Dein lezter Brief traf mich im Bette an, und zwar nicht auf eine natürliche Weise, sondern höchst grausam und unnatürlich; Krankheitshalber, und Du wurdest nun auch eine von den feindlichen Mächten, die mir zusezten. Dieses soll nicht Dein strenges Gemüth erweichen, ich erzähle Dir nur, wie mirs geht. Das feuchte Wetter, welches freylich ein gelinder Ausdruck für diese Sündflut ist, die uns die Ernte eines herrlichen Jahrs vielleicht niederregnet, war unstreitig der Anlaß meines Übels, indem ich an einem schönen Morgen mit einem über und über geschwollnen Gesicht aufwachte. Ich habe mit Kräutern baden müssen, ich bin sehr schwach gewesen und bins noch so leidlich sehr. Übrigens ganz leidlich vergnügt.
Hast Du Dich an meinen Brief Nr. 1 schon geärgert, wie wird es dem Nr. 2 gegangen seyn! Ich verspreche Dir im voraus, daß ich auf Deine Antwort nicht wieder antworten will. Wie Du von Dir sagst, ich habe in guter Meynung alles geschrieben, in pur guter Meynung und in der besten von Dir. Eine lange Apologie kann ich nicht machen. Ich sage Dir nur kurz, nicht ein Jota hätte Dich in alle dem kränken dürfen. Auf keine Art glaube ich, daß Du gegen Unger unrecht hast, und Deine Entschlossenheit darüber freut mich mehr, als die Wiederherstellung des zerrißnen Verhältnisses thun würde. Wenn ich Tieks Brief nicht im rechten Sinn gelesen, so hättest Du mir den mit beylegen sollen; ich konte ihn nicht errathen. Ist er der rechte, so hol ihn der T.! denn dann ist ja Tiek etwas von einem Halunken, wogegen sich meine Überzeugung doch sträubt. Seyd ihr Freunde und glaubt dergleichen von einander? Und nennt ihr euch blos so, im Schooß einer gemeinschaftlichen Kirche, ey die Kunst selbst braucht das Fundament der Rechtlichkeit noch. Schreib mir doch, was denn das endliche Resultat dieses Streites gewesen ist. ‒ Überdem hat mich seine Ansicht ja gar nicht gestimmt, und es war zufällig, daß mir dabey allerley Weisheit einfiel, die ich Dir auskramte. Wenn Du meine Weisheit dumm befindest, das nehm ich nicht übel, aber Dein Mistrauen, das eine so ernstliche Empfindlichkeit erzeugt. ‒ Wegen der Anzeige über K[otzebue] geb ich mich zu ‒ es war nun meine Einsicht und Ansicht sie für überflüssig zu halten ‒ warum sollte ich es nicht sagen? Du nimmst mir erstaunlich viel von meiner Artigkeit und Anmuth, wenn Du mich furchtsam machst. Es ist Dein eigner Schade.
Von dem Bububu wirst Du ein Mehreres vernommen haben, da er Berlin passirt ist. Den gestrigen Tag hat er hier zugebracht. Frommans ließen mich und die Meinigen einladen, ich konte nicht hingehn, und wäre nicht hingegangen, wenn ich gekonnt hätte, denn Fr. ist ein zu unverschämter Geselle, aber die Damen gingen, um sich eine kleine Diversion zu machen. Kotzebue hatte Frommans besucht, hatte um ein Haar da gespeist ‒ Loder hatte den Mittag mit ihm bey dem Consistorialrathe Gruner gegessen und schickte nach halb 11 Uhr hinüber um zu wissen, ob er Kotzebue heute um 7 Uhr noch (treffen würde) aufwarten könnte. ‒ In diesem Augenblick war Loderchen hier, sehr eilig, nur um zu sehn, wie ich mich befände. Du kannst denken, wie er von Neugier brennt, Neues aus Petersburg zu erfahren, das allein macht schon Kotzebue wichtig. Wenn dieser in Weimar kein Hotel bekommen kann, das gros genug ist, so kehrt er nach Berlin zurück und passirt dort den Winter, den Sommer aber zuverlässig auf seiner hiesigen Villa. Ich hoffe, Du wirst mir auch etwas von ihm melden. Frommans haben sich ganz nach ihrer angestammten Sinnesart über und mit ihm bethan. Gut, daß ich nicht da war. ‒ Cotta hat noch nicht geantwortet, aber Fromman will dennoch den Druck anfangen und mir in diesen Tagen das Manusscript abholen lassen, weil es weiter keinen Zweifel hätte.
Wegen der Berliner Reise ‒ nichts von Hader! alberner Freund, warum hast Du vergessen, daß das Wort unzweckmäßig oder zweckmäßig ein Sprichwort unter uns war, seiner Pedanterey halben und weil es sich manche Damen angewöhnt hatten, die Schillern, die Nuys ‒ ich unterstrich es im Schreiben wie im Reden, es lag gar nichts dahinter und ich erkannte wohl, daß Du gütig warst mir die Reise anzubieten, die freylich nicht sehr ernstlich von mir gemeynt war, aber um den Zweck Dich abzuholen hätte ich wohl Ernst daraus gemacht. Amen.
Grüß die Bernhardi, ich habe mich bedacht, ob ich ihr nicht etwas schicken könnte für ihr neugebohrnes Würmchen. Bist Du nicht Gevatter? Aber das einzige, ‒ etwas Gestriktes ‒ fällt weg, weil sie selbst eine große Strickerinn ist.
Marcus hat mir den fränkischen Lustgarten geschickt, eine alte Edition ‒ ich behalte ihn zurück, weil Du jetzt wohl Dich nicht unterbrichst. Es wird noch künftige Allmanache geben und braucht nicht in diesem. Aber weißt Du wohl, daß diesem noch einiges im elegischen Sylbenmaß oder Hexametern zu wünschen wäre, um das Herschende darin zu brechen?
Marcus läßt Dich grüßen, er wolle Dir nach den Grundsäzen der Erregungstheorie eine Erklärung der vorkommenden Wunder dazu schreiben. Die Gesellschaft ist nun in Bocklet, das Wetter wird sie etwas stören. So viel ich weiß, ist Friedrich hier geblieben. Das ist ein sehr unerwarteter Aufschluß über den Eduard. Immer alles noch schlimmer, als ich es zu vermuthen verstand von Anbeginn an. Friedrich hat mir selbst erzählt, daß dieser Mensch dort gewesen sey, daß er nach Amerika gegangen wäre, und mich viel Hohes und Herrliches von ihm ahnden lassen. Damals hat er ihn mit einer Umarmung bewillkommnet, deren sich der Eduard gar nicht versehn hat. Er wollte mich auch glauben machen, Philipp könne wohl ein Sohn dieses Eduard seyn, villeicht um mir den nationalen Abscheu zu benehmen, denn ich hörte nachher, daß Philipp von früherem Datum ist. Und nun der Handel mit der Schwester, welche die Veit selbst für eine schlechte Person ausgab ‒ wie paßt das? Was sind das für Lügen, Selbstbetrüge und verächtliche Geschichten. Läßt sich denn Friedrich so hintergehn? ‒ Sie haben hier einen solchen Wind gemacht, Paulus hat den Alton als einen Menschen pronirt, der in Persien gewesen ist, ihn in den Clubb gebracht und was nicht alles. Ich weiß indeß so wenig, ob er noch hier ist, wie von Friedrich selbst, und es ist auch sehr begreiflich, daß ich nicht früher von seiner Existenz hörte, da ich nicht von ihnen spreche, niemand befrage, also mir alles zufällig und oft lange hinterher zukömmt. Allein da ich Friedrich am Tage nach der Rückkunft von Leipzig mit diesem Sujet im Paradies begegnete, so muß er wohl schon von dort mitgebracht seyn. Wenigstens hoften wir hier, der persönliche Florentin würde ihnen auch Geld mitbringen, und so fällt das weg? Da ist es mir noch weniger erklärlich, wie und wovon sie leben, da Friedrich jetzt so viel ausreitet, und alle Augenblick einmal ein Fässel Wein hier unrichtigerweise ins Haus gebracht wird, das dorthin gehört, oder die Akzise mir angerechnet, was ich aber höflichst ablehne. Ach lieber Wilhelm, und ungeachtet die Sache so heillos steht, so fürcht ich doch, Deine Hoffnung wird nicht erfüllt werden. ‒ Verzeih mir, daß ich nach Deinem ersten Bericht glaubte, Du könntest Dich drein mischen wollen. Bedenke zugleich, ob mich wohl nicht ein gerechtes Gefühl davon anwandeln kann, daß Du mich mit meinen Äußerungen und Beschwerden über diese infame Person noch ganz kürzlich so abgewiesen hast, als ob sie nicht von mir anzutasten sey, als ob sie die Verständige, Beständige und Honette wäre ‒ ich mag es nicht weiter ausmahlen. Was Dich in meinem zulezt geschriebnen Brief wieder kränken könnte, das schreibe auf diese Rechnung. Und wenn ich dann im Allgemeinen die auffahrende und beharrliche Hitze anklage, in der Du fähig wirst, solche Schmach anzuthun ‒ o sage mir, habe ich denn da nicht auch Recht? (um Dir Deine lezte Frage zurückzugeben). Aber komm nur, wir werden Freunde seyn. In Deinen nächsten Schreiben erwarte ich etwas bestimmtes darüber zu erfahren, über Dein Kommen nehmlich. Es ist Zeit, denn ich weiß so nicht, wie Du meine Hausgenossenschaft versöhnen und besonders wie Du das Herrenrecht über sie behaupten wilst, nach so langer Unabhängigkeit. Du wirst Deine Noth haben bis auf Emma herunter. Unser Leben ist sehr einfach und Spazierenzugehn die meiste Bewegung desselben. Ich thue gar nichts mehr als schlafen, essen, trinken, lesen, beten, und gehen, wenn ich kann, denn oft werde ich zurückgelassen und in solchen Stunden wünsche ich freylich eine Wohnung zu haben, die mich wenigstens nicht so traurig einschließt, da man sie hier haben kann. ‒ Vor Michaelis brauch ich nicht aufzusagen, also soll alles anstehen, bis Du kommst, damit Du alle Gründe hörst. ‒ Julchen nimmt mir alle Arbeit im Hause ab und hat diese Art von Besorgung und Geschäftigkeit gern. Zum Hören ist sie wohl, zum Lesen aber sehr wenig geneigt. Und es ist ganz gut so; die Mutter wird sie im Winter hier lassen. ‒ Schelling denkt im Herbst auf jeden Fall eine Reise zu machen. Er ist nicht eben auf Berlin erpicht. Was Du vom Fichte sagst ‒ und was noch jemand anders von ihm gesagt hat ‒ das ist eben auch unsre kühne Meinung, die wir uns aber manchmal selbst wieder ausreden und überhaupt vorsichtig damit umgehn. Er hat seine Simsonslocken mit dem Catheder verlohren.
Bringe mir also Dein Bild, denn ich will es haben. Meines sollst Du auch haben, und ich wäre vielleicht von selbst so anmaßlich gewesen es auf Deine Stube zu hängen, wenn es nicht in der Meinigen an der Wand einen häslichen Fleck zurückließe. Du must warten bis zur künftigen Wohnung. Entsinnst Du Dich des hohen Hauses am Thore nach der Driesnitz zu? Das ist inwendig und auswendig ganz vom Kammerrath Helfeld ausgebaut und die obre Etage leer ‒ darauf spekulire ich. Adieu, mein Freund, ich kann die Feder nicht mehr regieren. Lebe recht wohl und sey gut.
PS.
Kommt ein schlechter Brief, so antworte ich nicht eher, bis ein guter da ist.