammenschreiben oder Trennen der Wörter gar nicht thut. Jene Methode ist für praktische Zwecke, wo man nur mit einer Sprache zu thun hat, und es auf keine wissenschaftliche ἀκρίβεια ankommt, gewiß sehr brauchbar. Als philologisches Mittel hat sie, außer einer Schaar andrer Gründe, das gegen sich, daß jeder Buchstabe zwar zu einer Classe gehört, aber selbst ein Individuum ist, und wieder nur durch ein Individuum bezeichnet werden kann, es auch so viele Individuen dieser Art giebt, daß ein irgend allgemeines Alphabet, womit ich mich oft [4] beschäftigt, Hunderte von Buchstaben brauchen würde. Ein eingeborner Cherokee hat daher mit vollem Recht vor einiger Zeit, mit Wegwerfung unsrer Buchstaben, ein eigenes Alphabet erfunden, und seine ganze Nation ist ihm so einstimmig beigefallen, daß die Missionarien selbst genöthigt worden sind, dies (übrigens zum Theil syllabische) Alphabet anzunehmen. Man hat jetzt eine mit demselben gedruckte Zeitung.
Von allem diesem findet, wie Ew. Hochwohlgeboren mir gewiß Recht geben werden, gar nichts auf die Worttrennung Anwendung.
Ew. Hochwohlgeboren sagen ferner: Ist es wirklich eine allgemeine historische Thatsache, daß in allen gebildeten Sprachen eine große Sorgfalt auf die Worttrennung gewendet worden sey? und da Sie nun von der Worttrennung im Schreiben reden, so scheint es, als habe ich irgendwo behauptet, alle gebildeten Nationen hätten im Schreiben die Wörter getrennt.
Dies aber habe ich nie gethan, da mir sehr wohl, wie namentlich die vorhin berührte Stelle meines Aufsatzes im Journal Asiatique beweist, die Unrichtigkeit einer solchen Behauptung in solcher Allgemeinheit bekannt war.
Vermuthlich haben Ew. Hochwohlgeboren S. 582. meines Aufsatzes von den Worten Obgleich die Rede bis um so nothwendiger vor Augen gehabt. Ich bedaure, daß Sie gerade diese Stelle nicht mehr beachtet haben, da sie, meiner Ansicht nach, etwas Wichtiges und vielleicht Neues enthält.
Ich rede in dieser Stelle gar nicht vom Schreiben, auf das ich erst später übergehe, sondern von dem ersten Requisit aller regelmäßigen Grammatik, der Worttrennung durch grammatische Mittel. Ich sage darum: „das Wort auch im Laute sorgfältig zu umgränzen und mit Zeichen seiner Individualität zu versehen.“ Ich meinte damit im Sanskrit namentlich den Umstand, daß nur gewisse Consonanten ein Wort beschließen können, dann den Unterschied der Sandhi-Regeln für getrennte Wörter und für Verbindungen von Affixen mit dem Grundwort, endlich die Betonung, aber auch da nicht das geschriebene Accentzeichen.
Ich sprach ferner nicht von allen gebildeten Nationen, sondern [5] von denjenigen, „von welchen vollkommen organisirte Sprachen ausgegangen sind,“ so daß ich an dieser Stelle nicht mit den Aegyptiern zu thun zu haben glaubte.
Das uralte Herkommen im Schreiben war, wie ich glaube, allgemein gegen die Worttrennung. Aber ich halte es in unsrer Zeit und für uns, und besonders in einer Sprache, deren Studium man Grund hat, eng an das unsrer bisherigen classischen Sprachen anzuschließen, für vernünftig und heilsam, von diesem uralten Herkommen abzugehen.
Ew. Hochwohlgebohren erklären Sich zwar gegen alle unsre kleinen philologischen Hülfsmittel, als nur der analytischen Periode der Sprachen, nicht der schöpferischen angehörend. Gewiß setze auch ich sie nur in die erstere, halte sie aber darum nicht für weniger heilsam und nützlich, und da wir, wenn wir sie plötzlich wegwerfen, darum doch nicht schöpferischer werden würden, für ganz unschädlich. Wenn es mir erlaubt ist zu sagen, so scheinen mir diese Einwendungen zu allgemein zu seyn, und zu viel zu beweisen. Die Alten, sagen Sie, haben, ohne jene Hülfsmittel, vortrefflich recitirt u. s. f. Sie haben aber auch ohne Glasscheiben studirt und gemalt. Wollen wir darum unsere Glasscheiben entzwei schlagen?
Ich sage dies Alles nur vorzüglich, weil ich wünschte Ew. Hochwohlgeboren Aufmerksamkeit auf das wahre Fundament meiner Theorie und meine eigentlichen Argumente zu richten. Sie stehen S. 582–584., dann in unmittelbarer Anwendung auf das Sanskrit S. 586–589.
Die Wolfischen Worttrennungen sind Ew. Hochwohlgeboren widerwärtig. Aber Wolf und der ihm hierin vorangegangene, so vorsichtige Reiz sind große Autoritäten. Ueber die Einwendung, daß nur Consonanten, die nicht Finalbuchstaben sind, Wörter beschließen, werde ich mich gleich erklären.
Wahre particulas encliticas hört man auch im Abendlande auf den Londoner Straßen, wenn das Volk ein Pronomen nach dem Verbum ausspricht. Leute, die nicht an wissenschaftliche Orthographie gewöhnt sind, schreiben auch bei uns: bistu.
Die Erleichterung für die Schüler (so sehr ich auch selbst Erleichterung bedarf) habe ich wahrlich nicht im Auge gehabt. Ich habe es im Journal Asiatique ausdrücklich gesagt. Aber auch Ew. Hochwohlgeboren [6] glauben meiner Versicherung nicht, und bekämpfen dies Argument noch. Was ich wirklich im Auge habe, steht deutlich S. 583. Einem Schüler Bopps, selbst wenn er, wie doch schwerlich der Fall seyn wird, bloß Boppische Ausgaben und nur nach der Neuerung läse, wird es, kommt er an Handschriften, nicht anders ergehen, als einem Griechischen Philologen im gleichen Fall. Seine gut erlernten Sandhiregeln werden ihn durchbringen.
Das Bedürfniß einer Interpunction (denn jetzt giebt es in Gedichten nur mittelbar und einigermaßen eine durch die Versabtheilung) möchte ich doch nicht ganz wegläugnen. Es giebt doch auch längere Sätze, das Ende des Slokas ist nicht immer das Ende des Satzes. Fragen irren auch oft. Alles das sind bei einer zweiten Lesung keine Hindernisse, aber man wünscht doch auch bei einer ersten nicht aufgehalten zu werden. Wären indeß die Vortheile der Trennung auch nicht so groß, so scheint mir das, was man dabei aufgiebt, immer noch weniger bedeutend.
Ich bin Ew. Hochwohlgeboren sehr dankbar, mir Ihr jetziges neues System auseinandergesetzt zu haben. Wenn ich von Mangel an Consequenz sprach, so war es nur, weil ich nicht wußte, daß Sie jetzt einem ganz andern Grundsatz, nämlich dem der Endbuchstaben, folgen.
Allein ich gestehe, daß es mir nicht einleuchten will, daß dies ein angemessener leitender Grundsatz für das Zusammenschreiben oder Trennen der Wörter ist. Die in der Sprache liegende Regel, daß nur gewisse Buchstaben ein Wort beschließen können, gilt doch nur vom isolirt betrachteten Worte, und enthält die nothwendige, stillschweigende Einschränkung, wenn der Endbuchstabe des Wortes nicht durch einen folgenden Anfangsbuchstaben eines andern afficirt wird. Man verletzt diese Regel daher gar nicht, wenn man den geschriebenen Wörtern Endbuchstaben im Zusammenhange der Rede giebt, die sie außer demselben nicht haben können. Aus diesem Grunde haben vermuthlich auch Reiz und Wolf an einem schließenden δ und μ keinen Anstoß genommen, da ihnen doch die Unfähigkeit dieser Buchstaben, Wörter zu beschließen, nicht unbekannt seyn konnte.
Sie sagen ferner, Ihr System vertheidigend: denn mit solchen Buchstaben kann ein Wort ohne Hülfe des folgenden ausgesprochen werden. Sollte es aber bei der Schrift nicht darauf ankommen, wie es, unabhängig vom Können, in der That ausgesprochen werde? und dies, so wie, ob es, mit andern Endbuchstaben, gleich mit dem folgenden Worte zu Einem zusam[7]menschmelze? übergehen Sie.
Ich kann mir beim Schreiben einer Sprache in Absicht der Worttrennung nur einen von folgenden zwei Zwecken denken: entweder den der Darstellung der Lautauffassung für den Verstand, oder den der Darstellung der Lautauffassung für das Ohr (die Nachahmung des mündlichen Vortrags).
Ew. Hochwohlgeboren bisheriges System genügte dem letzteren. Ihr jetziges begünstigt in verschiedenen Punkten den einen und den andern, ohne Einen ganz zu erreichen. So werden beide zugleich verletzt; wo Sie zusammenziehen, die intellectuelle Darstellung, wo Sie trennen, wie beim schließenden n und nachfolgendem Vocal, die phonetische. Denn die ganze hier sichtbar werdende Analogie zeigt, daß man den Vocal hier in der Aussprache ebensowenig von n, als von einem vorhergehenden d trennte. Aus diesem beständigen Zusammennehmen des Anfangsvocals mit dem vorhergehenden Endconsonanten kann ja überhaupt nur die Verwandlung der dumpfen Endconsonanten in tönende vor Vocalen erklärt werden. Ich läugne daher nicht, daß ich gewünscht hätte, Sie wären lieber bei Ihrer Schreibung in der Bhagavad Gita geblieben, die ich für richtiger halte. Ich nahm mir die Freiheit, Ihnen das schon in Absicht des End-n, als Sie in Berlin waren, zu sagen.
Ihrem Grundsatz, daß die legitimen Endbuchstaben getrennt bleiben, folgen Sie allerdings mit voller Consequenz. Aber ich kann weder seine Geltung, noch seine Fruchtbarkeit in dieser Anwendung einsehen.
Wenn man mit der Feinheit unterscheidet, welche diese Gegenstände, wie klein sie auch sind, nun einmal fordern, so giebt es, meines Erachtens, einen dreifachen, hier in Betrachtung kommenden Zustand der Wörter:
1., den, wo sie, mit unafficirten Endbuchstaben, getrennt stehen bleiben,
2., den, wo sie zwar getrennt bleiben, d. h. nicht mit dem folgenden Wort zu Einem werden, wo aber das folgende Wort ihre Endbuchstaben afficirt,
3., den, wo sie mit dem folgenden Wort wirklich zu Einem werden.
Für die Bezeichnung des mittleren Zustandes eignet sich nun sehr gut das Alleinstehen mit illegitimen Endbuchstaben, wie καδ δε.
Sie läugnen vermuthlich jenen mittleren Zustand gänzlich ab, und [8] nehmen überall Zusammenfließen in Ein Wort an, wo sich die Grenzbuchstaben afficiren. Sie mögen darin vollkommen Recht haben, die Sache ist doch aber einer Erwägung werth, und diese einzuleiten, habe ich S. 586. versucht.
Es thut mir leid, über diesen Gegenstand so weitläuftig gewesen zu seyn. Es war mir aber wichtig, Ihnen meine Ideen vollständig darzulegen. Irre ich, so seyn Ew. Hochwohlgeboren wenigstens überzeugt, daß es nicht aus dem Eigensinn herrührt, eine einmal gemachte Behauptung nicht aufgeben zu wollen. Nichts kann weniger anmaßend seyn, als mein Aufsatz im Journal Asiatique war. Nur das vornehm thuende Absprechen des Herrn Dursch, was von gar keiner eigentlichen Untersuchung der Sache begleitet war, hat mich veranlaßt, den Gegenstand nun bestimmt auszuführen, und so gründlich zu untersuchen, als es meine Kräfte erlaubten. Diese Untersuchung hat denn freilich meine Ueberzeugung befestigt, neuen überwiegenden Gründen aber würde ich ohne Bedenken nachgeben.
Das zweite Hauptthema des Briefes Ew. Hochwohlgeboren ist Bopp und seine Arbeiten, und hier bitte ich Sie, was ich Ihnen darüber sagen werde, recht freundschaftlich aufzunehmen.
Ew. Hochwohlgeboren erinnern Sich, daß ich, als ich Ihnen rieth, Ihre kostbare Zeit lieber kritischen Ausgaben, als einer neuen Grammatik zu widmen, gleich wünschte, Sie schrieben Bemerkungen über Bopps Grammatik. Dieser Meinung bin ich noch heute, und sehe dem Heft der Indischen Bibliothek, zu dem Sie Hoffnung machen, mit Verlangen entgegen.
Von Ihren Distichen lasse ich mir daher Ihr erstes gefallen für den Preis der Belehrung, die daraus entstehen muß. Mit dem von Herrn Lassen kann ich ganz einverstanden seyn. Es soll Ihnen alles Gute und Ehrenvolle gebühren. Den ersten Vers kann ich mit einem versteckten wenn verstehen. Daß der Strafwürdige, wenn er es ist, gestraft werde, ist auch meine Meinung, und das . . . . setzt mich noch mehr à mon aise. Ihr zweites aber muß ich in der Allgemeinheit, in der es sich ausspricht, durchaus von mir ablehnen.
Aus diesen, wenn gleich nur scherzhaften Distichen, dem Ueberdruß an den Episoden, die wenigstens das Verdienstliche haben, wenn man ihnen, wie ich nicht weiß, auch sonst viel Vorwürfe machen könnte, daß sie Dinge ans Licht bringen, die bisher unzugänglich waren, und dem ganzen Ton Ihres Briefes sehe ich, oder glaube ich wenigstens eine gewisse Bitterkeit zu sehen, die ich recht wahrhaft bedaure. Ich bin überzeugt, daß Ew. Hochwohlgeboren keine Eifersucht haben, allein wenn, was Sie über Bopp schreiben wollen, nur [9] halb die Farbe Ihres Briefes trägt, so werden Sie auch bei den am billigsten Urtheilenden diesem Verdacht nicht entgehen. Daß Sie der Sache gar nichts vergeben, ist meine volle Meinung, aber schon des Studiums des Sanskrits und seiner Beförderung willen, sollten Sie Ihren Erinnerungen mehr die Form eines gemeinschaftlichen Strebens nach dem gleichen Ziel, als einer Gegenschrift geben. Sie erreichen auch dadurch eine viel größere Wirkung.
Ich stehe ganz unpartheiisch zwischen Ihnen beiden. Ich kann mich, soviel Belehrung ich auch Ihnen beiden schuldig bin, einen Schüler von keinem von Ihnen nennen, Sie haben beide selbst meine Irrthümer und Unkenntnisse mit fast überhöflicher Schonung behandelt, meine langjährige Freundschaft mit Ew. Hochwohlgeboren, meine lebhafte Zuneigung und Theilnahme an Bopp stellt mich Ihnen beiden nahe, mir kann keine Eifersucht beiwohnen, da ich Sie beide in diesen Studien weit über mir erkenne. Mein Zeugniß kann mithin von keiner Seite der Partheilichkeit verdächtig seyn.
Mein Urtheil über Bopp ist nun bestimmt folgendes.
Ich gebe vollkommen zu, daß Bopp die Indischen Grammatiker nicht selbst studirt hat, und ob ich gleich, wie ich augenblicklich sagen werde, dies in ihm gerechtfertigt finde, so billige ich nicht, daß er oft zu sehr dies Studium überhaupt für nicht nothwendig erklärt. Ich thäte das schon nicht, weil gerade ein solches Urtheil mit vielem Studium verbunden seyn müßte, es ist aber auch gegen meine Ueberzeugung, wiewohl ich, was hier zu lang zu rechtfertigen wäre, keine so vortheilhafte Meinung von den eingeborenen Grammatikern und ihrem Formelwesen habe, als Ew. Hochwohlgeboren, und die guten Griechischen für weit vorzüglicher halte.
Bopp hat sich aber über seine Methode in der Vorrede seiner Grammatik ausführlich, und freimüthig ausgesprochen, ohne daß ich darum diese Vorrede der anmaßenden Verschmähung der Grammatiker bezichtigen kann, welche Sie darin finden. Die Englischen Grammatiker hatten den Weg eingeschlagen, das Material der Sanskrit-Grammatik aus den eingeborenen Grammatiken zu entnehmen, und, mehr oder minder von der ihm in ihnen anklebenden Form befreit, in mehr oder minder selbständiger Anordnung wiederzugeben. Sie haben dies gewiß im Ganzen in großer Vollständigkeit und [10] Richtigkeit ausgeführt, und wenn Bopp nicht dieselbe Arbeit noch einmal thun will, so ehrt er mehr ihr Verdienst, als er die Eingeborenen verschmäht.
Die Aufgabe aber, die er nach dem Eingange der Vorrede nun sich selbst stellt, ist wirklich die, welche man sich beim Schreiben einer Grammatik wirklich stellen muß, und die für das Sanskrit vorzugsweise nöthig war, besonders wenn man den höheren Zweck hatte, indem man das Sanskrit lehrte, es zugleich so darzustellen, daß die Vergleichung mit den verwandten Sprachen und dem Sprachtypus überhaupt dadurch möglich und fruchtbar gemacht wurde.
Diese Aufgabe nun hat Bopp, meinem Urtheile nach, in einem solchen Grade gelöst, daß es meine vollkommen ernstliche Meinung ist, daß seine Grammatik nicht nur die beste unter den vorhandnen Sanskrit-Grammatiken ist, sondern daß ich auch keine einer alten Sprache kenne, die ich mit ihr vergleichen möchte. Er hat überall die in der Sprache liegende Analogie, die Bildungsgesetze und Lautgewohnheiten aufgesucht, und Fäden angeknüpft, die oft durch viele, bisweilen durch alle Theile der Sprache fortlaufen. Sollte er daher auch in Einzelnem aus Panini berichtigt werden können, sollte er selbst, was aber sehr selten der Fall seyn wird, einzelne falsche Analogien aufgestellt haben, so wird dies immer mein Urtheil über das Verdienst seiner Grammatik nicht wankend machen, weil dies in der Anlage liegt, in der dann einzelne Berichtigungen leicht einzuschalten sind.
Wie Ew. Hochwohlgeboren von Bopp in Absicht seiner Grammatik sagen können, daß er in Klarheit und Eleganz lange nicht Wilkins erreicht habe, begreife ich nicht. Vergleichen Sie doch nur das einzige Capitel vom Sandhi. Wie ganz unvollständig ist da Wilkins, wie hat er selbst das, was er anführt, so auseinandergerissen, daß alle Analogie unkenntlich wird, wie wirft er um sich mit occasionally und generally, wo man ganz anders bestimmen kann. Ich lasse darum Wilkins nicht minder volle Gerechtigkeit wiederfahren. Ich habe mein Sanskrit ganz eigentlich zuerst aus ihm gelernt. Er ist der lichtvollste unter den Engländern, hat viele und leicht zugängliche Paradigmen, und enthält großes Detail. Noch kürzlich, da ich versuchte, die Theorie der reduplicirenden Form des 3. Praeteritums (die auch bei Bopp weder vollständig noch ganz richtig ist) dergestalt aus der Sprache selbst zusammenzustellen, daß ich in Forster dies Praeteritum [11] in allen Wurzeln durchging, und daraus, mit Bemerkung der Ausnahmen, die Regeln abstrahirte, habe ich gesehen, wie wenig übersichtlich z. B. auch dies Capitel, bei aller Ausführlichkeit, ausgearbeitet ist. Es leuchtet in die Augen, daß Wilkins die einfachen Gesetze dieser nur verwickelt scheinenden Bildung gar nicht eingesehen hat.
Darin, die Analogie der Sprachen aufzufassen, ihrem Bildungsgange nachzugehen, die gleichen Fälle in verschiedenen zu erkennen, die nur gleich scheinenden abzusondern, besitzt Bopp, meiner Ueberzeugung nach, ein Talent und einen Blick, in denen ich ihm jetzt niemanden, als höchstens Grimm, an die Seite zu setzen wüßte. Die Sprachzergliederung und die Vorarbeiten zu einer Geschichte der edelsten uns bekannten Sprachen sind durch ihn wesentlich gefördert worden. Daß dies auch Grimms Urtheil über ihn ist, beweisen dessen öffentliche Aeußerungen über ihn, so wie das, was er mir noch im vorigen Jahre mündlich sagte. Was ich hier ausspreche, beziehe ich auf alle Arbeiten Bopps, nicht bloß auf seine Grammatik.
Darum bin ich bei weitem nicht in allen Punkten einerlei Meinung mit Bopp. Ich weiche vielmehr in manchen bedeutend ab, und finde, daß er in der Erklärung der Affixa viel weiter geht, nicht bloß als ich thun würde, sondern als man überhaupt gehen sollte. Allein auch hier ist die Bahn, die er einschlägt, auch meiner Ueberzeugung nach, die richtige, und das Anhalten am rechten Punkt ist leichter, als das Eröffnen der Bahn.
Bopps Tendenz, Grammatik und Lexicon auf die wirklich vorhandenen Texte zu gründen, da die Englischen Grammatiker und Wilson nur Grammatiker und Lexicographen zu Quellen haben, muß ich auch billigen. Es wäre doch die wahre Methode, wie auch Wilson zugesteht, wenn man mehr und ganz berichtigte Texte hätte, deren Mangel man allein dieser Methode zum Vorwurf machen kann. Soll man aber darum die ganze Methode aufgeben? oder ihre Anwendung ins Unbestimmte hin aufschieben? Man besitzt doch schon viel, und alles ist doch nicht kritisch ungenau. Auch ergiebt sich aus dem von Bopp ziemlich zuerst versuchten Verfahren das sehr merkwürdige Factum, daß die Grammatiker eine große Zahl Wurzeln und Formen mehr haben, als die uns jetzt am meisten bekannten Texte.
[12] Indeß würde ich niemals dafür seyn, dies zu weit zu treiben, und den überschießenden Theil nicht gleich gründlich zu studiren. Wie Sie aus meinem Briefe an Herrn Lassen gesehen haben werden, hat es mir nur geschienen, daß man daran Epochen in der Sprache erkennen könne. Wenn ich in jenem Briefe den Veda Dialect als ausgeschlossen von Paninis Gebiet ansah, so verkannte ich darum nicht, daß er hier und da seiner Erwähnung thut. Ich meinte nur, daß er doch die Veda-Eigenthümlichkeiten (wie z.B. das tempus let) nicht vollständig giebt.
Beim Studium Paninis darf man auch wohl nicht vergessen, daß man in ihm nur Eine, wenn gleich die berühmteste Schule hat. Man müßte die andern doch auch studiren. Nach den Beispielen, die in Carey zerstreut liegen, scheint zwar der Unterschied zwischen Vopadeva und Panini hauptsächlich nur in der Terminologie zu bestehen.
Ew. Hochwohlgeboren reden von Bopps Künsteleien mit den Personalendungen. Ich weiß nicht, worauf Sie das beziehen. Regel 299. der Grammatik giebt er die einfache Tafel. Seine Ableitungen schiebt er wirklich r. 298. in eine Anmerkung, und wer diese ganze Regel überschlagen will, kann es ja ohne Umstände thun. Meine Meinung ist übrigens, daß allerdings Bopp Recht hat, daß Pronomina unter den Personalendungen stecken, daß sich aber nur wenige aufzeigen lassen, und daß in dem Zustand, wie wir die Sprache überliefert erhalten haben, keine Endung darum die ist, welche sie ist, weil sie dieses oder jenes Pronomen enthält, sondern weil sie im Schema aller Personen, auf eine, mit keiner andern zu verwechselnde Weise, die ihr angewiesene bestimmte Stelle einnimmt. Dadurch ist hauptsächlich das Sanskrit (mit den verwandten, wie ich glaube, einzig unter allen Sprachen) eine durchaus flectirte, ganz von Form durchdrungene.
Das Schreiben aller Wurzeln mit n billige ich auch nicht, und hatte eben, ehe ich Ihren Brief erhielt, Bopp darüber bei Gelegenheit seiner lateinischen Grammatik geschrieben, ohne bis jetzt Antwort zu haben. Wenn, wie er annimmt, die Grammatiker bei dem Schreiben mit bloß den Grund gehabt hätten, bemerklich zu machen, daß das n in den bekannten Fällen verwandelt wird, so würde ich Bopp beipflichten. Das ist aber nicht allein zweifelhaft, sondern erwiesen unrichtig. Denn man schreibt, nach Bopp selbst, praṇudati und praṇêdus, und doch steht, nach den Grammatikern, in Carey’s und Wilkins Wurzeln ṇud und nad. Es muß also einen andern Grund gehabt haben, und dann geht [13] durch die allgemeine Schreibung mit n eine, wenn gleich dunkle Thatsache verloren, was nicht seyn darf.
Liegt aber die Sache vielleicht noch anders? Ew. Hochwohlgeboren nennen es einen Irrthum, daß das n zu Anfange der Wurzeln durchgehends verwandelbar sey. Meinen Sie damit, daß die Regel der Verwandlung des dentalen Nasalen in den cerebralen nach pra, pari und para nicht allgemein sey, und ist es falsch, daß bei Bopp im Nalus nad wie oben geschrieben ist, dann werden die Folgerungen allerdings verschieden. Dann wäre der Wurzelanlaut bei den Grammatikern doch nur zum Zweck, diese Ausnahmen anzuzeigen, da, und daß man die Wurzeln rein von allen Anzeige-Buchstaben gebe, daß man nicht einen Buchstaben, der nur unter gewissen Umständen eintritt, der Wurzel selbst gebe, und dadurch die Nothwendigkeit einer neuen Regel herbeiführe, ist vollkommen auch meine Meinung. Dann aber wäre Bopps r. 94. b. wieder sehr zu tadeln.
In etwas, das bei Bopp hier noch zum Grunde liegt, bin ich mit ihm verschiedener Meinung. Er betrachtet, wozu freilich auch Colebrooke Anlaß giebt, die Wurzeln als grammatische Abstracta. Ich hingegen halte sie für uralte Grundwörter, die aber in der ganz flectirten Sprache, als solche, verschwinden. Höchstens möchte ich zugeben, daß die Grammatiker, welche sie (wenige Fälle ausgenommen) allerdings bloß als wissenschaftliche Hülfsmittel brauchten, sie von gewissen Nebenlauten befreiten oder sonst Lautveränderungen mit ihnen vornahmen, um sie zu durchaus lauteren Quellen aller aus ihnen entspringenden Formen zu machen. Ich suche daher immer nach dem Erscheinen dieser Wurzeln in nicht-Sanskritischen Asiatischen Sprachen, und habe wohl Einiges, aber nicht Vieles bisher gefunden.
Wie aber Ew. Hochwohlgeboren sagen können, daß Wilkins schon über den Punkt des n, was wahr und vernünftig sey, genügend enthalte, begreife ich nicht, ich müßte denn eine Stelle bei ihm ganz übersehen haben. p. 130. r. 160. sagt er bloß, was ganz unvermeidlich ist, wenn man Wurzeln mit beginnen läßt, und p. 35. r. 60. scheint er ganz vergessen zu haben, daß er p. 29. r. 35. b. viel bestimmter schon dasselbe festgesetzt hatte. Die Regel von der Verwandlung des Anfangs-n der Wurzeln kann ich, aller angewandten Mühe ungeachtet, gar nicht bei ihm finden. Vergleichen Sie damit nur Bopps r. 94. a. b. S. 62.
[14] Schwerlich kann man glauben, daß Wilkins die hier zur Sprache kommenden Regeln klar vor sich hatte, wenn man sein Motto auf dem Titelblatt liest, wo man doch nicht gleich mit Druckfehlern anhebt. Oder irre ich mich, daß man bhramêṇa schreiben müßte? Er erwähnt zwar r. 35. b. nicht, daß auch ein dazwischen tretender Lippenlaut die Verwandlung nicht aufhebt, allein Carey sagt es ausdrücklich, und Wilkins druckt selbst p. 643. r. 1297. râmêṇa. So bleibt also der auf Wilkins allein reducirte Schüler, wenn er Regel und Beispiele seines Führers vergleicht, gleich ungewiß über das, was eigentlich richtig ist. Solcher Fälle giebt es viele in Wilkins, ich hebe nur diesen heraus, weil Ew. Hochwohlgeboren ihn gerade hier loben. Ich ehre gewiß Wilkins Verdienste. Bopp konnte ja systematischer seyn, da er ihn vor sich hatte. Aber Bopps Grammatik gegen die von Wilkins herabzusetzen, kann ich nicht für frei von Partheilichkeit halten.
Die Umstellung der Personen scheint mir eine höchst gleichgültige Sache. Bopp hat keinen andern Grund dazu gehabt, als die Sanskrit-Grammatik der Griechischen gleich zu machen, was mir, wenn man einmal über diese Kleinigkeit sprechen will, beifallswerth scheint. Die Thatsache, daß die Indischen Grammatiker es anders machten, läßt sich durch eine allgemeine Anmerkung erhalten.
Den Gründen, die Ew. Hochwohlgeboren für die Indische Stellung anführen, kann ich nicht beistimmen. Es ist allerdings so, wenn man in der Sprachphilosophie nur Logik sieht, im Verbum nur eine Copula. Dies ist aber nun lange genug geschehen. In der Philosophie, welche die Eigenthümlichkeit des Unterschiedes zwischen Logik und aus der lebendigen, schöpferischen und begeisterten Natur der Sprache geschöpfter Theorie unterscheidet, steht gerade das colloquiale Verhältniß oben an. Davon liegt auch eine Andeutung im Pronomen aller Sprachen. Der Takt der Griechischen Grammatiker scheint mir also hier tiefer eingegangen zu seyn. Doch läßt sich in diesen allgemeinen Gründen ewig hin und her streiten, weshalb ich in solchen Dingen nicht viel auf sie gebe.
Ich möchte aber glauben, daß die Indischen Grammatiker einen andern specielleren Grund gehabt hätten. Sie stellten die Person im Schema zuerst, die sie überhaupt und oft allein anführen wollten, um die Flexionsart des Verbum zu zeigen. Dazu taugt aber die 3. sing. im Sanskrit mehr, als die erste, theils weil diese oft Vocalverlängerung hat, die in der Mehrzahl der Beugungen nicht ist, theils weil die unmittelbare Anschließung des dumpfen Zahnlauts an den Wurzelconsonanten mehr und schwierigere Verwandlungen [15] hervorbringt. Darum billige ich Rosens beständige Anführung der 1. pers. sing. gar nicht. Die Stellung im Schema hängt damit nicht nothwendig zusammen.
Ew. Hochwohlgeboren anhaltendes Studium des Panini freut mich ungemein. Wäre es nicht sehr schön, wenn Sie alle Stellen anmerkten, die vom Sprachgebrauch der Vedas handeln? Man könnte sie dann in Ein Corpus vereinigen.
Eine höchst merkwürdige Stelle in Ihrem Briefe ist mir die gewesen, wo Sie sagen, daß aus den Grammatikern unwidersprechlich erhelle, daß in ihrem Lande und zu ihrer Zeit das Sanskrit selbst von den untersten Volksclassen correct gesprochen worden. Hierüber sollten Sie vor Allem einmal etwas schreiben. Die Engländer nahmen, wie man aus den Asiatischen Untersuchungen sieht, an, daß das Sanskrit nur bis zu den drei ersten Kasten hinuntergieng, und scheinen in den untersten das Pracrit zu finden, was die Sanskrit-Schriftsteller einmischen. Dies kam mir wahrscheinlich vor, weil die mehrsten Sprachen Süd-Asiens einen höheren, gebildeten Dialect neben einem Volks Dialect haben. Vielleicht gelten aber diese Annahmen der Engländer nur von einer späteren Zeit, als die von Panini oder von den Grammatikern war, welche Panini benutzte.
Ich kann diesen langen Brief nicht abgehen lassen, ohne einige Worte noch selbst hinzuzufügen. Ich bin von Ew. Hochwohlgebornen Theilnahme an dem unglücklichen Ereigniß überzeugt, das mich betroffen hat. Es hat mich nicht allein tief erschüttert, sondern mich in eine Stimmung versetzt, die mich nur zurückgezogne Einsamkeit suchen läßt. Es giebt kaum irgend etwas im inneren Leben, das nicht durch ein so gewaltsames Zerreißen eines langjährigen beständigen Zusammenlebens auf das schmerzlichste in jedem Augenblick berührt würde. – Ich freue mich unendlich Ew. Hochwohlgebornen dauerhafter Gesundheit und rüstiger Arbeitslust. Möge Ihnen beides noch recht viele Jahre ungeschwächt und ungestört bleiben! Mit der herzlichsten und ausgezeichnetesten Hochachtung ganz der Ihrige
H.
Tegel, den 16. Junius, 1829.
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