• August Wilhelm von Schlegel to Christian Friedrich Tieck

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Carrara · Date: 02.08.1816
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Christian Friedrich Tieck
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Carrara
  • Date: 02.08.1816
  • Notations: Satzfehler korrigiert. Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 36283637X
  • Bibliography: Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten. Hg. v. Karl von Holtei. Bd. 2. Hannover 1872, S. 85‒87.
  • Incipit: „[1] Coppet d. 2ten Aug. 16.
    Geliebtester Freund!
    Ich bin nun schon seit mehr als fünf Wochen wieder hier, und werfe mir es [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(68)
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 19,4 x 12,4 cm
    Language
  • German
[1] Coppet d. 2ten Aug. 16.
Geliebtester Freund!
Ich bin nun schon seit mehr als fünf Wochen wieder hier, und werfe mir es vor, Dir noch nicht geschrieben zu haben. Allein Du kennst meine alte Trägheit im Briefschreiben. Hättest Du mir etwas Dringendes zu sagen gehabt, so hättest Du mir gewiß Deinerseits geschrieben, denn Du weißt einmal für allemal, daß die hierhergesandten Briefe mir sicher zukommen, wo ich auch seyn möge.
Wie befindest Du Dich? Wie rücken Deine Arbeiten vorwärts? wann denkst Du Carrara verlassen und nach Rom gehen zu können? Und vor allem, wie steht es mit Deinen ökonomischen Angelegenheiten?
Ist Rauch wieder bey Dir?
Hier ist ein kleiner Auftrag, die Statue Neckers betreffend. Nach dem Augenschein kommt mir der Absatz der Treppe zu klein vor, um sie dort aufstellen zu können. Gieb mir nach genauer Messung in Pariser Fuß an, wie groß das Piedestal ausfallen wird, nämlich den Diameter, wenn es zirkelrund, und die Seiten, wenn es viereckig seyn soll. Berechne auch die Höhe des Ganzen, Piedestal, Plinthe und Statue, ebenfalls nach Pariser Fuß; bemerke auch, wie weit der ausgestreckte Arm über die Fläche hinausgehen wird, und ob das Piedestal ganz dicht in den rechten Winkel geschoben werden kann. Der Absatz der Treppe hat sechs Pariser Fuß, weniger [2] einige Zoll ins Gevierte. Aber bemerke wohl, daß man nicht nur bequem muß vorbey gehen können, sondern daß auch beständig Dinge vorbey getragen werden. Mir scheint es unmöglich. Ich habe daher den Winkel des Vorplatzes, der sich an den großen Saal anlehnt, rechter Hand vom Eingange, vorgeschlagen; versteht sich mit einer Nische.
Das beste wäre, den großen Saal architektonisch zu verzieren, mit Säulen aus Stuck und Venetianischer Mosaik. Aber dergleichen Kunstgedanken gehen den Leuten zu sehr ins Große und sie haben keinen Sinn dafür.
Hast Du gar keine Briefe von Deiner Schwester? Das wäre ja betrübt. Ich werde von hier aus noch einmal versuchen ihr zu schreiben. Auch von Friedrich habe ich noch keinen Brief, wiewohl ich ihm sogleich nach meiner Ankunft schrieb. Er ist immer in Frankfurt, und der Bundestag soll nun, wie es scheint, wirklich eröffnet werden.
Von mir habe ich Dir wenig zu melden. Die Jahrszeit ist den ganzen Sommer über allen Begriff abscheulich gewesen, ich habe daher den Aufenthalt wenig genossen, dagegen aber viel gearbeitet. Von meinen Vorlesungen wird diesen Herbst eine neue Ausgabe veranstaltet; nächstes Jahr vermuthlich von meinen Gedichten. Bloß die Nachdrucke haben es bis daher verzögert. Der Brief über die Venetianischen Pferde ist Italienisch in das Junius-Heft der Mailändischen Biblioteca Italiana eingerückt; ich hoffe, er [3] soll mir in Italien den Ruf eines guten Antiquars verschaffen: er hat ziemlich viel Aufsehen gemacht. Ein gelehrter Grieche in Venedig, Mustoxidi, hat in demselben Sinne über denselben Gegenstand geschrieben, sein Brief ist etwas später erschienen. Unser Einverständniß ist auffallend. Mustoxidi hat aber die von mir vernachläßigten Byzantiner zu Rathe gezogen, aus denen unwiderleglich hervorgeht, daß die Pferde nicht von Rom, und nicht durch Constantin, sondern von Chios zu Anfange des 5ten Jahrhunderts unter Theodosius II. nach Constantinopel gebracht worden sind. Die Insel Chios hat sehr geblüht durch Handel und Reichthum bis auf Alexander den Großen: später darf man also die Pferde schwerlich ansetzen; auch nicht früher, wegen des Styls. Chios hat eine alte einheimische Kunstschule gehabt, da aber kein Künstler daraus erwähnt wird, der Pferde in Erz gegossen hätte, so rathe ich immer auf den Lysippus oder seine Schule.
Ich habe bei Bartolini ein Exempl. meiner Schrift und eins von Cockerells Kupferstich für Dich zurückgelassen. Ich hoffe Du hast beydes erhalten.
Die Engländer ziehen hier immer noch bey hellen Haufen nach Italien durch: ich sollte denken, wenn Du in Rom wärest, müßtest Du Aufträge von ihnen bekommen, wiewohl sie im Ganzen sehr oekonomisch geworden sind.
Nina ist aufʼs Land gezogen, nach Villa dʼElci bey Florenz. Wenn Du durchkommst, besuche sie ja und gieb mir Nachricht von ihrem Befinden.
[4] Lebe wohl, geliebter Freund und schreibe mir bald wieder. Ich wünsche, daß unser Aufenthalt hier sich verlängern möge, weil ich ungestörter arbeiten kann, aber ich weiß nicht, wie bald wir nach dem verruchten Paris gehen.
Rocca ist leidlich, allein ich traue dem Scheine nicht, und fürchte, es wird einmal unversehens wieder losbrechen.
Albertine ist schwanger, und wird dabey ziemlich mager.
Lebe nochmals wohl. Vielleicht hast Du durch Rauch Nachricht von Deinem Bruder, dann theile mir sie mit.
[1] Coppet d. 2ten Aug. 16.
Geliebtester Freund!
Ich bin nun schon seit mehr als fünf Wochen wieder hier, und werfe mir es vor, Dir noch nicht geschrieben zu haben. Allein Du kennst meine alte Trägheit im Briefschreiben. Hättest Du mir etwas Dringendes zu sagen gehabt, so hättest Du mir gewiß Deinerseits geschrieben, denn Du weißt einmal für allemal, daß die hierhergesandten Briefe mir sicher zukommen, wo ich auch seyn möge.
Wie befindest Du Dich? Wie rücken Deine Arbeiten vorwärts? wann denkst Du Carrara verlassen und nach Rom gehen zu können? Und vor allem, wie steht es mit Deinen ökonomischen Angelegenheiten?
Ist Rauch wieder bey Dir?
Hier ist ein kleiner Auftrag, die Statue Neckers betreffend. Nach dem Augenschein kommt mir der Absatz der Treppe zu klein vor, um sie dort aufstellen zu können. Gieb mir nach genauer Messung in Pariser Fuß an, wie groß das Piedestal ausfallen wird, nämlich den Diameter, wenn es zirkelrund, und die Seiten, wenn es viereckig seyn soll. Berechne auch die Höhe des Ganzen, Piedestal, Plinthe und Statue, ebenfalls nach Pariser Fuß; bemerke auch, wie weit der ausgestreckte Arm über die Fläche hinausgehen wird, und ob das Piedestal ganz dicht in den rechten Winkel geschoben werden kann. Der Absatz der Treppe hat sechs Pariser Fuß, weniger [2] einige Zoll ins Gevierte. Aber bemerke wohl, daß man nicht nur bequem muß vorbey gehen können, sondern daß auch beständig Dinge vorbey getragen werden. Mir scheint es unmöglich. Ich habe daher den Winkel des Vorplatzes, der sich an den großen Saal anlehnt, rechter Hand vom Eingange, vorgeschlagen; versteht sich mit einer Nische.
Das beste wäre, den großen Saal architektonisch zu verzieren, mit Säulen aus Stuck und Venetianischer Mosaik. Aber dergleichen Kunstgedanken gehen den Leuten zu sehr ins Große und sie haben keinen Sinn dafür.
Hast Du gar keine Briefe von Deiner Schwester? Das wäre ja betrübt. Ich werde von hier aus noch einmal versuchen ihr zu schreiben. Auch von Friedrich habe ich noch keinen Brief, wiewohl ich ihm sogleich nach meiner Ankunft schrieb. Er ist immer in Frankfurt, und der Bundestag soll nun, wie es scheint, wirklich eröffnet werden.
Von mir habe ich Dir wenig zu melden. Die Jahrszeit ist den ganzen Sommer über allen Begriff abscheulich gewesen, ich habe daher den Aufenthalt wenig genossen, dagegen aber viel gearbeitet. Von meinen Vorlesungen wird diesen Herbst eine neue Ausgabe veranstaltet; nächstes Jahr vermuthlich von meinen Gedichten. Bloß die Nachdrucke haben es bis daher verzögert. Der Brief über die Venetianischen Pferde ist Italienisch in das Junius-Heft der Mailändischen Biblioteca Italiana eingerückt; ich hoffe, er [3] soll mir in Italien den Ruf eines guten Antiquars verschaffen: er hat ziemlich viel Aufsehen gemacht. Ein gelehrter Grieche in Venedig, Mustoxidi, hat in demselben Sinne über denselben Gegenstand geschrieben, sein Brief ist etwas später erschienen. Unser Einverständniß ist auffallend. Mustoxidi hat aber die von mir vernachläßigten Byzantiner zu Rathe gezogen, aus denen unwiderleglich hervorgeht, daß die Pferde nicht von Rom, und nicht durch Constantin, sondern von Chios zu Anfange des 5ten Jahrhunderts unter Theodosius II. nach Constantinopel gebracht worden sind. Die Insel Chios hat sehr geblüht durch Handel und Reichthum bis auf Alexander den Großen: später darf man also die Pferde schwerlich ansetzen; auch nicht früher, wegen des Styls. Chios hat eine alte einheimische Kunstschule gehabt, da aber kein Künstler daraus erwähnt wird, der Pferde in Erz gegossen hätte, so rathe ich immer auf den Lysippus oder seine Schule.
Ich habe bei Bartolini ein Exempl. meiner Schrift und eins von Cockerells Kupferstich für Dich zurückgelassen. Ich hoffe Du hast beydes erhalten.
Die Engländer ziehen hier immer noch bey hellen Haufen nach Italien durch: ich sollte denken, wenn Du in Rom wärest, müßtest Du Aufträge von ihnen bekommen, wiewohl sie im Ganzen sehr oekonomisch geworden sind.
Nina ist aufʼs Land gezogen, nach Villa dʼElci bey Florenz. Wenn Du durchkommst, besuche sie ja und gieb mir Nachricht von ihrem Befinden.
[4] Lebe wohl, geliebter Freund und schreibe mir bald wieder. Ich wünsche, daß unser Aufenthalt hier sich verlängern möge, weil ich ungestörter arbeiten kann, aber ich weiß nicht, wie bald wir nach dem verruchten Paris gehen.
Rocca ist leidlich, allein ich traue dem Scheine nicht, und fürchte, es wird einmal unversehens wieder losbrechen.
Albertine ist schwanger, und wird dabey ziemlich mager.
Lebe nochmals wohl. Vielleicht hast Du durch Rauch Nachricht von Deinem Bruder, dann theile mir sie mit.
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