Da meine Schwester von hieraus einen Brief an Sie abschickt, so kann ich nicht umhin ihn mit einigen Zeilen zu begleiten, um Ihnen meinen recht innigen Dank zu sagen, für die Güte womit Sie sich fortwährend für mich und für meine Kinder interessiren. Es ist eine große Gnade von Gott, mein theurer Oheim, daß er Sie uns erhält, als Trost und Stütze in unsrer verlassenen Lage, mit dankbarem Herzen erkennen wir dies an, mögten wir das Glück Sie zu besitzen noch recht lange genießen, so lange Sie leben haben wir doch auf dieser Welt noch immer eine Zukunft.
Was meinen Bruder anbetrifft so hat er wieder zu unsrer Beruhigung und Freude eine Anstellung gefunden, in Verden an der dortigen Domschule, er soll wie meine Schwester sagt, die ihn auf ihrer Reise hieher gesprochen hat, mit seiner Lage zufrieden seyn, auch hofft er auf Verbesserung, doch bezweifle ich sehr daß sie von der Art ist daß er zu unsrer Unterstützung etwas beytra[2]gen kann, jetzt ist seine Einnahme gewiß nur sehr gering, von dieser Seite ist also nicht viel zu erwarten.
Meine Pension als Capitains Wittwe beträgt 140 r. in Golde, diese wird mir ohne Umstände ausbezahlt da meine Eltern den Einsatz bey unsrer Verheirathung gemacht haben und mein guter Spall pünktlich seinen jährlichen Beytrag eingeschossen hat, diese Pension darf ich aber nicht außer Landes verzehren und kann mich daher nur auf Monate aus dem Hannöverschen entfernen. Diese Summe ist natürlich nicht völlig hinreichend mich und meine Kinder zu erhalten und meine Kinder zu erziehen, auch bey der größten [Spar]samkeit nicht, ich erkenne es daher mit gerührtem Dank daß ich bis jetzt mich der gütigen Unterstützung einer zärtlichen Mutter und liebevoller Verwandte erfreute, Gott wird ja ferner für mich sorgen durch gute Menschen.
Meine Kinder sind mein Trost und meine Hoffnung, für meine traurige verödete Zukunft, Gott wolle sie mir erhalten. Meine Pauline ist ein zartes aber liebenswürdiges Kind, heiter und lebhaft, dabey fleißig, gut und folgsam, nicht so vortheilhaft lautet Adolphs Zeugniß, er ist heftig und mitunter etwas stürmisch, so daß es mich zuwei[3]len mit banger Sorge erfüllt wie ich ohne männlichen Beystand ihn zu dem erziehen soll wozu ich ihn doch so gerne erziehen mögte, zu einem brauchbaren, guten Menschen. Er ist in seinen Kenntnissen so weit wie Knaben seines Alters zu seyn pflegen und seine Lehrer sind mit seinem Fleiß zufrieden, besonders viele Lust hat er zu Sprachen, zur Musick und zum Zeichnen. Unterstützungsfonds für Officier Kinder giebt es gar nicht, alles muß aus eigenen Mitteln geschehen.
Meine Schwester wird nun bald das Glück haben Sie zu seh[en,] theurer Oheim, mögte sie sich in Ihrer Nähe recht erheite[rn und] stärken, bey uns ist dies nicht möglich da wir alle zu verstimmt [sind,] auch störte bisher die Freude des Zusammenseyns Uebelbefinden mancher Art, die fatale Grippe hat uns alle heimgesucht.
Ihren ferneren gütigen Gesinnungen empfehle ich mich und meine Kinder recht angelegentlich und verbleibe wie immer
Ihre Sie innig hochschätzende Nichte
Wilhelmine Spall geb. Schlegel
Harburg
den 8ten Mai 1833.
[4] An
den Herrn Professor A. W. von Schlegel
Hochwohlgeboren
in
Bonn
d. E.