den Königl. außerordentl.
Bevollmächtigten
Herrn Geheime-Regierungsrath
von Rehfues Hochwohlgeb.
Ew. Hochwohlgeboren bitte ich um Erlaubniß einiges in Betreff meines ehemaligen Schülers und nun schon mehrjährigen Mitarbeiters, Dr. Christian Lassen, gehorsamst in Erinnerung zu bringen zu dürfen, wodurch Ew. Hwg. vielleicht bewogen werden könnten, auf seine baldige Anstellung als professor extraordinarius an hiesiger Universität bei einem hohen Königl. Ministerium fördersam hinzuwirken.
Dr. Lassen hat hier die philosophische Doctorwürde d. 30sten Juny 1827 erworben, und sich zugleich als Privat-Docent habilitirt. Seitdem sind also beinahe drei Jahre verflossen. Hr. Lassen hat aber sich weit später hiezu gemeldet, als es von den meisten jungen Gelehrten geschieht, und als er gegründeten Anspruch darauf gehabt hätte,; um seiner wissenschaftlichen Vorbereitung desto mehr Reife zu geben.
Er hat seine akademischen Studien bereits im Frühling 1820, also jetzt gerade vor zehn Jahren in Heidelberg begonnen, und sie dort anderthalb Jahre lang fortgesetzt. Hierauf hat er vier volle Semester in Bonn studirt. Nach achtzehnmonatlichem Unterricht im Sanskrit, wobei ich mich aber nicht auf die gewöhnlichen Lehrstunden beschränkte, indem ich sehr bald sein ungewoh ungemeines Talent bemerkte, und ihn schon damals zu meinem Gehülfen ausersah, fand ich ihn [2] hinreichend mit gründlicher Sprachkenntniß ausgerüstet, um ihm das Abschreiben und Collationiren von Sanskrit-Manuscripten mit Zuversicht anvertrauen zu können. Ich nahm ihn daher im September 1823 mit mir nach London, wo ich lange genug verweilte, um ihm die erste Anleitung zum Lesen der Manuscripte zu geben. Mit diesen Arbeiten für die Kritik des Râmayana hat Hr. Lassen, mit einer Unterbrechung von wenigen Monaten, wo er mir in Bonn seine ersten Excerpte vorlegte, bis zum Februar 1826, also beinahe drittehalb Jahre im Auslande zugebracht, und zwar anderthalb Jahre in London und zehn Monate in Paris. Seine Nebenstunden hat benutzte er zur Sammlung von Materialien für eigne künftige Arbeiten, und zu belehrendem Umgange mit den dortigen Gelehrten, deren Zutrauen u Achtung er sich in hohem Grade erworben hat.
Seit seiner Zurückkunft widmete er sich dem Studium der Arabischen Sprache *und Litteratur,, und besuchte, vier sowohl vor als nach seiner Promotion, vier Semester nach einander die Lehrcurse des Hrn. Professor Freytag.
Auch im Persischen hat er ohne Lehrer einen Grund zu legen angefangen, und da, wie bekannt, die Kenntniß des Arabischen und des Sanskrit die beste Vorbereitung zu dem Studium dieser Sprache gewährt, so wird er in seinem Fortschritt wenige Schwierigkeiten finden.
Folgende gelehrte Arbeiten des Dr. Lassen sind bisher im Druck erschienen:
1. Essai sur le Pali par E. Burnouf et Chr. Lassen. Paris 1826.
In dieser Abhandlung hat Hr. Burnouf den paläographischen Theil, Hr. Lassen den grammatischen [3] Theil abgefaßt. Diese schwierige Arbeit über eine bisher unbekannte Sprache, welche einzig in den heiligen Büchern der Buddhisten der jenseitigen Indischen Halbinsel lebt, hat sich den Beifall des größten Kenners, des Hrn. Colebrooke erworben, der sein Urtheil darüber in meinem einem Briefe an mich aussprach. Die Asiatische Gesellschaft in Paris hat das Buch auf ihre Kosten drucken, u die Platten dazu lithographiren lassen.
2. Commentatio de Pentapotamia Indica. Bonn. 1827.
Diese Abhandlung wurde der Facultät als dissertatio inauguralis vorgelegt. Ich darf behaupten, daß sich darin eine Verbindung von classischer und orientalischer Gelehrsamkeit kund giebt, wie sie immer wünschenswerth wäre, aber selten angetroffen wird. Die Abhandlung enthält ein Alt-Indisches ineditum, und zugleich wichtige Aufklärungen über die alte Geographie der Indus-Länder, und über die Geschichte der Feldzüge Alexanders des Großen.
3. Excerpta ex historiis Arabum de expeditionibus Syriacis Nicephori Phocae et Ioannis Tzimiscis.
In dem von Hrn. Niebuhr herausgegebenen Corp. Scriptorum Historiae Byzantinae. T. XI. p. 374–394.
4. Hitopadesas id est Institutio salutaris. Textum recensuerunt etc. A. G. a. Schlegel et Chr. Lassen P. l. Bonn. 1829.
Ein krit Die Berichtigung des Textes ist vom Dr. Lassen gemeinschaftlich mit mir besorgt worden. Ein Critischer Commentar über dieses Buch in Lateinischer Sprache, ist liegt von ihm allein ausgearbeitet worden zum Druck bereit, [4] und wartet nur auf die Ankunft der kleineren Devanagari-Lettern aus Berlin.
Für die König. Bibliothek in Paris hat Dr. Lassen einen Berichtigung des Hamiltonischen Catalogs der dort vorhandenen Sanskrit-Manuscripte geliefert, welchen Hr. Abel Rémusat in seinen Mélanges Asiatiques T. II pag. 423 rühmlich ewähnt.
Schon vor seiner Promotion hat Hr. Lassen angefangen im Sanskrit privatissime Unterricht zu ertheilen; seit seiner Habilitation hat er nun fünf Semester hindurch anhaltend damit fortgefahren. Den Erfolg seiner Bemühungen hatte ich Gelegenheit gehabt zu beurtheilen, da die von ihm vorbereiteten Schüler meistens das Studium bei mir fortsetzten.
Außerdem hat sich er sich durch seinen in der Englischen Sprache, deren er vollkommen Meister ist, ertheilten Unterricht, und andererseits durch Unterricht in der Deutschen Sprache und Litteratur für die hier studierenden Engländer, der Universität nützlich gemacht.
Bisher hat Dr. Lassen nur Unterricht in den Sprachen ertheilt, er hat sich jedoch vorbereitet, um Vorlesungen über allgemeine und vergleichende Sprachkunde, über Asiatische Geschichte und Alterthümer, über die Encyclopädie der Asiatischen Litteratur, und über alte Geographie geben zu können. *Mit der Scandinavischen Sprache und Litteratur hat er sich schon in früheren Jahren vertraut gemacht.
Da Dr. Lassen die Ehre hat, Ew. Hochwohlgeb. persönlich bekannt zu seyn, so habe ich nicht nöthig, über seine ausgezeichnete Geistes- und Sittenbildung und über alle Eigen[5]schaften, welche ihn sonst empfehlen, weiter etwas hinzuzufügen.
Indem ich nun nicht umhin kann, lebhaft zu wünschen, daß mein mehrjähriger Gehülfe bald zum professor extraordinarius befördert werden möge, muß ich zugleich bevorworten, daß ich in dem Falle seyn werde, demnächst bei einem hohen Königl. Ministerium um eine außerordentliche Unterstützung zu einer zweiten gelehrten Reise ins Ausland nach x für denselben anzuhalten. Der zweite Band meines Râmâyana wird nämlich bald fertig gedruckt seyn; alsdann tritt eine Lücke in meinen Materialien ein, welche durch besondere Umstände verursacht wurde, während für die letzten Theile des Werkes schon viel gesammelt worden ist. Ein so langer Aufenthalt *wie das erstemal wird aber dießmal nicht nöthig seyn, und in den Monaten vom Anfange der nächsten Herbstferien bis zum Schluß der näch folgenden Osterferien wird sich schon viel liefern lassen. Mir meinerseits wird die Fortsetzung meiner großen Unternehmung und die Berichtigung der damit verbundenen Geschäfte im nächsten Frühling eine Reise nach London unumgänglich nöthig machen.
Seit drei Jahren hat Hr. Dr. Lassen als mein Assistent eine jährliche Remuneration von 200 th. genossen. Früher wurde wurden ihm, während seiner gelehrten Reise auf das erste Jahr 300 th., auf das zweite Jahr 400 th. bewilligt, welche Summen aber bei der Theurung aller Bedürfnisse in den beiden Hauptstädten, und [6] bei dem verlängerten Zeitraume des Aufenthalts bei weitem nicht ausreichten, wie Ew. Hochwohlgeb. leicht beurtheilen werden.
Der Titel eines Professors an einer Universität, welche bisher im Auslande nicht ohne Ruf war, würde dem Dr. Lassen für eine litterarische Reise allerdings sehr vortheilhaft seyn; und ihm um so freieren Zutritt zu den gelehrten Schätzen von London und Paris verschaffen.
Da Bonn durch meine unermüdlichen Bemühungen, durch die Vollständigkeit der von mir mit großen Kosten gesammelten Hülfsmittel, endlich durch die von mir veranstalteten, zum Theil prächtigen, Ausgaben vollständiger Werke, da sonst in Deutschland nur abgerissene Bruchstücke gedruckt worden sind; von Ausgaben, welche schon jetzt an Masse alles in England in der Sanskrit-Sprache herausgegebene beträchtlich übertreffen; – da Bonn, sage ich, durch alles dieß der Mittelpunkt des Alt- Studiums der Alt-Indischen Sprache und Litteratur *in Deutschland geworden ist; da ich ferner nicht weiß, wie lange ich noch meine hiesige akademische Wirksamkeit werde fortsetzen können: so muß ich vor allen Dingen wünschen da die Fortdauer des von mir mit nicht geringen Aufopferungen gestifteten, durch die Beförderung eines jungen talentvollen und thätigen jungen Gelehrten gesichert zu sehen.
Genehmigen Sie, hochgeehrtester Herr Geheime-Rath, die Versicherung der ausgezeichnetsten Hochachtung womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlg.
ergebenster
Bonn d. 6ten Mai
1830.