Sie erhalten diesen Brief, wahrscheinlich durch die Hand eines jungen Mannes der sich Köster nennt, und ein Verwandter meiner Freundinn ist, der in Bonn zu studieren denkt. Mit Vergnügen benutze ich diese Gelegenheit, um Ihnen bester Bruder, von uns Nachricht zu geben wozu Sie mündlich mich so freundlich aufgefordert haben. Unvergeßlich sind mir die Tage, worin ich hier Ihres Umgangs genoß, und Sie mir Ihre Liebevollen gütigen Gesinnungen äussdrükten, die sich tief in mein Herz geprägt haben. Würde mir die Freuder der Erinnrung, nur nicht durch den Vorwurf gestört, daß ich Ihnen meine Dankbarkeit so wenig habe zeigen, und nichts zu Ihrem Vergnügen und Ihrer Erheitrung [2] habe beytragen können. Es hat mir aber dazu nicht am Willen gefehlt, sondern an Gelegenheit, und dies wird Ihre Güte entschuldigen, so wie meine trübe Stimmung worin ich durch meinen Verlust versetzt bin. Möchten Sie lieber Bruder, doch die Reise noch ein Mal machen, auf daß ich Gelegenheit hätte das Versäumte nachzuhohlen. Wie ich höhre, so sind Sie in Hannover für die Langeweile die Sie hier gehabt haben, schadloß gehalten worden, den die Schwiegerin hat Breigers geschrieben, daß wärend der 8 Tage daß Sie bey ihnen logiert hätten, wäre jeder Tag mit ein Fest bezeichnet gewäsen.
In unserm kleinen Kreise hat sich wenig geändert, und alles geht im gewohnten Gleise, nur mein Befinden verschlimmert sich bey Annäherung der kältern Jahrszeit, und ich habe jetzt viel von gichtischen Bewerden zu leiden, dabey habe ich die große Unannehmlichkeit, daß ich durch den Eigensinn meiner Wirthin, noch [3] keinen heizbaren Ofen habe und vielleicht noch lange frieren muß. Ich habe sie deßhalb verklagen müssen, und macht mir die Sache viel Verdruß. Mein niedliches aber unbrauchbares Julchen, werde ich vielleicht bald verlieren, sie geht zu einer Tante um Kochen zu lernen, und alles Übrige was sie in ihrer Lage erforderlich ist.
Meine Kinder, und Spalls besonders, empfehlen sich Ihnen auf’s angelegentlichste. Minchen hat noch immer den bösen Husten den sie schon beynah ein Jahr gehabt hat, und der mich sehr besorgt macht. Sie ist jetzt damit beschäftigt sich einen warmen Winter Mantel zu machen, wozu Ihr gütiges Geschenk sie verholffen hat. Ihre Kinder die ihre gröste Freude, und Ersatz für manche Endbehrungen sind, sind Gottlob, jetzt gesund. Malchen und Wolper, haben es unendlich bedauert, daß sie das Glük verfehlt haben, Sie, bester Bruder, hier zu sehn; sie hoffen aber es einmahl möglich zu machen Sie in Bonn zu besuchen. Von August weiß ich nichts als daß er sich wohl befindet, hier hat er sich noch nicht wieder sehen lassen, und schreibt selten. Nun, bester Bruder, wis[4]sen Sie wie es uns geht, möchte ich doch nun auch bald einmahl durch einen Brief von Ihnen erfreuet werden, der mir ein theurer Beweis Ihrer fortdaurenden Liebe seyn wird.
Leben Sie wohl, und schenken Sie ein freundliches Andenken,
Ihrer
Sie werthschätzenden
Schwester Ch. Schlegel.
Harburg
d. 8ten Oct
1827.
[1] beantwortet am 22sten Sept. 28
nebst einem Wechsel von 10 Frdʼor.