Florenz den 24 März 1827.
Geliebter theurer Oheim!
es ist nun beynahe ein halbes Jahr verfloßen, seit ich Dir zum letzten Male geschrieben, und ich hoffe daß du diesen Brief der noch aus Wien datirt war richtig erhalten hast. – Dein Schweigen läßt mich beynahe fürchten, daß Du auf mich zürnst weil ich die Reise nach Italien, die Du nicht zu billigen scheinst, doch unternommen habe, aber mehrere günstige Umstände vereinigten sich damals, und machten mir Muth, die so lange projectirte Reise endlich in Ausführung zu bringen. – Des Schönen und Herrlichen habe ich viel gesehen, und das Mehrste steht mir noch bevor; und es thut mir nur leid daß dieses schöne Land nicht für einen Längern Aufenthalt für mich bestimmt ist, denn leider habe ich hier viel zu wenig zu thun, um daß wir davon leben könnten, und zum Unglück war der Winter so kalt, daß es mir unmöglich war auf den Gallerien einige Copien zu machen, welche man hier noch am besten verkauft. Überhaupt haben wir den Winter viel ausgestanden, da man in den Häusern gegen den Einfluß der Witterung wenig geschützt ist; der Winter war hier, wie überall sehr strenge, und noch jetzt ist Florenz rings mit Schnee umgeben. Ich danke nur Gott daß von uns keiner krank geworden, die Kinderchen befinden sich wohl, und sind frisch und munter, und mein guter Mann ist Gott sey Dank gesünder gewesen, als er seit vielen Jahren war. – Wenn Gott mein Gebeth für dich erhört hat, so hast auch Du dich wohl befunden, und nichts Schmerzliches hat Deinen Frieden gestöhrt; doch so lange; doch so lange wie ich keine Nachricht von Dir habe, bin ich nicht ganz ohne Sorge, um so mehr da seit einigen Jahren alles was mir Lieb und theuer ist, nach und nach entrißen wird, und mein Herz nie aufhört zu bluthen. –
Von den Großherzoginnen bin ich sehr gütig und liebevoll aufgenommen worden und ich habe auch die Portraits der zwey ältesten Kinder machen müßen, die ich aber bis jetzt noch nicht bezahlt erhalten. Unter den übrigen Bekanntschaften die ich gemacht, ist auch die Fürstin Rospiliosa Obersthofmeisterin der Großherzogin, eine liebenswürdige alte Dame, die mich sehr gütig behandelt; aber die vorzüglichste Bekanntschaft die ich gemacht, ist die, einer vornehmen Rußischen Familie des Grafen Boutourlin, die schon seit 10 Jahren des Grafen Gesundheit wegen hier leben, und eins der ersten Häuser in Florenz machen.
Von dieser Familie, und vorzüglich von der Gräfin, bin ich mit solcher Liebe aufgenommen worden, als es mir von fremden Menschen noch nie begegnet ist, und ich werde ganz als Mitglied der Familie betrachtet. Die [2] Gräfin hat mir in ihrem Hause ein Zimmer zu meinem Attelier eingeräumt weil in unserer Wohnung das Licht zum Malen schlecht ist; auch muß ich alle Mittag dort speisen, und Bedienten und Equipage stehen zu meinen Diensten, was mir schon viel genützt hat, nur übel war es für mich daß der Graf schon einen Maler im Hause hält, so daß für mich nichts zu thun übrig bleibt. –
Nun liebster Oheim entziehe versage mir Deine Liebe auch dann nicht wenn ich Dir sage daß ich vor einige Wochgen zur alten Kirche übergetreten bin? Weltklugheit wollte mir rathen, es Dir zu verschweigen, da ich weiß, wie sehr Du dagegen bist, aber Du bist mir viel zu theuer liebster Oheim, als daß ich Dich wie eine fremde Person behandelte, ja ich theile Dir alles mit was ich Thue und Laße, und selbst wenn ich fürchten muß, Deinen Zorn auf mich zu ziehen, habe ich doch dann ein ruhiges Gewißen, mein liebster Oheim, dem Bruder meiner mir unvergeßlichen Mutter, nichts verschwiegen zu haben, entstehe dann daraus, was da wolle. Jeder sucht ein Ziel, die Wege dazu sind verschieden, und urtheile selbst, ob nicht jeder daß thun soll, wovon er überzeugt ist, daß es das Beste sey?
Überredung ist bey mir nicht die Ursache denn, auch hätte sie ganz ihren Zweck verfehlt, da ich immer geneigt bin, dann das Gegentheil zu thun. –
So lange wie meine Eltern gelebt, hätte ich diesen Schritt nicht gethan, um ihnen wißentlich keine Ursache zum Kummer zu geben, aber jetzt habe ich die vollkommene Beruhigung daß auch sie es genehmigen, denn sie sehen nicht mehr durch ein dunkles Glas, sondern von Angesicht zu Angesicht!
Wenn mein Geist nicht durch Kummer und Sorgen, der Welt und ihren Vergnügungen abgestorben, so würde ich vielleicht nie das Bedürfniß nach geistigem Trost gefühlt haben; aber Gott hat es gefallen mich auf dem des Kreutzes zu führen, und durch den Weg des Kreutzes den alten Glauben wieder zu erringen –
In wenigen Tagen reisen wir nach Rom wo ich eine, höchstens sechs Wochen werde bleiben können, die Zeit dazu ist freilich kurtz, besonders für einen Künstler, aber meine Kaße gestattet keinen längern Aufenthalt, denn ich muß auch auf meine Rückreise nach Deutschland bedacht sein, und dort muß ich mich, wo es auch sey, neu meubliren, da ich nirgends Haus und Hof habe, und erst eine neue Heimath suchen muß. Aus dem Nachlaße meiner Eltern werde ich so bald noch nichts erhalten, und überhaupt wird dies so wenig sein, daß ich es für gar Nichts rechne, und mein Talent, wenn mir Gott nur ein bischen Glük schenkt, als das einzige Mittel ansehe, mich und meine Familie damit zu ernähren.
Nun geliebter Oheim lebe wohl, beglücke mich bald mit ein paar Zeilen von Dir und entziehe mir nicht Deine Liebe, nach dem was ich dir mitgetheilt, Du würdest nur noch neuen Kummer und Schmerz auf mein schon bedrücktes Gemüth häufen, und dazu bist Du zu edel und Großmüthig.
Adreßire nur den Brief nach Florenz folgender maßen „À madame de Buttlar“ chez Madame la Comtesse de Boutourlin, née Comtesse de Woronzoff, à Florence, à son hôtel.
Nach Verlauf von 2 Monathen bin ich aber wahrscheinlich nicht mehr in Italien, und dann adreßire nur den Brief nach Wien, an Onkel Friedrich. Mein Mann empfielt sich Dir angelegentlich, und die Kinder küßen Dich unbekannter Weise.