Hochwohlgebohrner Herr Professor!
Hochverehrtester Lehrer!
Ewr. Hochwohlgebohren werden gütigst entschuldigen, daß ich es verschoben haben, an Sie zu schreiben, bis ich Ihnen zugleich einige Nachrichten über den hiesigen Zustand der Dinge mittheilen könnte. Ich komme soeben vom Major Tod, der mich äußerst freundlich aufgenommen hat und für Ihre Ausgabe des Ram[ayana] eine wahre Acquisition ist. Ich will Ihnen zuerst einen kurzen Bericht über seine Sammlungen abstatten, insoweit ich sie selbst bis jetzt kenne. Er ist 15 Jahre in Rajputâna gewesen, eine Gegend, die bis jetzt beinahe den Europäern völlig unbekannt geblieben ist und die vom Einfluß der mohammedanischen Invasionen sogut wie ganz frei geblieben ist. Die Folge ist, daß Indische Sitten und Indische Litteratur sich hier weit reiner erhalten haben, als irgendwo sonst. Was diese Provinz für die Litteratur besonders wichtig macht, ist, daß die dasigen Fürsten immer einen Kreis von gelehrten Männern, von Hof-Annalisten und Sängern um sich versammelt und immer darauf gesehen haben, daß ihre Bibliotheken in einem blühenden Zustande erhalten würden. M[ajor] Tod hat vorzüglich drei sehr reiche solche Bibliotheken entdeckt, eine zu Cambay, eine zu Iessalmere, und die dritte, wo ich nicht irre, zu Odeypoor. Viele Handschriften dieser Bibliotheken sind ihm mitgetheilt, von den übrigen hat er sich Verzeichniße verschafft. Seine eigene Sammlung besteht aus einer nicht unbeträchtlichen Zahl; die meisten sind zwar Annalen der verschiedenen Fürstenthümer der Rajputana, Heldenlieder der Hofpoeten, Bücher der Jainas, in den neuern Dialecten abgefaßt; viele sind aber auch Sanskrit, und zum Theil sehr seltene Werke. Einige darunter sind durch ihr hohes Alter merkwürdig; ein Manuscript auf Palmblättern trägt sogar das unglaublich hohe Alter von Samvat 1151; [2] ein so hohes Alterthum, daß ich daran zweifeln würde, wenn ich die Zahl nicht selbst gelesen hatte. Es muß aber einer fernern Untersuchung zu bestimmen vorbehalten bleiben, ob hiemit nicht die Zeit der Abfaßung gemeint seyn könne. Ueber seine alten Inschriften, die er in natura mitgebracht hat, seine Sammlung von Waffen und andern Dingen, kann ich mich jetzt nicht auslassen. Von seinen Manuscripten hat er mir den liberalsten Gebrauch verstattet; sein Ram[ayana] ist wenigstens das kostbarste und älteste, und so weit eine flüchtige Betrachtung urtheilen kann, sehr correct. Es ist ein Geschenk des Rāna zu Odeypoor und erweckt schon dadurch eine vortheilhafte Erwartung. Da ich das ganze Manuscript im Hause habe, werde ich Ihnen nächstens die gehörige Beschreibung davon geben. Durch diese große Begünstigung ist meine Arbeit bedeutend gefördert und ich hoffe, Sie werden überzeugt seyn, daß ich allen Nutzen davon ziehen werde. Ueber die Beschaffenheit des Textes kann ich noch kein Urtheil fällen, es ist aber das wirkliche Valmîkîya Ram[ayana]. Zu einem Geschenke für Sie legte er mir mehrere astronomische Werke vor, worunter ich dasjenige gewählt habe, dem er selbst den größten Werth beilegte. Purânaʼs habe ich keine bei ihm gesehen; wenn er einen Hitôpadêṣa besitzen sollte, bin ich überzeugt, daß er ihn Ihnen sehr gerne anbieten wird. Zu diesem Einen legte er selbst noch zwei kleine hinzu, ein geographisches und eins, deßen Inhalt ich nicht kenne. Ich werde Ihnen alle drei durch eine Gesandtschafts-Gelegenheit senden. ‒ Ich werde Ihnen in einigen Tagen die Rectification der zweifelhaften Stellen des 1sten Buches senden; ich habe auf der Royal Society leider noch keine bestimmten Stunden, hoffe aber, daß ich deren genug erhalten werde, um den Bengalisch. Codex gehörig vergleichen [3] zu können. Die Zahl der S[ubscriben]ten ist 13; die Subscription des Königs hat Herr Richter selbst erhalten, und hofft mit Recht, daß er dadurch auch die der Prinzen erhalten werde. Die Compagnie wird, wie man mir sagt, vermuthlich für 40 Exemplare unterzeichnen, Sir Alex[ander Johnston] wird Ihnen am besten darüber die Nachricht geben können. Wenn Sie diese letztere Subscription erhalten, haben Sie Dr. Wilkins nichts dafür zu danken; er soll im Stillen doch darüber sich moquiren, daß Sie unter so vielen Werken eben die B[hagavad] G[îtâ] gewählt haben. Da er aber nicht der Compagnie wehren kann zu unterzeichnen, und die Manuscripte auch wohl nicht verstecken kann, so können Sie ihn hoffentlich ruhig schlafen lassen können; wenn Sie das Ram[ayana] nicht herausgeben, wird er es gewiß nicht und das Mahâbhârata noch weniger. ‒ Die Asiatic Soc[iety] nimmt noch immer sehr zu, besitzt die ganze Sammlung chinesischer Werke, von Sir George Staunton, und einige indische, von denen ich nur ein sehr schönes micrographisches Manuscript der Bhagavad G[îtâ] und des Durgâ Mâhâtmyam gesehen habe; sie hat ein recht bequemes Lesezimmer eingerichtet und der erste Band ihrer Transactions wird bald die Presse verlassen. Haughtonʼs Manu ist, was den Text betrifft, fertig. ‒ Was meine eigene oekonomische Verfaßung betrifft, so bin ich, um aufrichtig zu seyn, gegenwärtig einigermaaßen in Verlegenheit, da ich leider erfahre, daß meine Verwandten mir gegenwärtig die versprochenen Remissen nicht senden können, und ich mich genöthigt sehe, mich an Ihre Güte zu wenden. Ich thue dieses Bekenntniß zwar höchst ungerne, weil ich nicht gern einem Manne, dem ich schon so unendlich vieles zu verdanken habe, auf diese Weise beschwerlich fallen möchte. Nur die Nothwendigkeit und Ihr wiederhohltes gütiges Anerbieten geben mir den Muth dazu.
Im Gefühl der höchsten Dankbarkeit und
[Hocha]chtung
Ihr Schüler
Chr. Laßen.
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