alten Stils. [= 28. Mai 1816]
Theuerster Freund!
Wenn Sie wüßten welche erfreuliche Erscheinung es mir war die wohlbekanten Züge Ihrer Hand nach einem so langen Zeitraum wiederzusehen, Sie würden diese Freude mir nicht so lange entzogen haben wenn Sie sich meine Empfindung lebhaft gedacht hätten. Ich kann das heilige Gefühl einer zärtlichen Freundschaft nicht für einen Traum halten lernen der mit der Jugend verschwindet, und darum schien mir diese Entfernung worin wir auch geistiger Weise lebten, immer unnatürlich und war höchst quälend für mich, und darum darf ich sagen daß Ihr Brief beruhigend auf mein Gemüth würckte, indem er mir mit Sicherheit eine schöne Zukunft zeigte, in welcher wir abermals vereinigt leben könten, und gewiß auf eine schönere Weise als früher, wo so manche Stürme durch meine Seele zogen die den poetischen Genuß des Lebens trübten, und obgleich ein ewiger Kummer in meinem Herzen ruht, über das was ich unwiederbringlich verlohren habe, so würde ich mich selbst undanckbar schelten, wenn sich dieser Kummer anders als milde zeigte, da mir so viel Glück und Liebe im Leben geblieben ist. Ich habe nie mein theuerster Freund darnach trachten mögen in der Welt zu glänzen, und den Beifal der Menge zu erobern, aber dafür habe ich meine Freunde mit unendlicher Liebe in mein Herz geschlossen, und konte nicht anders als mit tödlichem Schmerz es fühlen, wenn sich einer losriß.
Ich will ihnen im Kurzen den Plan unseres Lebens mittheilen damit Sie sehen worauf ich meine Hoffnungen gründe, und damit Sie mir antworten ob sich diese Hoffnungen mit Ihrem Lebensplan [2] vereinigen lassen. Knorring hat hier weitläuftige Besitzungen in großer Verwirrung angetroffen, und es gehörte Geduld und Muth so wie die Aufopferung mehrerer Jahre dazu um alles wieder gehörig zu ordnen. Wir hatten den lebhaften Wunsch mein Bruder möchte hieher kommen, um uns diese Einsamkeit des Geistes erträglich zu machen, allein ich habe zu sehr eingesehen wie sehr Sie recht haben, daß hier kein Aufenhalt für ihn ist, so wenig wie für uns alle, daß ich diesem Wunsch, wiewohl mit unendlichen Schmerz, entsage. Wir haben uns berechnet daß wir von jezt in zwei Jahren so vollkommen geordnet sein werden daß wir diese Gegend verlassen können wenn wir auch bis dahin keinen Käufer fänden, der eine annehmliche Summe für unsere hiesige Besitzung böhte, Knorring könte hier alles verwalten, und auch in seiner Abwesenheit verkaufen lassen. Ich wünschte also daß mein Bruder jezt bald nach Rom gehen könte, um dorten ein seiner würdiges Kunstwerk aufzustellen, womit er gewiß in dieser Zeit fertig werden könte, dan würden wir über zwei Jahren durch die Schweitz nach Italien gehen, und dan hoffe ich daß Sie mein theuerster Freund sich uns anschließen werden, nicht um einige Wochen sondern viel längere Zeit mit uns gemeinschaftlich ein schönes Leben zu theilen. Dan sollen Sie und mein Bruder eine eben so wichtige Stimme haben, als Knorring und ich, wo wir unsere künftige Heimath begründen wollen, um in Ruhe sicher vor allen Stürmen des Lebens unser Dasein zu genissen, dan könten Sie leicht meinen eifrigen Wunsch erfüllen, und Felix Erziehung vollenden. Ich weiß daß Ihnen dies selbst ehemals ein angenehmer Gedanke war und ich bin immer überzeugt gewesen daß Ihr Herz für ihn das gleiche bleiben wird. Sie werden ihn über seine Jahre ausgebildet finden sowohl am Körper als am Geist, und es macht oft eine seltsame Mischung die noch ganz kindische Neigung zum Spiel, und Balgen zu sehen, und gleich darauf die verständigsten Gespräche, richtiges Urtheil, und vernünftige Ansichten aller Dinge zu hören. Mann misbraucht [3] jezt so oft das Wort ritterlich, aber bei ihm ist es passend zu sagen daß sein ritterlicher Sinn sich mit Leidenschaft den Waffen ergiebt, aus diesem Grunde studirt er alle Militärische Wissenschaften mit unglaublichen Eifer, er hat ein ausserorndtliches Gedächtniß und ist deshalb in der Geschichte, der Geographie u. s. w. sehr bewandert, er lernt mit Leichtigkeit fremde Sprachen, und hat viel Talent zum Zeichnen besonders für die Landschaft.
Waß mich selbst anbetrift so habe ich hier wohl wenig geleistet. Ich bin in so fremde Verhältnisse hieher versezt worden, die meine ganze Aufmercksamkeit erforderten daß ich Poetisches wenig gearbeitet habe, auch ist es gewiß daß die prosaische Gegenwart sehr niederdrükend würckt, doch habe ich einen alten Plan angefangen auszuführen nehmlich einen lang projecktirten Roman, dan ein kleines Lustspiel u. s. w. Wenn Sie aber so gütig sein wollten den Druck von Flore und Blanscheflur zu besorgen, so würde ich es Ihnen mit vielen Verbesserungen zuschiken, denn hier es druken zu lassen ist unendlich beschwerlich. Wer weiß aber ob in unseren jetzigen Zeiten, wo sich Deutschheit, wie mich dünckt, etwas barbarisch zeigt, irgend Wer Sinn für so zarte Blühten hat. Es wäre recht zu wünschen daß edle Geister wieder poetischer Weise auftreten mögten, denn nach dem waß mir zu Gesicht gekommen ist, so scheint mir daß unsere Litteratur eine wunderliche Richtung nimt.
Verzeihen Sie daß ich so zerstreut schreibe ich bin nicht wohl und mag meine Briefe nicht aufschieben, überhaupt hat unser rauhes Clima unangenehm auf meine Gesundheit gewürckt, da ich den langen Winter ertragen, und die milde Luft entbehren muß, so mag ich von den Entbehrungen des Geistes nicht mehr reden, wer sich nicht an einer wohl und reich besezten Tafel für alle übrige Genüsse schadlos halten kann, wird hier immer schlecht seine Rechnung finden.
Ich wolte Sie noch um eine Gefälligkeit bitten welche Sie bester Freund mir leicht erweisen können da Sie sich nahe bei Genf aufhalten, dorten bestand ehedem ein Comptoir welches Gelder auf Leibrenten nahm, theilen Sie uns doch die Nachricht mit ob diese An[4]stalt noch besteht, und in welchem Verhältniß nach den verschiedenen Alltern die Zinsen bezalt werden. Knorring meinte wenn die Zinsen welche man dorten bekömt vortheilhaft wären, daß man wenn man sich hier los machen kann für Felix und auch für meinen Bruder eine Leibrente nehmen könte, dadurch entstände die Annehmlichkeit daß wenn zum Beispiel mein Bruder und Felix einmal allein eine Reise machen wollen, daß es gar keine Weitläuftigkeiten machte, überhaupt daß jeder unabhängig wäre, und unser Beisammensein immer die freie Wahl der Liebe bliebe.
Ich hoffe theuerster Freund Sie erfreuen uns bald wieder durch Nachrichten von sich, und bleiben so brüderlich für mich gesint wie ich ewig bin mit Schwesterlicher Liebe
die
Ihrige
S[ophie] v. Knorring.
Theuerster Freund,
Hätten Sie eine Ahndung von der unaussprechlichen Freude die uns Ihr Brief verursacht hat, Sie hätten uns denselben gewiß nicht so lange vorenthalten. Wie Strahlen einer bessern Welt erscheint uns jede Zeile von Ihnen und dem Bruder Friedrich und unsere schönste Hoffnung geht dahin unsern gemeinschaftlichen Wohnsitz in der Zukunft in einer anmuthigen und genußreichen Gegend zu wählen; daher hat uns der Gedanke entzückt daß Sie uns versprechen wieder mit uns zu leben nur muß von Jahren und nicht von Wochen die Rede sein. Da das hiesige Land und die hiesige Umgebung keineswegs poetisch zu nennen ist, so hat meine Frau hier nicht sehr viel gedichtet, doch wünscht sie sehr daß Sie den Druck von Flore und Blanscheflur, welches sie sehr verbessert hat, in Deutschland besorgen so wie eine Komödie die sie geschrieben und nach meiner Meinung ein sehr gediegenes Werk ist, auf die Bühne bringen lassen mögten. Ich würde Ihnen ebenfalls überaus verbunden sein wenn Sie geneigt wären dies zu übernehmen. Eine eben so dringende Bitte ist diese uns recht balde wieder Nachrichten von sich zu geben und uns genau mit allen Ihren geleisteten Arbeiten so wohl als mit allen Planen für die Zukunft bekannt zu machen, und einen Weg aufzufinden uns Ihre neuesten Werke zukommen zu lassen. Der beschränkte Raum zwingt mich hier zu endigen und nur die Versicherung hinzuzufügen daß ich nie aufhören werde zu sein
der Ihrige
Knorring.