Leben Sie recht wohl, mein werthester Freund, beunruhigen Sie sich nicht, ich hoffe es ist nichts zu fürchten, und alles auf gutem Wege. Mit der nächsten Post erhalten Sie wieder Nachricht. Frau von Stael denkt schon in 8 Tagen zur Fortsetzung der Reise im Stande zu seyn, man widerspricht ihr nicht, also hoffentlich wird der Aufenthalt auf ein 14 Tage verlängert, Sie werden aber nach Empfang dieses noch hieher an sie schreiben können.“
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August Wilhelm von Schlegel to Carl Gustav von Brinckmann
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Place of Dispatch: Weimar GND · Place of Destination: Berlin GND · Date: 23.04.1804
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Metadata Concerning Header
- Sender: August Wilhelm von Schlegel
- Recipient: Carl Gustav von Brinckmann
- Place of Dispatch: Weimar GND
- Place of Destination: Berlin GND
- Date: 23.04.1804
- Notations: Empfangsort erschlossen.
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Printed Text
- Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
- OAI Id: 30387225Z
- Bibliography: Leitzmann, Albert: Aus Briefen der Brüder Schlegel an Brinckmann. In: Euphorion 3 (1896), S. 424‒425.
- Incipit: „Weimar, 23. April 1804: „Mein erstes Geschäft nach unsrer Ankunft hier, werthester Freund, ist Ihnen Bericht von dem Erfolg der Reise [...]“
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Language
- German
Weimar, 23. April 1804: „Mein erstes Geschäft nach unsrer Ankunft hier, werthester Freund, ist Ihnen Bericht von dem Erfolg der Reise und dem Befinden der Frau von Stael abzustatten. Sie erhohlte sich von der Erschütterung des letzten Tages in Berlin und ertrug die Beschwerden der Reise über meine Erwartung gut. Aus der Verwirrung der empfangenen Briefe suchte sie, wie man sich in einer solchen Lage immer an einen schwachen Faden hält, so viel Hoffnung als möglich zu schöpfen, und ich durfte nichts dagegen einwenden, da sie bey dem geringsten Worte auffuhr und mit Fragen in mich drang, ob ich mehr wüßte. Ich konnte also nichts thun als darauf bedenklich schweigen und übrigens ihre Gedanken so viel möglich anders beschäftigen. Wir erreichten den ersten Tag Treuenbriezen, den zweyten Düben, und am Mittag des dritten waren wir in Leipzig, wo sie durch die Möglichkeit Nachrichten zu bekommen heftig erschüttert war. Dieß ging vorüber, nachdem ihr nach allen Erkundigungen versichert ward, es seyen keine da, und wir reisten den Abend noch bis Naumburg. Als ich sie den Abend nach Tisch verlassen hatte, sagte mir der Kammerdiener Herr Constant sey da, ohne sich ihr zeigen zu wollen. Ich ging also in sein Zimmer und unterredete mich mit ihm bis tief in die Nacht über die zu treffenden Veranstaltungen, bey der Ankunft in Weimar, und er reiste hierauf noch in der Nacht wieder dahin zurück. Am andern Morgen suchte ich sie von der letzten Station an mehr und mehr von den gefaßten Hoffnungen zurück zu bringen, und ging so weit, daß sie in die äußerste Bewegung gerieth, und ich nicht ein Wort hinzufügen durfte, ohne sie alles errathen zu lassen. Dennoch hatte sie gegen alle meine Aengstlichkeiten und Andeutungen Einwendungen, faßte sich einigermaßen wieder, und näherte sich nicht ohne Hoffnungen den Thoren von Weimar. Hier war sogleich Fräulein von Jöchhausen von ihrer Ankunft benachrichtigt, und hatte das schwere Geschäft über sich genommen, ihr die Wahrheit [den Tod ihres Vaters Necker] zu melden, was sie auch mit vieler Seelenstärke und auf die beste Weise ausführte. Constant zeigte sich ihr erst nach den ersten Augenblicken, in der Hoffnung daß seine Erscheinung bis nach dem Schlage verspart etwas linderndes haben würde, und es war in der That nöthig, daß alles sich um Frau von Stael vereinigte, sie hätte es ohne das nicht ertragen. Ich habe eingesehen, daß es unmöglich gewesen wäre, ihr die Nachricht sogleich in Berlin zu geben, daß sie wenigstens gefährlich krank würde geworden seyn. Ihr Zustand war in den ersten Stunden fürchterlich, sie fiel mit einem zerreißenden Schrey zu Boden, man mußte ihr die Arme halten um allzu gewaltsame Bewegungen zu verhüten, so schrie sie fast besinnungslos fort, man konnte ihr kaum etwas von den stillenden Mitteln beybringen da sie alles von sich stieß, wiewohl der junge Herder auch gleich da war und verschiedne Mittel verordnete. Mit großer Mühe vermochte man sie endlich sich ins Bett bringen zu lassen, wo aber die gleiche Gewaltsamkeit der Leidenschaft noch lange fortdauerte. Um halb fünf etwa waren wir angekommen, erst gegen neun Uhr wurde sie etwas ruhiger, so daß ihr auch verschiedne Briefe gezeigt werden konnten die einen milderen Schmerz hervorrufen sollten, denn zuvor hatte sie sich unaufhörlich die bittersten Vorwürfe über ihre Reise und Entfernung gemacht. ‒ Gegen die Nacht trat eine große Erschöpfung ein, Constant von seiner Reise ermüdet, ließ sich überreden zu Bett zu gehen, und ich wachte. Sie konnte die Augen nicht auf wenig Secunden schließen ohne mit Zuckungen wieder aufzufahren, erst gegen Morgen hatte sie eine Vierthelstunde Schlaf. Ihr Zustand heute Vormittag (ich schreibe Ihnen gegen eilf Uhr) ist weit leidlicher als ich ihn erwartet hatte, nicht krampfhaft noch convulsivisch sondern nur ermattet. Fräulein von Jöchhausen sitzt vor dem Bett, und trägt mir auf Ihnen viel freundschaftliches von ihrentwegen zu sagen. Frau von Stael grüßt Sie herzlich, und bittet Sie das gleiche an Frau von Berg und die Gräfin Voß zu sagen. Ich setze voraus, daß beyde durch Sie den Inhalt dieses Briefes erfahren werden, entschuldigen Sie mich daher bestens, nicht einen eignen an sie geschrieben zu haben, auf den ihre freundschaftliche Theilnahme am letzten Tage sonst Anspruch zu machen hatte.
Leben Sie recht wohl, mein werthester Freund, beunruhigen Sie sich nicht, ich hoffe es ist nichts zu fürchten, und alles auf gutem Wege. Mit der nächsten Post erhalten Sie wieder Nachricht. Frau von Stael denkt schon in 8 Tagen zur Fortsetzung der Reise im Stande zu seyn, man widerspricht ihr nicht, also hoffentlich wird der Aufenthalt auf ein 14 Tage verlängert, Sie werden aber nach Empfang dieses noch hieher an sie schreiben können.“
Leben Sie recht wohl, mein werthester Freund, beunruhigen Sie sich nicht, ich hoffe es ist nichts zu fürchten, und alles auf gutem Wege. Mit der nächsten Post erhalten Sie wieder Nachricht. Frau von Stael denkt schon in 8 Tagen zur Fortsetzung der Reise im Stande zu seyn, man widerspricht ihr nicht, also hoffentlich wird der Aufenthalt auf ein 14 Tage verlängert, Sie werden aber nach Empfang dieses noch hieher an sie schreiben können.“
Weimar, 23. April 1804: „Mein erstes Geschäft nach unsrer Ankunft hier, werthester Freund, ist Ihnen Bericht von dem Erfolg der Reise und dem Befinden der Frau von Stael abzustatten. Sie erhohlte sich von der Erschütterung des letzten Tages in Berlin und ertrug die Beschwerden der Reise über meine Erwartung gut. Aus der Verwirrung der empfangenen Briefe suchte sie, wie man sich in einer solchen Lage immer an einen schwachen Faden hält, so viel Hoffnung als möglich zu schöpfen, und ich durfte nichts dagegen einwenden, da sie bey dem geringsten Worte auffuhr und mit Fragen in mich drang, ob ich mehr wüßte. Ich konnte also nichts thun als darauf bedenklich schweigen und übrigens ihre Gedanken so viel möglich anders beschäftigen. Wir erreichten den ersten Tag Treuenbriezen, den zweyten Düben, und am Mittag des dritten waren wir in Leipzig, wo sie durch die Möglichkeit Nachrichten zu bekommen heftig erschüttert war. Dieß ging vorüber, nachdem ihr nach allen Erkundigungen versichert ward, es seyen keine da, und wir reisten den Abend noch bis Naumburg. Als ich sie den Abend nach Tisch verlassen hatte, sagte mir der Kammerdiener Herr Constant sey da, ohne sich ihr zeigen zu wollen. Ich ging also in sein Zimmer und unterredete mich mit ihm bis tief in die Nacht über die zu treffenden Veranstaltungen, bey der Ankunft in Weimar, und er reiste hierauf noch in der Nacht wieder dahin zurück. Am andern Morgen suchte ich sie von der letzten Station an mehr und mehr von den gefaßten Hoffnungen zurück zu bringen, und ging so weit, daß sie in die äußerste Bewegung gerieth, und ich nicht ein Wort hinzufügen durfte, ohne sie alles errathen zu lassen. Dennoch hatte sie gegen alle meine Aengstlichkeiten und Andeutungen Einwendungen, faßte sich einigermaßen wieder, und näherte sich nicht ohne Hoffnungen den Thoren von Weimar. Hier war sogleich Fräulein von Jöchhausen von ihrer Ankunft benachrichtigt, und hatte das schwere Geschäft über sich genommen, ihr die Wahrheit [den Tod ihres Vaters Necker] zu melden, was sie auch mit vieler Seelenstärke und auf die beste Weise ausführte. Constant zeigte sich ihr erst nach den ersten Augenblicken, in der Hoffnung daß seine Erscheinung bis nach dem Schlage verspart etwas linderndes haben würde, und es war in der That nöthig, daß alles sich um Frau von Stael vereinigte, sie hätte es ohne das nicht ertragen. Ich habe eingesehen, daß es unmöglich gewesen wäre, ihr die Nachricht sogleich in Berlin zu geben, daß sie wenigstens gefährlich krank würde geworden seyn. Ihr Zustand war in den ersten Stunden fürchterlich, sie fiel mit einem zerreißenden Schrey zu Boden, man mußte ihr die Arme halten um allzu gewaltsame Bewegungen zu verhüten, so schrie sie fast besinnungslos fort, man konnte ihr kaum etwas von den stillenden Mitteln beybringen da sie alles von sich stieß, wiewohl der junge Herder auch gleich da war und verschiedne Mittel verordnete. Mit großer Mühe vermochte man sie endlich sich ins Bett bringen zu lassen, wo aber die gleiche Gewaltsamkeit der Leidenschaft noch lange fortdauerte. Um halb fünf etwa waren wir angekommen, erst gegen neun Uhr wurde sie etwas ruhiger, so daß ihr auch verschiedne Briefe gezeigt werden konnten die einen milderen Schmerz hervorrufen sollten, denn zuvor hatte sie sich unaufhörlich die bittersten Vorwürfe über ihre Reise und Entfernung gemacht. ‒ Gegen die Nacht trat eine große Erschöpfung ein, Constant von seiner Reise ermüdet, ließ sich überreden zu Bett zu gehen, und ich wachte. Sie konnte die Augen nicht auf wenig Secunden schließen ohne mit Zuckungen wieder aufzufahren, erst gegen Morgen hatte sie eine Vierthelstunde Schlaf. Ihr Zustand heute Vormittag (ich schreibe Ihnen gegen eilf Uhr) ist weit leidlicher als ich ihn erwartet hatte, nicht krampfhaft noch convulsivisch sondern nur ermattet. Fräulein von Jöchhausen sitzt vor dem Bett, und trägt mir auf Ihnen viel freundschaftliches von ihrentwegen zu sagen. Frau von Stael grüßt Sie herzlich, und bittet Sie das gleiche an Frau von Berg und die Gräfin Voß zu sagen. Ich setze voraus, daß beyde durch Sie den Inhalt dieses Briefes erfahren werden, entschuldigen Sie mich daher bestens, nicht einen eignen an sie geschrieben zu haben, auf den ihre freundschaftliche Theilnahme am letzten Tage sonst Anspruch zu machen hatte.
Leben Sie recht wohl, mein werthester Freund, beunruhigen Sie sich nicht, ich hoffe es ist nichts zu fürchten, und alles auf gutem Wege. Mit der nächsten Post erhalten Sie wieder Nachricht. Frau von Stael denkt schon in 8 Tagen zur Fortsetzung der Reise im Stande zu seyn, man widerspricht ihr nicht, also hoffentlich wird der Aufenthalt auf ein 14 Tage verlängert, Sie werden aber nach Empfang dieses noch hieher an sie schreiben können.“
Leben Sie recht wohl, mein werthester Freund, beunruhigen Sie sich nicht, ich hoffe es ist nichts zu fürchten, und alles auf gutem Wege. Mit der nächsten Post erhalten Sie wieder Nachricht. Frau von Stael denkt schon in 8 Tagen zur Fortsetzung der Reise im Stande zu seyn, man widerspricht ihr nicht, also hoffentlich wird der Aufenthalt auf ein 14 Tage verlängert, Sie werden aber nach Empfang dieses noch hieher an sie schreiben können.“
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Index
Names
- (Kammerdiener von Anne Louise Germaine de Staël-Holstein) ( )
- Berg, Caroline Friederike von ( , GND , )
- Constant, Benjamin ( , GND )
- Göchhausen, Louise Ernestine Christiane Juliane von ( , GND )
- Herder, Wilhelm Gottfried von ( , GND )
- Necker, Jacques ( , GND )
- Staël-Holstein, Anne Louise Germaine de ( , GND , )
- Voss, Luise von ( , GND , )