• Carl Friedrich Zelter to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Jena · Date: 01.02.1799
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Carl Friedrich Zelter
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 01.02.1799
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34336
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.84
  • Number of Pages: 2S., hs. m. U.
  • Format: 22,7 x 18,6 cm
  • Incipit: „[1] Wenn irgend etwas die Lust nach Jena zu reisen bey mir hätte aufs Neue erregen können; so wäres Ihre [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Wenn irgend etwas die Lust nach Jena zu reisen bey mir hätte aufs Neue erregen können; so wäres Ihre gütige und angenehme Einladung gewesen. Ich hatte mich schon mit Mlle Mendelssohn über diese Reise verabredet und nun geht mirs wie mirs schon so oft gegangen: Ich kann nicht fort von hier, aus mehrern Ursachen nicht wenn ich auch die nahe Entbindung meiner Frau gar nicht dazu rechnen will. Es ist ein eigener Fluch der auf meinen Reisen ruht und ich kann Sie versichern mein wehrter Freund daß es mir wehe thut. Ich hätte so gern einmahl Jena und was mir daselbst schon von Fern gefällt, gesehn doch will ichs nur geduldig aufschieben und nicht murren um mein Schicksal nicht noch mehr zu erbittern.
Sie wißen es vielleicht daß ich Ihre Lebensmelodieen komponirt habe. Ich habe dazu zwey Chöre gewählt, von denen das eine den Schwan und das andere den Adler representirt. Für die einfache Liederform schien mir die Sache zu groß und da ich hier mit Chören eine beßere Gelegenheit habe als irgendwo so ist mirs eben nicht schwer geworden. Der eine Chor besteht nur aus wenigen Sängern und wird mit tiefen ruhigen Kehltönen ohngefähr die Stille einer ebenen Waßerfläche und kurz eines ruhigen Daseins oder wenn Sie noch wollen das Gefühl der resignation ausdrücken können. Der zweite Chor welcher von dem ersten so weit als möglich absteht, kontrastirt dadurch daß er ungleich stärker ist und hier mit 50 starken Stimmen besetzt werden kann wozu noch ein Orchester tritt daß von Zeit zu Zeit mit einigen starken Schlägen dazwischen arbeitet und etwa ein unstetes Geistvolles wildes Streben in höhere Regionen ausdrücken mag. Bis dahin ist die Sache so viel ich denken kann, wirklich gerathen, aber nun habe ich mich in eine Tiefe hinein gearbeitet und kann nicht fertig werden die Tauben auf eine geschickte Art hinein zu bringen ohne für die Musick einen Effect zu [2] gewinnen wodurch das schöne Gedicht einen magern Schluß erhält. Die Verse der Tauben würden viel leichter zu komponirn seyn als die ersten wenn es mir blos darauf ankäme daß sie gesungen würden aber ich verlange mehr dazu und kanns nicht erreichen. Nun wollte ich Sie bitten, mir einen Aufschluß zu geben: was die Tauben eigentlich representiren? und wie sie zur Tendenz des Ganzen beytragen. Ich dachte mir immer der Schluß des Gedichts müße eine Concentration der vorigen beiden Dinge nehmlich des Schwanes und Adlers seyn und so dann mit einer Art von Triumpf seine Bahn auf einer bestimmten hohen Höhe endigen. So dachte ichs mir, allein Sie müßen doch eine Ursache wichtige Ursache gehabt haben, so und nicht anders zu verfahren u darüber möchte ich mir gern Ihre eigene Meinung einholen ehe ich fortarbeite. Auch hat sich dass Ding zu einer Maße hinan gearbeitet die nicht blos dick und dünn sein darf (ich rede von meiner Musick) und ich muß es also in eine bestimmte Länge zu ziehn suchen, daß es ohne langweilig zu seyn, auch nicht zu kurz wird sonst ist kein Effect zu hoffen. Was mir in den letzten Tagen beygefallen ist will ich Ihnen herschreiben. Ich weis daß sich an einem Gedichte nicht ändern läßt wie man will und da wolte ich die Tauben nun so gut als möglich hinter den andern herkomponiren u dann das ganze Gedicht auf eine eigene Art, ohne Gesang, blos durch die Instrumentalmusick wiederholen laßen oder vielmehr in bloßen Tönen auszumalen suchen was sich mit Worten nicht so recht sagen läßt. Allein das bleibt das Letzte und vorher möchte ich Ihre Meinung wißen. Ihr Bruder sagt mir daß wir gegen das Frühjahr hoffen könten, Sie hier zu sehn, machen Sie es doch wahr und kommen Sie, xxxxxxxxxx Sie sollen schöne Sachen sehn, den Piccolomini u den Wallenstein, doch ich lade Sie an eine fremde Tafel
Leben Sie wohl
Ihr
Zelter.
Berlin 1 Febr. 1799.
[1] Wenn irgend etwas die Lust nach Jena zu reisen bey mir hätte aufs Neue erregen können; so wäres Ihre gütige und angenehme Einladung gewesen. Ich hatte mich schon mit Mlle Mendelssohn über diese Reise verabredet und nun geht mirs wie mirs schon so oft gegangen: Ich kann nicht fort von hier, aus mehrern Ursachen nicht wenn ich auch die nahe Entbindung meiner Frau gar nicht dazu rechnen will. Es ist ein eigener Fluch der auf meinen Reisen ruht und ich kann Sie versichern mein wehrter Freund daß es mir wehe thut. Ich hätte so gern einmahl Jena und was mir daselbst schon von Fern gefällt, gesehn doch will ichs nur geduldig aufschieben und nicht murren um mein Schicksal nicht noch mehr zu erbittern.
Sie wißen es vielleicht daß ich Ihre Lebensmelodieen komponirt habe. Ich habe dazu zwey Chöre gewählt, von denen das eine den Schwan und das andere den Adler representirt. Für die einfache Liederform schien mir die Sache zu groß und da ich hier mit Chören eine beßere Gelegenheit habe als irgendwo so ist mirs eben nicht schwer geworden. Der eine Chor besteht nur aus wenigen Sängern und wird mit tiefen ruhigen Kehltönen ohngefähr die Stille einer ebenen Waßerfläche und kurz eines ruhigen Daseins oder wenn Sie noch wollen das Gefühl der resignation ausdrücken können. Der zweite Chor welcher von dem ersten so weit als möglich absteht, kontrastirt dadurch daß er ungleich stärker ist und hier mit 50 starken Stimmen besetzt werden kann wozu noch ein Orchester tritt daß von Zeit zu Zeit mit einigen starken Schlägen dazwischen arbeitet und etwa ein unstetes Geistvolles wildes Streben in höhere Regionen ausdrücken mag. Bis dahin ist die Sache so viel ich denken kann, wirklich gerathen, aber nun habe ich mich in eine Tiefe hinein gearbeitet und kann nicht fertig werden die Tauben auf eine geschickte Art hinein zu bringen ohne für die Musick einen Effect zu [2] gewinnen wodurch das schöne Gedicht einen magern Schluß erhält. Die Verse der Tauben würden viel leichter zu komponirn seyn als die ersten wenn es mir blos darauf ankäme daß sie gesungen würden aber ich verlange mehr dazu und kanns nicht erreichen. Nun wollte ich Sie bitten, mir einen Aufschluß zu geben: was die Tauben eigentlich representiren? und wie sie zur Tendenz des Ganzen beytragen. Ich dachte mir immer der Schluß des Gedichts müße eine Concentration der vorigen beiden Dinge nehmlich des Schwanes und Adlers seyn und so dann mit einer Art von Triumpf seine Bahn auf einer bestimmten hohen Höhe endigen. So dachte ichs mir, allein Sie müßen doch eine Ursache wichtige Ursache gehabt haben, so und nicht anders zu verfahren u darüber möchte ich mir gern Ihre eigene Meinung einholen ehe ich fortarbeite. Auch hat sich dass Ding zu einer Maße hinan gearbeitet die nicht blos dick und dünn sein darf (ich rede von meiner Musick) und ich muß es also in eine bestimmte Länge zu ziehn suchen, daß es ohne langweilig zu seyn, auch nicht zu kurz wird sonst ist kein Effect zu hoffen. Was mir in den letzten Tagen beygefallen ist will ich Ihnen herschreiben. Ich weis daß sich an einem Gedichte nicht ändern läßt wie man will und da wolte ich die Tauben nun so gut als möglich hinter den andern herkomponiren u dann das ganze Gedicht auf eine eigene Art, ohne Gesang, blos durch die Instrumentalmusick wiederholen laßen oder vielmehr in bloßen Tönen auszumalen suchen was sich mit Worten nicht so recht sagen läßt. Allein das bleibt das Letzte und vorher möchte ich Ihre Meinung wißen. Ihr Bruder sagt mir daß wir gegen das Frühjahr hoffen könten, Sie hier zu sehn, machen Sie es doch wahr und kommen Sie, xxxxxxxxxx Sie sollen schöne Sachen sehn, den Piccolomini u den Wallenstein, doch ich lade Sie an eine fremde Tafel
Leben Sie wohl
Ihr
Zelter.
Berlin 1 Febr. 1799.
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