Hochwohlgebohrner Herr Professor!
Hochgeschätztester Lehrer!
Herr von Humboldt hat mir gestern Abend Ewr. Hochwohlgebohren Schreiben vom 15ten d. M. zugesendet, ich beehre mich es umgehend zu beantworten.
Ewr. Hochwohlgebohren letztes Schreiben habe ich am Samstag vor acht Tagen durch die kleine Post erhalten und die Antwort selbst den Dienstag morgen auf die Post gebracht. Da dieser Brief jetzt in Ewr. Hochwohlgebohren Händen seyn wird, werde ich nicht nöthig haben mich über mehrere Puncte Ihres allerletzten Briefes weitläufig auszulassen; Sie werden meine Rechtfertigung in Händen haben; ich muß nur auf zwei Puncte mir erlauben ein Paar Worte zu sagen.
Erstens, daß mein vorletzter Brief, auf den Sie unterm 15ten d. M. antworten, geschrieben ist, ehe ich Ihren vorletzten Brief erhalten hatte, auf den er also nicht als Antwort dienen konnte; die Postzeichen werden diesen für mich sehr wichtigen Punct hinreichend bestätigen.
Zweitens, daß ich in meinem letzten Briefe ausführlich auf Ewr. Hochwohlgebohren Schreiben geantwortet und namentlich die Quittung mitgesendet habe. Ich füge jedoch auch diesem Briefe eine Quittung bei, auf den Fall, daß jener Brief verlohren gegangen wäre.
[2] Sie werden also sehen, daß ich weit entfernt bin, Ihnen die Quittung verweigern zu wollen. Im Ernst, wie sehr ich mich auch gegen Sie in der letzten Zeit vergangen habe, ich glaubte nicht, daß Sie mich fähig gehalten hätten, meinem Wohlthäter mit einem solchen Vergehen (um es mild auszudrücken, denn es wäre was ganz andres als ein Vergehen, wenn Ihr Verdacht gegründet gewesen wäre) auf seine Wohlthaten zu erwiedern. ‒ Für meine eigene Person wird keine weitere Rechtfertigung in Beziehung auf diesen Punct nothwendig seyn; ich muß aber aus dem Briefe des Herrn v. Humboldt schließen, daß Sie ihm denselben Verdacht mitgetheilt haben. Dieses macht die Sache für mich, wie Sie fühlen werden, ungleich wichtiger. Gottlob! Ihre Briefe, die ich ihm vorlegen werde, werden ihm zeigen, daß ein Irrthum vorgefallen ist; ich würde sonst nicht im Stande seyn, einem solchen Manne mit einem solchen Verdacht beladen unter die Augen zu treten. Ich kann nicht wissen, ob Ewr. Hochwohlgebohren andern von Ihren Freunden in demselben Sinne sich geäußert haben; wenn Sie mich, wie ich hoffe, freisprechen müssen, werde ich nicht zu viel verlangen, wenn ich Sie bitte, auch die nöthigen Aufklärungen nachzuliefern. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß dieses vorzüglich in Beziehung auf Bonn mir wichtig seyn muß; Sie werden so gut, wie ich, die dortigen Gesellschaftlichen Verhältniße kennen, und wissen, daß solche Sachen Eigenthum der ganzen Stadt sind.
Wenn Sie es befehlen, werde ich Empfangsscheine über die richtige Ablieferung der Manuscripte beibringen. [3] Die Bücher hatte ich noch nicht an Herrn Würz abgegeben; es soll auf der Stelle geschehen. Wilkins Grammatik habe ich hier gar nicht in Händen gehabt; ich hatte sie von London aus zugleich mit der von Forster, mit der Persischen von Jones, mit dem Kirâtârjunîya, durch Herrn Richter hieher senden lassen; ich habe sie den vorigen Sommer mit den übrigen Werken bei Treuttel u. Würz gesehen und gebeten, diese Werke mit den übrigen Ihnen zuzusenden. Sie haben mir geschrieben, daß das Packet angekommen, ohne die einzelnen Bücher zu nennen. Wenn sie daher nicht bei Ihnen ist, wird es nöthig seyn, daß ich sie bei Treuttel & Würz reclamire. ‒
Ich hatte in meinem vorletzten Briefe Ewr. Hochwohlgebohren wegen des Vorgefallenen wiederhohlt um Verzeihung gebeten; Sie haben die Güte gehabt, mir diese zukommen zu lassen; ich habe in meinem letzten Briefe Ihnen dafür meinen herzlichen Dank abgestattet und wiederhohle ihn in diesem. Es sollte mir leid thun, wenn Sie eine Bitte andrer Art darunter vermuthet haben; seyn Sie überzeugt, zum Betteln lasse ich es nicht mit mir kommen; das soll meine Sache bleiben.
Außer den 6 ₤ für den jungen Colebrooke habe ich noch ein Taschenmesser für den jungen Johnston und ein Federmesser für Herrn Dowkins in Händen. Dieses ist alles was von mir noch reclamirt werden kann.
Es bleibt noch immer meine Pflicht, mein Interesse, mein Wunsch, nach Bonn zurückkehren zu können; ich glaubte, nach Ihrem vorletzten Briefe, daß außer der Verspätung, an der ich Schuld bin, keine Streitfrage [4] weiter obwaltete; es thut mir von Herzen leid, daß, wie ich glaube ohne meine Schuld, noch der gegenwärtige Vorfall hinzugekommen ist, der Ewr. Hochwohlgebohren aufs neue gegen mich gestimmt hat, und der, wenn ich nicht von dem Verdacht, in dem ich schwebte, gerechtfertigt werden könnte, meine Rückkehr mit großen moralischen Schwierigkeiten verknüpft machen würde. Sie werden fühlen, daß ich, trotz meines sehr untergeordneten Verhältnißes zu Ewr. Hochwohlgebohren, dennoch einen gewissen Grad von Achtungswürdigkeit besitzen muß, um in diesem Verhältniße bestehen zu können. Wenn die Voraussetzung, in der Sie Ihren Brief vom 15ten d. M. geschrieben, gegründet wäre, würde dieses aber nicht stattfinden können.
Ich schreibe diesen Brief unter dem Einfluße eines gereitzten Gefühles und habe keine Zeit einen ruhigen Augenblick abzuwarten. Ihre Billigkeit und die Natur der Sache werden es entschuldigen, wenn nicht überall die Mäßigung darin sichtbar ist, die darin herrschen sollte.
Wie sich auch meine Verhältniße gestalten werden, Sie können überzeugt seyn, daß ich unter keinen Umständen die Wohlthaten verkennen werde, die ich von Ihnen empfangen habe, und stets verharren werde,
Ewr. Hochwohlgebohren
Hochachtungsvollster
und dankbarster
Chr. Laßen.