• Valerius Wilhelm Neubeck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Steinau, Oder · Place of Destination: Jena · Date: 30.10.1797
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Valerius Wilhelm Neubeck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Steinau, Oder
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 30.10.1797
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Fambach, Oscar: Das grosse Jahrzehnt in der Kritik seiner Zeit. Die wesentlichen und die umstrittenen Rezensionen aus der periodischen Literatur des Überganges von der Klassik zur Frühromantik, begleitet von den Stimmen der Umwelt; in Einzeldarstellungen. Berlin 1958, S. 148–150.
  • Incipit: „[1] Eben im Begriff zu verreisen, schreibe ich Ihnen neuerlich mit fliegender Feder, um Ihnen bloß den geschloßenen Handel mit Göschen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-35010
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.17,Nr.6
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,6 x 11,8 cm
    Language
  • German
[1] Eben im Begriff zu verreisen, schreibe ich Ihnen neuerlich mit fliegender Feder, um Ihnen bloß den geschloßenen Handel mit Göschen zu melden, weil ich hoffen konnte, daß Ihnen diese Nachricht erfreulich sein würde. Wie danke ich Ihnen, mein verehrter Freund, für das reine Intereße, das Sie an dieser Sache nehmen, und für den aufrichtigen Eifer, womit Sie auf die möglichste Vollendung des Gedichts dringen! Wie wünsche ich aber auch, daß es nun wenigstens derselben so nahe gebracht sei, um die Vorhersagung zu verdienen, womit Sie Ihre Anzeige beschließen! Seit anderthalb Jahren habe ich, obgleich durch mehrere Geschäfte u. Pflichten eingeschränkt, meine Schrift mit möglichster Aufmerksamkeit durchmustert; gleichwohl unterwarf ich sie nach Empfang Ihres Briefes einer nochmaligen sorgfältigen Nachglättung und schärferen Prüfung, die mir dadurch erleichtert wurde, daß wir in der Hauptsache auf einem Wege zusammentrafen. [2] Vielleicht wäre ich bei manchen Abänderungen, beim Wegschneiden und Abkürzen noch dreuster zu Werke gegangen, wen̄ ich so glücklich gewesen wäre, mich mit Ihnen persönlich über verschiedenes bereden zu können. Aus Furchtsamkeit aber und Besorgniß, manche vielleicht gelungene Stelle zu mißhandeln, ließ ich solche lieber so stehn, wie sie mir voll und warm aus dem Herzen kam. Der Rausch des Genußes, wißen Sie, giebt unsern geistigen Hervorbringungen so gut, als unsern animalischen, ein eigenthümliches Gepräge, das leicht durch allzugroße Aengstlichkeit verwischt werden kann. Und das kann mein Quinctilius nicht wollen. In Betreff des Versbaues hoffe ich nun künftigen Aristarchen den Handel etwas erschwert zu haben. Auch das Hinübergreifen des Sinns aus einer Zeile in die andere habe ich hier und da, wo es sich, ohne dem Wesentlichen des Gedichts zu nahe zu treten, thun ließ, zu erreichen gestrebt, und nur an ein paar Stellen war es unmöglich, das [3] Aufeinanderfolgen mehrerer amfibrach. Wortfüße, die sich so leicht einstellen, zu vermeiden. Doch habe ich gesorgt, wenigstens alsdan̄ die Zeile mit einem Spondeus zu schließen. Z. E.
Dich vor allen, dich grüßen die Musen vor allen, in Winfelds Thal, o heiliger Bronn,
Inzwischen könnte dieser Hexameter auch ohne dem Sinne zu schaden, also lauten:
Dich vor allen, dich grüßt mein Lied vor allen, in Winfelds
Und wirklich finde ich auch diesen Vers weit annehmlicher als den ersten, der mir eben jetzt erst auffällt, und ich überlaße es Ihnen, ob Sie ihn anstatt der vorigen Lesart abdrucken laßen wollen. Es ist mit der Nachglättung des Versbaues eine eigene Sache. Mann [!] kann sich dieses Geschäft, wenn man will, zur Arbeit der Danaiden verlängern, und ich getraue mir zu behaupten, daß sich Voß, wenigstens mit seiner Odyßee, in Betreff der metrischen Schönheit, heute noch beschäftiget. Schade, daß so sehr wenige Leser den Klang und die [4] Bewegung eines reimfreien Gedichts mitgenießen. Doch die Freude des Gelingens ist ja auch Lohn. In der Episode, die den letzten Gesang beschließt, war vorhin von den Ermunterungsmitteln zur Wiederbelebung Scheintodter im allgemeinen die Rede, in der jetzt ganz abgeänderten, vorher etwas schleppenden Stelle, habe ich nur eines Prüfungsmittels für Scheintodte erwähnt, und zwar eines solchen, welches unter den Physiologen gegenwärtig viel Aufsehn macht, nämlich des Metallreizes, dieser wunderbaren Erscheinung, die, wie einige Gönner derselben glauben, wichtige Offenbarungen in der Heilkunde verspricht. Die zu dieser Stelle gehörige kurze Erläuterung wird hoffentlich keine Dunkelheit übrig laßen. Das daselbst angeführte Buch von Crevé, über den Metallreiz, werden Sie gewiß, wenn Sie es noch nicht kennen, mit Vergnügen lesen. Mir ist lange nichts befriedigenderes über den geheimnißvollen Endpunkt unsers physischen Lebens in den Schriften der Aerzte vorgekommen.
[5] Göschen äußerte den Wunsch das Mspt. so bald als möglich zu erhalten, um den Künstlern die Sujets zum Zeichnen geben zu können, und es ist nunmehr in seinen Händen. Inzwischen wünschte ich noch im dritten Gesange eine Stelle abgeändert, wovon ich Ihnen eine Abschrift beilege, um solche gelegentlich nach Leipzig zu befördern. Auch köm̄t es mir vor, als wenn das Gemählde von der Zeit, welches gleich auf diese Stelle folgen sollte, nicht allein zu gedehnt, sondern überhaupt ein wenig zu grell ausgedrückt wäre. Weg damit. Ich habe dafür eine Gesundheitsregel für die Freunde der Dichtkunst, und eine Warnung für die Dichter selbst gesetzt, und wünsche, daß dieß Ihre Billigung haben möge. Es darf das vorige Blatt bloß aus dem Mspt. herausgeschnitten, das mit der neuen Lesart eingeklebt, und die 13 Zeilen, welche das Bild von der Zeit enthalten, [6] ausgestrichen werden. Meinem Verleger habe ich geschrieben, daß zu einigen Stellen des dritten Gesanges einige Nachbildungen altrömischer Bäder aus dem prächtigen Werke des Engländers Cameron nicht unpaßend sein würden. Meinen Sie nicht auch?
Mit Korn habe ich doch noch einen kleinen Strauß gehabt. Noch ehe Ihre Anzeige erschien, war einmal im Vorbeigehn zwischen mir u. ihm von einer zweiten Auflage meines Gedichts die Rede, und ich fragte ihn, ob er wohl künftig einmal eine zweite Ausgabe zu besorgen gesonnen wäre. Er schien nicht abgeneigt zu sein, doch blieb es bei dieser Frage u. es wurde weiter an nichts gedacht. Kaum war Ihre Anzeige erschienen, so war er gleich bereit, doch ließ ich mich durchaus auf keine Verhandlungen ein, wieß ihn aber auch nicht geradezu ab. Als ich aber Göschens Antrag erhielt, schrieb ich ihm rund heraus, daß ich schon einen andern Verleger habe. [7] Es zeigt sich nun, daß er noch im̄er darauf gerechnet hat, mein Gedicht zu verlegen, weil er, wie er mir schreibt, in Leipzig bekan̄t gemacht, daß er es drucken laßen würde. Er that zwar etwas böse, doch scheint er einzusehn, daß ich vor geschloßenem Handel, und da ich mich über nicht das geringste mit ihm vereiniget habe, mit meinem Eigenthum machen kann, was ich will.
Der Ausdruck in Ihrer Anzeige: es sind Abbildungen fröhlicher Götterfeste auf einem Sarkophag, war mir nicht allein sehr schmeichelhaft, sondern veranlaßte auch folgenden Zusatz:
Dort wo sonst an Lyäus Altar den etrurischen Festkrug
Feurige Knaben bekränzten, und hoch in der Väter Gesang ihn
Priesen, den fröhlichsten Gott, weht schwermuthsvoll, wie um Gräber,
Durch das wankende Schilf im Gesümpf des Frühlings Odem.
Oed ist jetzt und stumm das Gefild u.s.w.
[8] Ueber die sogenannte descriptio poetry bin ich ganz Ihrer Meinung, und ich weiß auch, daß Sie sagen werden, das Studium der Engländer verführe sehr leicht dazu. Was die Ausschmückung meines Gedichts durch Gemählde betrifft, so muß ich Ihnen ferner zugeben, daß Ihre Lieblinge, die Italiener, sich in diesem Stücke mehr der weisen Enthaltsamkeit der Alten nähern, und daß ihre größesten Meister in dieser Hinsicht mit ihren klaßischen Vorfahren wetteifern.
[1] Eben im Begriff zu verreisen, schreibe ich Ihnen neuerlich mit fliegender Feder, um Ihnen bloß den geschloßenen Handel mit Göschen zu melden, weil ich hoffen konnte, daß Ihnen diese Nachricht erfreulich sein würde. Wie danke ich Ihnen, mein verehrter Freund, für das reine Intereße, das Sie an dieser Sache nehmen, und für den aufrichtigen Eifer, womit Sie auf die möglichste Vollendung des Gedichts dringen! Wie wünsche ich aber auch, daß es nun wenigstens derselben so nahe gebracht sei, um die Vorhersagung zu verdienen, womit Sie Ihre Anzeige beschließen! Seit anderthalb Jahren habe ich, obgleich durch mehrere Geschäfte u. Pflichten eingeschränkt, meine Schrift mit möglichster Aufmerksamkeit durchmustert; gleichwohl unterwarf ich sie nach Empfang Ihres Briefes einer nochmaligen sorgfältigen Nachglättung und schärferen Prüfung, die mir dadurch erleichtert wurde, daß wir in der Hauptsache auf einem Wege zusammentrafen. [2] Vielleicht wäre ich bei manchen Abänderungen, beim Wegschneiden und Abkürzen noch dreuster zu Werke gegangen, wen̄ ich so glücklich gewesen wäre, mich mit Ihnen persönlich über verschiedenes bereden zu können. Aus Furchtsamkeit aber und Besorgniß, manche vielleicht gelungene Stelle zu mißhandeln, ließ ich solche lieber so stehn, wie sie mir voll und warm aus dem Herzen kam. Der Rausch des Genußes, wißen Sie, giebt unsern geistigen Hervorbringungen so gut, als unsern animalischen, ein eigenthümliches Gepräge, das leicht durch allzugroße Aengstlichkeit verwischt werden kann. Und das kann mein Quinctilius nicht wollen. In Betreff des Versbaues hoffe ich nun künftigen Aristarchen den Handel etwas erschwert zu haben. Auch das Hinübergreifen des Sinns aus einer Zeile in die andere habe ich hier und da, wo es sich, ohne dem Wesentlichen des Gedichts zu nahe zu treten, thun ließ, zu erreichen gestrebt, und nur an ein paar Stellen war es unmöglich, das [3] Aufeinanderfolgen mehrerer amfibrach. Wortfüße, die sich so leicht einstellen, zu vermeiden. Doch habe ich gesorgt, wenigstens alsdan̄ die Zeile mit einem Spondeus zu schließen. Z. E.
Dich vor allen, dich grüßen die Musen vor allen, in Winfelds Thal, o heiliger Bronn,
Inzwischen könnte dieser Hexameter auch ohne dem Sinne zu schaden, also lauten:
Dich vor allen, dich grüßt mein Lied vor allen, in Winfelds
Und wirklich finde ich auch diesen Vers weit annehmlicher als den ersten, der mir eben jetzt erst auffällt, und ich überlaße es Ihnen, ob Sie ihn anstatt der vorigen Lesart abdrucken laßen wollen. Es ist mit der Nachglättung des Versbaues eine eigene Sache. Mann [!] kann sich dieses Geschäft, wenn man will, zur Arbeit der Danaiden verlängern, und ich getraue mir zu behaupten, daß sich Voß, wenigstens mit seiner Odyßee, in Betreff der metrischen Schönheit, heute noch beschäftiget. Schade, daß so sehr wenige Leser den Klang und die [4] Bewegung eines reimfreien Gedichts mitgenießen. Doch die Freude des Gelingens ist ja auch Lohn. In der Episode, die den letzten Gesang beschließt, war vorhin von den Ermunterungsmitteln zur Wiederbelebung Scheintodter im allgemeinen die Rede, in der jetzt ganz abgeänderten, vorher etwas schleppenden Stelle, habe ich nur eines Prüfungsmittels für Scheintodte erwähnt, und zwar eines solchen, welches unter den Physiologen gegenwärtig viel Aufsehn macht, nämlich des Metallreizes, dieser wunderbaren Erscheinung, die, wie einige Gönner derselben glauben, wichtige Offenbarungen in der Heilkunde verspricht. Die zu dieser Stelle gehörige kurze Erläuterung wird hoffentlich keine Dunkelheit übrig laßen. Das daselbst angeführte Buch von Crevé, über den Metallreiz, werden Sie gewiß, wenn Sie es noch nicht kennen, mit Vergnügen lesen. Mir ist lange nichts befriedigenderes über den geheimnißvollen Endpunkt unsers physischen Lebens in den Schriften der Aerzte vorgekommen.
[5] Göschen äußerte den Wunsch das Mspt. so bald als möglich zu erhalten, um den Künstlern die Sujets zum Zeichnen geben zu können, und es ist nunmehr in seinen Händen. Inzwischen wünschte ich noch im dritten Gesange eine Stelle abgeändert, wovon ich Ihnen eine Abschrift beilege, um solche gelegentlich nach Leipzig zu befördern. Auch köm̄t es mir vor, als wenn das Gemählde von der Zeit, welches gleich auf diese Stelle folgen sollte, nicht allein zu gedehnt, sondern überhaupt ein wenig zu grell ausgedrückt wäre. Weg damit. Ich habe dafür eine Gesundheitsregel für die Freunde der Dichtkunst, und eine Warnung für die Dichter selbst gesetzt, und wünsche, daß dieß Ihre Billigung haben möge. Es darf das vorige Blatt bloß aus dem Mspt. herausgeschnitten, das mit der neuen Lesart eingeklebt, und die 13 Zeilen, welche das Bild von der Zeit enthalten, [6] ausgestrichen werden. Meinem Verleger habe ich geschrieben, daß zu einigen Stellen des dritten Gesanges einige Nachbildungen altrömischer Bäder aus dem prächtigen Werke des Engländers Cameron nicht unpaßend sein würden. Meinen Sie nicht auch?
Mit Korn habe ich doch noch einen kleinen Strauß gehabt. Noch ehe Ihre Anzeige erschien, war einmal im Vorbeigehn zwischen mir u. ihm von einer zweiten Auflage meines Gedichts die Rede, und ich fragte ihn, ob er wohl künftig einmal eine zweite Ausgabe zu besorgen gesonnen wäre. Er schien nicht abgeneigt zu sein, doch blieb es bei dieser Frage u. es wurde weiter an nichts gedacht. Kaum war Ihre Anzeige erschienen, so war er gleich bereit, doch ließ ich mich durchaus auf keine Verhandlungen ein, wieß ihn aber auch nicht geradezu ab. Als ich aber Göschens Antrag erhielt, schrieb ich ihm rund heraus, daß ich schon einen andern Verleger habe. [7] Es zeigt sich nun, daß er noch im̄er darauf gerechnet hat, mein Gedicht zu verlegen, weil er, wie er mir schreibt, in Leipzig bekan̄t gemacht, daß er es drucken laßen würde. Er that zwar etwas böse, doch scheint er einzusehn, daß ich vor geschloßenem Handel, und da ich mich über nicht das geringste mit ihm vereiniget habe, mit meinem Eigenthum machen kann, was ich will.
Der Ausdruck in Ihrer Anzeige: es sind Abbildungen fröhlicher Götterfeste auf einem Sarkophag, war mir nicht allein sehr schmeichelhaft, sondern veranlaßte auch folgenden Zusatz:
Dort wo sonst an Lyäus Altar den etrurischen Festkrug
Feurige Knaben bekränzten, und hoch in der Väter Gesang ihn
Priesen, den fröhlichsten Gott, weht schwermuthsvoll, wie um Gräber,
Durch das wankende Schilf im Gesümpf des Frühlings Odem.
Oed ist jetzt und stumm das Gefild u.s.w.
[8] Ueber die sogenannte descriptio poetry bin ich ganz Ihrer Meinung, und ich weiß auch, daß Sie sagen werden, das Studium der Engländer verführe sehr leicht dazu. Was die Ausschmückung meines Gedichts durch Gemählde betrifft, so muß ich Ihnen ferner zugeben, daß Ihre Lieblinge, die Italiener, sich in diesem Stücke mehr der weisen Enthaltsamkeit der Alten nähern, und daß ihre größesten Meister in dieser Hinsicht mit ihren klaßischen Vorfahren wetteifern.
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