• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Zürich · Place of Destination: Wien · Date: 07.07.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Zürich
  • Place of Destination: Wien
  • Date: 07.07.1811
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 279–282.
  • Incipit: „[1] Zürich den 7ten Julius 1811.
    Obgleich du mir geliebter Freund, gewissermassen verbothen hast dir nach Wien hin zu schreiben, so kann [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,17,17
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 22,6 x 19,4 cm
    Language
  • German
[1] Zürich den 7ten Julius 1811.
Obgleich du mir geliebter Freund, gewissermassen verbothen hast dir nach Wien hin zu schreiben, so kann ich es doch bei den gegenwärtigen Anlässen nicht unterlassen, da es außerdem wohl sein könnte das man in Coppet die Brife bis zu deiner Rückehr wollte liegen lassen, und das wäre mir unangenehm. – In zwei schnell aufeinander folgenden Brifen, nemlich den nächsten Postage, sind aufträge für dich. In dem ersten bittet sie mich ihr auf den nachfolgenden Antrag eine Antwort zu schaffen, denn schreibt sie, wenn ich Schlegel schreibe so antwortet er doch nicht, es ist dies auch eins von den Dingen welche mich unsäglich kränken, und mir bleibt nichts übrig als alle Gefühle einer zärtlichen Freundschaft für ihn in meiner Brust zu bewahren bis zu einer andern bessern Zeit et ceter[a]. Du siehst wie sehr es sie krä[n]kt das du auf unsere Briefe nicht geantwortet hast, ich habe ihr hierauf vorläufig geschrieben du habest geglaubt sie sei schon von München verreißt doch zu meinen Aufträgen, der zweite mit welchem ich Anfange weil er mich unmittelbar Trift, ist das Knorrings Vater am 7ten Maÿ verstorben ist, und das K[norring] eben seinen Bruder erwartet um sich mit ihm auseinander zu setzen. Ich weis nur freilich nicht ob dis bei seiner Art zu handeln nicht meinen Auffenthalt hir zu meinem Leidwesen noch mehr verlängern wird, doch wird er auch in kurzem alle äußern beschwerden hoffe ich heben. Das zweite was ich zu schreiben habe, oder vielmehr das erste betrift unmittelbar dich, nemlich Jacobi wünscht du möchtest die Stelle welche Aretin bei der Akademie in München bekleidet hatt, annehmen, und hatte der Schwester aufgetragen dich zu sondiren ob du wohl geneigt wärst einem solchen Ruf zu folgen, deshalb ist die Stelle noch unbesezt, und wird es wohl auch bleiben, bis man die Hoffnung dich dort zu besitzen aufgeben muß.
Du kannst dir denken das ich dis mit einer Art von Triumph niederschreibe [2] weil es beweist das nicht ich sondern du dich über Jacobi und seine Gesinnungen geirrt hast, welches mir zu nicht geringem Trost gereicht, da du natürlich gegen ihn eingenommen nach München kammst, und du mir nun um so eher glauben wirst, das er ganz aufrichtig Achtung für dich hegt, er würde sonst nicht dich an eine Stelle wünschen von der ich vermuthe das sie mit einem der besten Gehälter versehen ist, da ja bei der ganzen Einrichtung der Akademie Aretin unstreitig sehr grossen Einfluß gehabt hatt. Obgleich ich gar keine Hoffnung zu haben berechtigt bin zu glauben du würdest deine jezigen Verbindungen aufgeben, so kann ich doch nicht unterlassen zu glauben das es eine schöne Gelegenheit sei dich deinen Studien, und dem Leben um deiner selbstwillen wieder zu gewinnen. Ich weis nicht wie groß das Gehalt ist, doch glaube ich gewiß das es hinreichend ist dich Anständig, ja ohne Familie, mit den Bequemlichkeiten welche du so gewohnt bist zu erhalten, und bei deiner Liebe zum Fleiß, bei der schönen Bibliothek, und ohne andre Zerstreuungen und unterbrechungen als die welche du selbst wolltest, wie viele Mittel ständen dir nicht noch zu gebothe, warlich würde es dir auch nicht an äußerm Glanz und Ehren fehlen, Titel und Orden sind ja das wenigste was sie einem geschätzten Fremden beifügen können um ihm den Auffenthalt angenehm zu machen. Auch fehlt es eigentlich wohl nicht an angenehmer Geselschaft in München vorzüglich sind mir einige geistreiche Frauen unter den Adelichen wenn auch nicht vielmehr als den Nahmen nach bekannt, und wie könnte es einem Manne wie du bist je an den Bekanntschaften fehlen die er machen will, ja du mit feiner Lebensart, gröstern Gewandheit, wie sehr könntest [du] die grösten ersten aller Gelehrten rächen an ja noch zu weilen stolzen Adlichen, die auf ihr geläufiges Französisch oder Englisch wens hoch kömmt sich etwas einbilden. Auch kann ich mir des Gedankens nicht erwähren, das du unvermerkt der Substitut und Adjunkt Jacobis werden müstest. Die Gunst des Kronprinzen besitzest du schon, die des Ministers würde dir gewiß nicht fehlen. Kurtz ich glaube ich könnte für dich ein ziemlich glänzendes Loose, und besonders einen weiten Wirkungskreis voraussehen, obgleich ich glaube du wirst es nicht machen, Doch bitte ich dich um dis eine schlage es nicht so gerade zu ab. Es thut [3] mir leid das ich dir nicht schreiben kann wie hoch sich das jezt bestimmte Gehalt beläuft, und ob es nicht noch erhöht werden kann wenn du es foderst. Habe aber die Güthe schleunigst meiner Schwester zu Antworten, um dis bitte ich dich, und vor allen Dingen beschwöre ich dich nimm deinen Rükweg über München, und halte dich dort einige Tage auf, ich wollte es wär wenn noch die Schwester da wär. O theurer Freund sage was kann die zärtliche Freundschaft, was könnte die Liebe einer Frau selbst dagegen einzuwenden haben, dich von einem solchen Streben zurükzuhalten.
Dir das Geld ersetzen wollen heist nichts, denn es heist dich erkauffen, deine Ehre kränken wollen, und welche Liebe möchte ich fragen hatt das Recht einen Mann der Welt zu entziehen, und eigennützig, ihn auf den engen Kreis seiner Umgebung zu beschränken, dis ist ja eigentlich die Fabel von der Armida. Doch was schwatze ich fast sollte man glauben ich hätte die Eitelkeit auf eine deiner Entschlissungen Einfluß mir zu zutrauen, O geliebter Freund das glaube nicht von mir, ich erkenne zu sehr die Schwächen meiner selbst, und den Wahnsinn der darin liegt einen andren bestimmen zu wollen, da es unmöglich ist ganz in die Seele eines andren zu denken, und so wäre es noch ausserdem wahnsinnige Eitelkeit von mir, wenn [ich] glaubte mit eben meinen Schwachsinn dir Gründe dafür zeigen zu können die du nicht auf den ersten Blick überführst. Es bleibt mir nichts als der Wunsch dich zufrieden dich so glüklich zu sehen als du nur werden kannst sei es wo es sei, meinetwegen auch jenseit des Meeres, obgleich dis mir der schmerzhafteste Gedanken für mich ist, dich so nicht allein für mich, sondern auch für dein Vaterland, ja am Ende für dich selbst verlohren zu wissen und abgerissen, einer Freundschaft aufgeopfert die wie natürlich alle Freundschaft eigennützig ist, und wer weis wie sehr ich dein Tirann sein würde wenn die Kräfte des Geistes es erlaubten zu sein. Doch wer weis wie lang du meines albernen Geschwätzes müde bist, wie oft schon böse auf mich geworden, was mein kindischer Kopf hervorgebracht, und doch muß ich noch eine albernheit hinzufügen, – nein ich thue es nicht, leb wohl und behalte mich lieb wie ich dich als wahrhaften Bruder liebe. Lebe wohl, lebe recht wohl, und findest du es würdig, mir besonders noch zu Antworten, außerdem das du meiner Schwester schreibst, adressire den Brief hieher. Noch eins sei so guth und schreibe hierauf meiner Schwester, denn da sie vielerlei zu thun hatt, und neuerdings viel kränkelt könnte es doch sein das sie dir nicht mehr schriebe, ehe sie nicht die Antwort auf disen einen Brif, der auf ihren Auftrag ist erhält. Ihre Adresse ist. Auf der Hundskugel im Graf Rechbergschen Hause zu München.
Tausend herzliche Grüsse an Friedrich von Friedrich Tieck.
[4]
[1] Zürich den 7ten Julius 1811.
Obgleich du mir geliebter Freund, gewissermassen verbothen hast dir nach Wien hin zu schreiben, so kann ich es doch bei den gegenwärtigen Anlässen nicht unterlassen, da es außerdem wohl sein könnte das man in Coppet die Brife bis zu deiner Rückehr wollte liegen lassen, und das wäre mir unangenehm. – In zwei schnell aufeinander folgenden Brifen, nemlich den nächsten Postage, sind aufträge für dich. In dem ersten bittet sie mich ihr auf den nachfolgenden Antrag eine Antwort zu schaffen, denn schreibt sie, wenn ich Schlegel schreibe so antwortet er doch nicht, es ist dies auch eins von den Dingen welche mich unsäglich kränken, und mir bleibt nichts übrig als alle Gefühle einer zärtlichen Freundschaft für ihn in meiner Brust zu bewahren bis zu einer andern bessern Zeit et ceter[a]. Du siehst wie sehr es sie krä[n]kt das du auf unsere Briefe nicht geantwortet hast, ich habe ihr hierauf vorläufig geschrieben du habest geglaubt sie sei schon von München verreißt doch zu meinen Aufträgen, der zweite mit welchem ich Anfange weil er mich unmittelbar Trift, ist das Knorrings Vater am 7ten Maÿ verstorben ist, und das K[norring] eben seinen Bruder erwartet um sich mit ihm auseinander zu setzen. Ich weis nur freilich nicht ob dis bei seiner Art zu handeln nicht meinen Auffenthalt hir zu meinem Leidwesen noch mehr verlängern wird, doch wird er auch in kurzem alle äußern beschwerden hoffe ich heben. Das zweite was ich zu schreiben habe, oder vielmehr das erste betrift unmittelbar dich, nemlich Jacobi wünscht du möchtest die Stelle welche Aretin bei der Akademie in München bekleidet hatt, annehmen, und hatte der Schwester aufgetragen dich zu sondiren ob du wohl geneigt wärst einem solchen Ruf zu folgen, deshalb ist die Stelle noch unbesezt, und wird es wohl auch bleiben, bis man die Hoffnung dich dort zu besitzen aufgeben muß.
Du kannst dir denken das ich dis mit einer Art von Triumph niederschreibe [2] weil es beweist das nicht ich sondern du dich über Jacobi und seine Gesinnungen geirrt hast, welches mir zu nicht geringem Trost gereicht, da du natürlich gegen ihn eingenommen nach München kammst, und du mir nun um so eher glauben wirst, das er ganz aufrichtig Achtung für dich hegt, er würde sonst nicht dich an eine Stelle wünschen von der ich vermuthe das sie mit einem der besten Gehälter versehen ist, da ja bei der ganzen Einrichtung der Akademie Aretin unstreitig sehr grossen Einfluß gehabt hatt. Obgleich ich gar keine Hoffnung zu haben berechtigt bin zu glauben du würdest deine jezigen Verbindungen aufgeben, so kann ich doch nicht unterlassen zu glauben das es eine schöne Gelegenheit sei dich deinen Studien, und dem Leben um deiner selbstwillen wieder zu gewinnen. Ich weis nicht wie groß das Gehalt ist, doch glaube ich gewiß das es hinreichend ist dich Anständig, ja ohne Familie, mit den Bequemlichkeiten welche du so gewohnt bist zu erhalten, und bei deiner Liebe zum Fleiß, bei der schönen Bibliothek, und ohne andre Zerstreuungen und unterbrechungen als die welche du selbst wolltest, wie viele Mittel ständen dir nicht noch zu gebothe, warlich würde es dir auch nicht an äußerm Glanz und Ehren fehlen, Titel und Orden sind ja das wenigste was sie einem geschätzten Fremden beifügen können um ihm den Auffenthalt angenehm zu machen. Auch fehlt es eigentlich wohl nicht an angenehmer Geselschaft in München vorzüglich sind mir einige geistreiche Frauen unter den Adelichen wenn auch nicht vielmehr als den Nahmen nach bekannt, und wie könnte es einem Manne wie du bist je an den Bekanntschaften fehlen die er machen will, ja du mit feiner Lebensart, gröstern Gewandheit, wie sehr könntest [du] die grösten ersten aller Gelehrten rächen an ja noch zu weilen stolzen Adlichen, die auf ihr geläufiges Französisch oder Englisch wens hoch kömmt sich etwas einbilden. Auch kann ich mir des Gedankens nicht erwähren, das du unvermerkt der Substitut und Adjunkt Jacobis werden müstest. Die Gunst des Kronprinzen besitzest du schon, die des Ministers würde dir gewiß nicht fehlen. Kurtz ich glaube ich könnte für dich ein ziemlich glänzendes Loose, und besonders einen weiten Wirkungskreis voraussehen, obgleich ich glaube du wirst es nicht machen, Doch bitte ich dich um dis eine schlage es nicht so gerade zu ab. Es thut [3] mir leid das ich dir nicht schreiben kann wie hoch sich das jezt bestimmte Gehalt beläuft, und ob es nicht noch erhöht werden kann wenn du es foderst. Habe aber die Güthe schleunigst meiner Schwester zu Antworten, um dis bitte ich dich, und vor allen Dingen beschwöre ich dich nimm deinen Rükweg über München, und halte dich dort einige Tage auf, ich wollte es wär wenn noch die Schwester da wär. O theurer Freund sage was kann die zärtliche Freundschaft, was könnte die Liebe einer Frau selbst dagegen einzuwenden haben, dich von einem solchen Streben zurükzuhalten.
Dir das Geld ersetzen wollen heist nichts, denn es heist dich erkauffen, deine Ehre kränken wollen, und welche Liebe möchte ich fragen hatt das Recht einen Mann der Welt zu entziehen, und eigennützig, ihn auf den engen Kreis seiner Umgebung zu beschränken, dis ist ja eigentlich die Fabel von der Armida. Doch was schwatze ich fast sollte man glauben ich hätte die Eitelkeit auf eine deiner Entschlissungen Einfluß mir zu zutrauen, O geliebter Freund das glaube nicht von mir, ich erkenne zu sehr die Schwächen meiner selbst, und den Wahnsinn der darin liegt einen andren bestimmen zu wollen, da es unmöglich ist ganz in die Seele eines andren zu denken, und so wäre es noch ausserdem wahnsinnige Eitelkeit von mir, wenn [ich] glaubte mit eben meinen Schwachsinn dir Gründe dafür zeigen zu können die du nicht auf den ersten Blick überführst. Es bleibt mir nichts als der Wunsch dich zufrieden dich so glüklich zu sehen als du nur werden kannst sei es wo es sei, meinetwegen auch jenseit des Meeres, obgleich dis mir der schmerzhafteste Gedanken für mich ist, dich so nicht allein für mich, sondern auch für dein Vaterland, ja am Ende für dich selbst verlohren zu wissen und abgerissen, einer Freundschaft aufgeopfert die wie natürlich alle Freundschaft eigennützig ist, und wer weis wie sehr ich dein Tirann sein würde wenn die Kräfte des Geistes es erlaubten zu sein. Doch wer weis wie lang du meines albernen Geschwätzes müde bist, wie oft schon böse auf mich geworden, was mein kindischer Kopf hervorgebracht, und doch muß ich noch eine albernheit hinzufügen, – nein ich thue es nicht, leb wohl und behalte mich lieb wie ich dich als wahrhaften Bruder liebe. Lebe wohl, lebe recht wohl, und findest du es würdig, mir besonders noch zu Antworten, außerdem das du meiner Schwester schreibst, adressire den Brief hieher. Noch eins sei so guth und schreibe hierauf meiner Schwester, denn da sie vielerlei zu thun hatt, und neuerdings viel kränkelt könnte es doch sein das sie dir nicht mehr schriebe, ehe sie nicht die Antwort auf disen einen Brif, der auf ihren Auftrag ist erhält. Ihre Adresse ist. Auf der Hundskugel im Graf Rechbergschen Hause zu München.
Tausend herzliche Grüsse an Friedrich von Friedrich Tieck.
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