• Ferdinand Gloeckle to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Chaumont-sur-Loire · Date: 06.06.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Ferdinand Gloeckle
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Chaumont-sur-Loire
  • Date: 06.06.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 138‒140.
  • Incipit: „[1] Rom d. 6t Juny 1810
    HochgeEhrtestester Herr
    Überzeugt daß Ihnen nachstehende Nachrichten nicht ungenehm seyn können, und auf Ermunterung des Herrn Wernhers [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-6
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,21,38
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 24,2 x 19 cm
    Language
  • German
[1] Rom d. 6t Juny 1810
HochgeEhrtestester Herr
Überzeugt daß Ihnen nachstehende Nachrichten nicht ungenehm seyn können, und auf Ermunterung des Herrn Wernhers und anderer Freunde wage ich einige kleine Bitten an Sie zu machen. Seit einem fast dreyjährigen Aufenthalte in Rom und Studieren der Altdeutschen Manuscripten in der Vatikanischen Bibliothek gelang es mir von sämtlichen a.[lt]d.[eutschen] Handschriften deren Anzahl sich gegen 900 belauft, einen vollständigen Catalogue zu verfertigen, in welchem Geschäffte mich die Zeitumstände besonders ja vieleicht einzig unterstüzten, indem durch den Wechsel der Custoden, und die precaire existenz der Bibliothek selbst, mir etwas möglich gemacht ward, was seit 200 Jahren niemand erlangen konnte. Auf solche Weise habe ich ein wohlerhaltenes pergament Manuscript des herrlichen Gedichtes Lohengrin von Wolfram von Eschilbach aufgefunden und abgeschrieben, eben so habe ich von einer sehr alten pergament Handschrifften des Gedichtes Gregorius von Hartmann von Owe, der Minnelieder Sammlung Nr. 357 die älter als die Manesische ist, von Reynalt von Montelban, Ogier von Dennenmark, Diethrichs Flucht zu den Hunnen Abschrifften genommen, nebstdem von fast allen Poetischen Werken bedeutende Auszüge und Ergänzungen gemacht, so habe ich von Tristan von Gottfried von Straßburg 20 in zwey Spalten geschriebene 4 [=Quart] Pergament Blätter mehr als die Millerische Sammlung und 14 mehr als der Münchner Codex, den Vuchs Reinhart aus dem 13ten Seculum auf Pergament, 24 Quart Blätter pergament Ergänzungen des Gedichts Carl der Grose gegen die Saracenen, wovon Schilter nur ein fragment in seinem tesauro abdrucken lassen (es ist dies Gedicht von dem Pfaffen Curat) eine Menge Romanzen, Auszüge aus gereimten Croniken, ja selbst von einigen provenzalen. Izt mache ich die Schollen zu dem Ottfried und Willeram von Ebersberg paraphrase des Hohen Liedes, dann wünsche ich noch Abschriften von dem uralten Pergament manuscript der Aeneide von Heinrich von Veldek, dem trojanischen Kriege von Herbort von Vrizlar, [2] Aller Abenthüre Crone von Heinrich von dem Turlin, Margaritta von Limburg, Willeha[l]m und andern mehr zu machen. Allein obgleich schon vieles von meinen Abschriften sich in den Händen der Herrn Batt in Mannheim und Goerres in Coblenz befindet so haben sie biß izt noch keinen Verleger auffinden können, dessen Honorar mich in den Stand sezte meine Arbeiten und Nachsuchungen fortsezen zu können, mit von der Hagen in Berlin stehe ich zwar schon einige Zeit in Unterhandlungen, aber die weite Entfernung und persönliches Nichtkennen zieht die Sache in die Länge. Meinen Eltern die mich zum Juristen bestimmten, wozu ich meine Studien theils in Deutschland theils in Paris machte, und die eine Reise nach Italien nur zur weitern Ausbildung meines Faches erlaubten, kann ich nicht länger mit meinem ganzen Unterhalte beschwerlich fallen, besonders da sie noch drey andere Söhne haben, deren Bildung sie vieles kostet, – die grose Verluste in der Revolution und gegenwärtigen KriegsZeiten gar nicht zu rechnen. Aber die grose Lust zur alten Litteratur, und der Wunsch meinem Vaterlande aus entferndten Ländern Gold zu bringen, das es heutzutage nur zu nöthig hat, da ich es selbst nicht so machen kann, machen mich aller Aufopferungen fähig, sie zog das Ausschlagen mancher sogenannten Anstellungen nach sich, meinen Aufenthalt in Rom in die Länge, und macht mich fast zwelff Stunde[n] täglich im Vatikan schreiben, den ich aller Hitze oder Regens ungeachtet täglich besuche, doch Sie selbst wissen viel zu gut welcher Mühe das Abschreiben so groser Gedichte deren einige gegen 400 QuartBlätter ausfüllen kostet.
Ich wünsche nun von Ihnen zu erfahren, ob Sie nicht etwa einen guten Verleger für meinen Catalogue und Abschrifften finden könnten. Ob Sie nicht vieleicht leinen Deutschen Fürsten für meine Arbeiten intressiren, und zu meiner [3] Unterstützung vermögen könnten, worunder der Kronprinz von Bayern vieleicht am ersten wäre, da derselbe Sie persönlich kennt und hochachtet, viel für Kunst und wissenschafft zu thun wünscht, auch ich als ein Rheinpfälzer auf seine Unterstützung ein näheres Recht hätte. Vieleicht könnte auch Ihr Herr Bruder dessen Bekanntschafft ich in Coeln vor mehrern Jahren die Ehre hatte zu machen, der sich aber meiner schwerlich mehr errinnern wird, in Wien oder anders wo sich für mich verwenden.
Verzeihen Sie die Kühnheit meiner Bitten, die ich in der Überzeugung, daß Ihnen meine Sache selbst nahe liege an Sie zu machen wagte, und erfreuen Sie mich gefälligst mit einer baldigen günstigen Antwort.
Mit gröster Hochachtung verbleibe ich
Ihr ergebenster Diener
Ferdinand Gloeckle
aus Niederjugelheim
Addresse
Strada felice Nr. 37 a Roma

N.S.
Ich hoffe da izt alle Klöster und KirchenBibliotheken und Archive auseinander gerissen werden, noch manches intressante zu finden.
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[1] Rom d. 6t Juny 1810
HochgeEhrtestester Herr
Überzeugt daß Ihnen nachstehende Nachrichten nicht ungenehm seyn können, und auf Ermunterung des Herrn Wernhers und anderer Freunde wage ich einige kleine Bitten an Sie zu machen. Seit einem fast dreyjährigen Aufenthalte in Rom und Studieren der Altdeutschen Manuscripten in der Vatikanischen Bibliothek gelang es mir von sämtlichen a.[lt]d.[eutschen] Handschriften deren Anzahl sich gegen 900 belauft, einen vollständigen Catalogue zu verfertigen, in welchem Geschäffte mich die Zeitumstände besonders ja vieleicht einzig unterstüzten, indem durch den Wechsel der Custoden, und die precaire existenz der Bibliothek selbst, mir etwas möglich gemacht ward, was seit 200 Jahren niemand erlangen konnte. Auf solche Weise habe ich ein wohlerhaltenes pergament Manuscript des herrlichen Gedichtes Lohengrin von Wolfram von Eschilbach aufgefunden und abgeschrieben, eben so habe ich von einer sehr alten pergament Handschrifften des Gedichtes Gregorius von Hartmann von Owe, der Minnelieder Sammlung Nr. 357 die älter als die Manesische ist, von Reynalt von Montelban, Ogier von Dennenmark, Diethrichs Flucht zu den Hunnen Abschrifften genommen, nebstdem von fast allen Poetischen Werken bedeutende Auszüge und Ergänzungen gemacht, so habe ich von Tristan von Gottfried von Straßburg 20 in zwey Spalten geschriebene 4 [=Quart] Pergament Blätter mehr als die Millerische Sammlung und 14 mehr als der Münchner Codex, den Vuchs Reinhart aus dem 13ten Seculum auf Pergament, 24 Quart Blätter pergament Ergänzungen des Gedichts Carl der Grose gegen die Saracenen, wovon Schilter nur ein fragment in seinem tesauro abdrucken lassen (es ist dies Gedicht von dem Pfaffen Curat) eine Menge Romanzen, Auszüge aus gereimten Croniken, ja selbst von einigen provenzalen. Izt mache ich die Schollen zu dem Ottfried und Willeram von Ebersberg paraphrase des Hohen Liedes, dann wünsche ich noch Abschriften von dem uralten Pergament manuscript der Aeneide von Heinrich von Veldek, dem trojanischen Kriege von Herbort von Vrizlar, [2] Aller Abenthüre Crone von Heinrich von dem Turlin, Margaritta von Limburg, Willeha[l]m und andern mehr zu machen. Allein obgleich schon vieles von meinen Abschriften sich in den Händen der Herrn Batt in Mannheim und Goerres in Coblenz befindet so haben sie biß izt noch keinen Verleger auffinden können, dessen Honorar mich in den Stand sezte meine Arbeiten und Nachsuchungen fortsezen zu können, mit von der Hagen in Berlin stehe ich zwar schon einige Zeit in Unterhandlungen, aber die weite Entfernung und persönliches Nichtkennen zieht die Sache in die Länge. Meinen Eltern die mich zum Juristen bestimmten, wozu ich meine Studien theils in Deutschland theils in Paris machte, und die eine Reise nach Italien nur zur weitern Ausbildung meines Faches erlaubten, kann ich nicht länger mit meinem ganzen Unterhalte beschwerlich fallen, besonders da sie noch drey andere Söhne haben, deren Bildung sie vieles kostet, – die grose Verluste in der Revolution und gegenwärtigen KriegsZeiten gar nicht zu rechnen. Aber die grose Lust zur alten Litteratur, und der Wunsch meinem Vaterlande aus entferndten Ländern Gold zu bringen, das es heutzutage nur zu nöthig hat, da ich es selbst nicht so machen kann, machen mich aller Aufopferungen fähig, sie zog das Ausschlagen mancher sogenannten Anstellungen nach sich, meinen Aufenthalt in Rom in die Länge, und macht mich fast zwelff Stunde[n] täglich im Vatikan schreiben, den ich aller Hitze oder Regens ungeachtet täglich besuche, doch Sie selbst wissen viel zu gut welcher Mühe das Abschreiben so groser Gedichte deren einige gegen 400 QuartBlätter ausfüllen kostet.
Ich wünsche nun von Ihnen zu erfahren, ob Sie nicht etwa einen guten Verleger für meinen Catalogue und Abschrifften finden könnten. Ob Sie nicht vieleicht leinen Deutschen Fürsten für meine Arbeiten intressiren, und zu meiner [3] Unterstützung vermögen könnten, worunder der Kronprinz von Bayern vieleicht am ersten wäre, da derselbe Sie persönlich kennt und hochachtet, viel für Kunst und wissenschafft zu thun wünscht, auch ich als ein Rheinpfälzer auf seine Unterstützung ein näheres Recht hätte. Vieleicht könnte auch Ihr Herr Bruder dessen Bekanntschafft ich in Coeln vor mehrern Jahren die Ehre hatte zu machen, der sich aber meiner schwerlich mehr errinnern wird, in Wien oder anders wo sich für mich verwenden.
Verzeihen Sie die Kühnheit meiner Bitten, die ich in der Überzeugung, daß Ihnen meine Sache selbst nahe liege an Sie zu machen wagte, und erfreuen Sie mich gefälligst mit einer baldigen günstigen Antwort.
Mit gröster Hochachtung verbleibe ich
Ihr ergebenster Diener
Ferdinand Gloeckle
aus Niederjugelheim
Addresse
Strada felice Nr. 37 a Roma

N.S.
Ich hoffe da izt alle Klöster und KirchenBibliotheken und Archive auseinander gerissen werden, noch manches intressante zu finden.
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