Theuerster Freund!
Der Herr Professor Mittermaier ist so gütig gewesen mir die beiden Hefte Ihrer Indischen Bibliothek zu bringen, nebst dem Schreiben, welches, ob es gleich kurz ist, mir doch zeigt daß Sie mir ein freundliches Andenken erhalten. Ich habe diese beiden Hefte der Indischen Bibliothek noch nicht ganz gelesen, weil so sehr häufige Kopfschmerzen mich zu sehr von allen gewohnten Beschäftigungen abhalten, aber so viel ich jezt schon einsehe wird es mir vom höchsten Interesse sein. Es offenbart sich darin, wie in allen Ihren Werken, auf den ersten Blick die genaue Kentniß des Gegenstandes, welchen Sie behandeln, ein tiefes Studium der Fremden, wie der eigenen Sprache, und eine tiefsinnige Ansicht der Grammatik, so wie die Philosophische Erkentnis des innigen Zusammenhanges der Poesie, mit der Geschichte, den Sitten, und der Religion der Völker. Wenn wir uns einmal sprechen glaube ich wird es Ihnen nicht uninter[ess]ant sein, eine Untersuchung anzustellen, ob nicht die Sprache der Ehsten, unter denen ich so lange gelebt habe, ihre Wurzel im Indischen hat. Viele Worte sind dem Klange, und dem Sinne nach völlig gleich, z. B. das Wort Sur bedeutet im Ehstischen, eben wie im Indischen gros, mächtig, Sur Erra hoher, grosser Herr, von jedem Thier, Gebäude, kurz von allen Diengen, die mann als gros und mächtig bezeichnen will wird es gebraucht. So weiß ich das Isan im Indischen der Erzeuger heißt, und es ist im Ehstischen Vater, und so liessen sich sehr viele Beispiele anführen.
Der Herr Professor Mittermaier spricht von Ihnen mit grosser Wärme und Freundschaft, welches mir und Knorring sehr erfreulich war. Überhaupt scheint er ein Mann der für mancherlei Sinn und Gefühl hat, und ich bin Ihnen sehr dankbahr daß Sie uns seine Bekantschaft verschaft haben, vieleicht ist auch mit seiner Frau, die ich noch nicht gesehen habe, ein angenehmer Umgang möglich, und [2] ich gestehe daß mir daß sehr angenehm wäre. Denn so viel die Natur auch gethan hat, den Aufenthalt hier angenehm zu machen, so kann mann doch nicht behaupten, daß die Menschen das Mindeste thäten, um durch eine heitere Geselligkeit den Reitz der Natur zu erhöhen. Der Adel hier ist im allgemeinen flach nüchtern, und wenig gebildet, die Gelehrten betrachten ihr Fach zu prosaisch als ein Geschäft, daß sie täglich im Schweis ihres Angesichts abmachen, und daß im Grunde ihnen wenig, und andern gar keinen Genuß gewährt. Die Frauen gefallen sich in einer misverstandenen Häuslichkeit, die es macht daß sie erschrecken wenn mann ihnen einen Besuch macht, weil er die schöne häusliche Ruhe stört, die mann in Schlafrock und Nachtmütze geniessen kann, sie erwiedern einen solchen Besuch dan feierlich und langweilig in altmodischen Staatskleidern, und mann ist auf lange Zeit beruhigt. Sie können wohl denken daß ich von dieser Schilderung einige ausnehme, aber im ganzen, da sie Heidelberg ja kennen, wird sie Ihnen nicht übertrieben scheinen. Wir konnten nicht wissen, wie wir nach Deutschland kamen daß Sie in Bonn bleiben würden, im Gegentheil es wurde als gewiß behauptet Sie würde[n] Ihren Aufenthalt in Berlin nehmen, und das ist der Grund weshalb wir nicht nach Bonn lieber als nach Heidelberg zogen. Nun da wir hier sind läßt es sich nicht so leicht wieder ändern, und wir müssen nun Ihren Umgang, der für uns alle von unschäzbahren Werth sein würde entbehren.
Ich bitte Sie theurer Freund lassen Sie uns doch einen Ersatz in einem besser geordneten Briefwechsel finden. Sie haben mir manche Fragen, die mir wichtig waren nicht beantwortet, ich bitte Sie also mir zu melden, ob es Ihnen bei Ihren vielen und ernsten Geschäften nicht zu beschwerlich ist, die Sorge zu übernehmen, daß etwas von mir gedruckt wird, ich bitte Sie herzlich mir darauf ganz aufrichtig zu antworten, ohne Sorgen daß ich mich dadurch ge[3]kränkt oder beleidigt finden könte, denn ich sehe sehr wohl ein, daß es Ihnen bei Ihren vielen Arbeiten vieleicht ohnmöglich ist, dergleichen Besorgungen zu übernehmen. Nur um diese Freundschaft bitte ich Sie mir diesen Brief bald zu beantworten, denn wäre es Ihnen nicht möglich sich dieser Beschwerde für mich zu unterziehen, so müßte ich mich an meinen Bruder Ludwig wenden, welches mir freilich nicht angenehm wäre, aber es müßte dan auf jeden Fall bald geschehen, ehe die Buchhändler wieder alle Pressen besezt hätten.
Sie glauben nicht theuerster Freund, welch ein herzliches Verlangen wir haben Sie alle wieder zu umarmen. Ich freue mich unsäglich auf den Augenblick Ihnen Felix vorzustellen, er ist mein Stolz und meine Freude, und wenn Sie ihn näher kennen, werden Sie dies Gefühl nicht eine blinde mütterliche Eitelkeit nennen. Sein edler, kühner, stolzer Geist, ist ungewöhnlich männlich und reif für seine Jahre, und Sie werden finden, daß er weder ohne Kentnisse, noch ohne Talente ist. Unendlich wichtig wird es uns sein, da Sie noch die alte Theilnahme für ihn bezeigen, uns mit Ihnen über die besten und schicklichsten Mittel zu berahten, seiner künftigen Laufbahn eine vortheilhafte Richtung zu geben. Von frühester Kindheit an war es seine entschiedene Neigung, sich dem Militär zu widmen und ob mir dies gleich viele Unruhe erregt, so halte ich es für unrecht mich auf irgend eine Weise dem zu wiedersetzen. Mir soll ein Mensch den ich so sehr liebe nicht ein verfehltes Leben vorzuwerfen haben. Über alle diese Gegenstände wünsche ich so herzlich mit Ihnen mich zu berahten, Knorring freut sich so innig Ihrer liebevollen Theilnahme an Felix Wohl, daß wir mit Sehnsucht den künftigen Sommer erwarten, um alle Lebensplane zu verabreden.
Leben Sie wohl für heute mein theuerster Freund, und machen Sie mir die Freude recht bald auf diesen Brief zu antworten. Knorring und Felix umarmen Sie in Gedanken. Leben Sie wohl und glücklich.
S[ophie] v[on] Knorring.
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