1833.
Theuerster Oheim!
Eine innige Freude gewährte mir Ihr lieber Brief, worin Sie mich auf eine so freundliche, wahrhaft herzliche Weise bei sich willkommen heißen, daß ich jede Besorgniß schwinden lassen darf, als sei mein Besuch Ihnen unangenehm und lästig. Ungetrübt kann ich mich also nun dieser für mich so erheiternden Aussicht überlassen und Sie können überzeugt sein, daß, wenn der Himmel mich und Hermann gesund erhält, mich nichts an der Ausführung dieses Vorhabens hindern wird. Daß mich meine Reise nach Harburg so weit von Bonn entfernt, machte mich eine Zeit lang in meinem Entschlus[2]se wankend, ob ich diese nicht bis zu dem darauf folgenden Sommer verschieben könnte. Der Gesundheitszustand meiner guten Mutter scheint mir indeß so bedenklich, – denn nach ihrer Beschreibung muß ich fürchten, daß sie die Wassersucht hat, – daß es mir nicht rathsam vorkommt. Es ist natürlich einer meiner innigsten Wünsche, sie hienieden noch ein Mal wieder zu sehen, deßhalb darf ich die Beschwerden einer weitern Reise nicht scheuen. Es wäre gewiß sehr zweckmäßig und auch angenehm, von Hamburg bis Bonn mit den wohl eingerichteten Dampfschiffen zu Wasser zu reisen. Ich muß Ihnen jedoch meine Schwäche bekennen, ich lasse all mein bischen Muth auf dem festen Lande zurück, denn schon die kleine Überfahrt von Harburg bis Hamburg war bei windigem Wetter eine wahre Angstparthie für mich. Habe ich aber festen Grund und Boden unter mir, dann reise ich gern und befinde mich sehr wohl dabei. Es würde mir ein wahres [3] Vergnügen gewähren, liebster Oheim, wenn Sie mir einige Aufträge in Hamburg ertheilen wollten. Ich würde mich bemühen, sie möglichst nach Ihren Wünschen auszurichten.
Eine höchst angenehme Aussicht wäre es mir, wenn ich mich des Umgang’s der Frau Bethmann-Hollweg erfreuen dürfte, müßte ich es nicht von ihrer Seite als ein zu großes Opfer betrachten, da sie an Geist und Bildung weit über mir steht. Wir werden uns noch oft der Vergangenheit erinnern, die als die sorgenfreiste, fröhlichste Zeit meines Lebens mir unvergeßlich bleiben wird. Glauben Sie übrigens nicht, mein theurer Oheim, daß ich mich bei Ihnen einsam fühlen werde. Ich bin nicht nur ein sehr stilles Leben gewohnt, sondern es entspricht auch völlig meinem Geschmacke. Mein guter Mann und ich fanden in der Häuslichkeit unser Glück und unsre Zufriedenheit und beschränkten unsren Umgang auf einige bewährte Freunde. [4] Jetzt freilich fühle ich mich unaussprechlich verlassen, denn ich sehe oft während einer ganzen Woche Niemanden, dem ich mich mittheilen kann, oder mag; nur mein kleiner Hermann ist meine Gesellschaft und gewährt mir Trost. Ihr Wohlwollen, Ihre Güte, mein geliebter Oheim, hat für mich etwas ungemein Erhebendes und Beruhigendes, ich sehne mich danach, erst bei Ihnen zu sein.
Im Anfange April reise ich von hier weg und werde Ihnen, sobald ich in Harburg angekommen bin, wieder Nachricht von mir geben. Bis dahin habe ich noch manche unangenehme Unruhe vor mir und wünsche daher diese Zeit erst überstanden.
Leben Sie recht wohl, theurer Oheim, und erhalten Sie mir Ihre liebevolle Theilnahme.
Ihre
Sie aufrichtig liebende Nichte
Amalie Wolper.