• Wilhelm von Humboldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 25.05.1793
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Wilhelm von Humboldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 25.05.1793
    Printed Text
  • Bibliography: Humboldt, Wilhelm von: Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Hg. und kommentiert von Philip Mattson. Abt. 1: Briefe bis zum Beginn der diplomatischen Laufbahn 1781–1802. Bd. 2: Juli 1791–Juni 1795. Berlin u.a. 2015, S. 154–155.
  • Weitere Drucke: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 652‒654.
  • Incipit: „[1] Berlin, 25. Mai, 1793.
    Ihr Brief, theurer Schlegel, war mir um so erfreulicher, als er mir völlig unerwartet kam, indem [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33865
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.11,Nr.55
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11,6 cm
    Language
  • German
[1] Berlin, 25. Mai, 1793.
Ihr Brief, theurer Schlegel, war mir um so erfreulicher, als er mir völlig unerwartet kam, indem ich mich schon, da Sie einen Brief, den ich gleich nach meiner Verheirathung an Sie nach Göttingen schrieb, ganz unbeantwortet ließen, von Ihnen vergessen glaubte. Desto trauriger aber fand ich den Inhalt, und noch trauriger, als der selbst, ist es, daß ich Ihnen erst so spät eine Antwort geben kann und diese dennoch so unbefriedigend ausfallen muß. An demselben Abend, an dem ich Ihren Brief erhielt, bekam ich einen andren von Ihrer Freundin selbst, in dem sie mir den unglüklichen Vorfall erzählte, und ohngefähr die nemliche Bitte als Sie, an mich that. Denken Sie Sich, liebster Freund, wie sehr mich diese Briefe erschütterten, und wie eifrig ich auf die Mittel dachte, die mir etwa zu Gebote ständen. Leider aber waren dieß nur sehr wenige. Das erste war Dalberg. Dalberg aber sagte mir, daß er schon [2] durch Gotter ein Memoire für sie erhalten, und dem Kurfürsten übergeben habe, und daß er, wie ich auch freilich nur zu genau weiß, mehr zu thun außer Stande sei. Da dieß fehlschlug, schrieb ich an Frau von Pfürdt, die Sie vielleicht unter ihrem französischen Namen Ferrette besser kennen, und mit der ich in Erfurt bekannt geworden war. Von dieser habe ich vor einigen Tagen Antwort erhalten. Sie schreibt mir, daß sie meinen Brief dem Kurfürsten übergeben habe, daß sie sich aber weiter in Justizsachen nicht mengen könne. Indeß sei sie gewiß, daß nach der Uebergabe von Mainz alle Untersuchungen beschleunigt werden würden; wenn gleich vorher nicht leicht eine angefangen werden dürfte. ‒ Sie sehen, mein Bester, wie wenig tröstliche Nachrichten ich Ihnen zu geben im Stande bin. Indeß ist die ganze Lage der Sachen jezt sehr ungünstig. Die Gefahr, der Abfall von Personen, auf die man sicher rechnete, und so manches andre hat ein unüberwindliches Mistrauen erwekt, das Unglük, das die Mainzer durch die Klu[3]bisten erduldet; die Erbitterung, die dadurch bei ihnen entstanden ist, erfordert eine sehr genaue, allen Formen gemäße Untersuchung der Sache auch der bloß im Mindesten Verdächtigen. Wenigstens sind dieß die Gründe, die man anführt. Privatempfehlungen, auch die besten, helfen gewiß nichts, und ich habe daher Mad. Böhmer gerathen, sich von der Hannöverschen Regierung aus Fürsprache zu verschaffen. Sollten Sie vielleicht durch den jungen Arenswald etwas ausrichten können?
Das endliche Schiksal der Gefangenen der Art, wie Mad. Böhmer ist nicht zu fürchten. Ich habe nichts gehört, wodurch sie sich im Mindesten schuldig gemacht hätte, und ich habe viel Grund zu vermuthen, daß man selbst gegen die Schuldigen nachsichtig sein wird. Aber dieß ist und bleibt immer ein leidiger Trost. Ihre jezige Gefangenschaft muß [i]hre Gesundheit untergraben, sezt sie dem Urtheile aller Uebelgesinnten oder Schlechtunterrichteten aus, und beraubt sie noch überdieß der Freude, ihre Mutterpflichten gegen ihre Tochter zu erfüllen. Das Herz blutet mir, wenn [4] ich daran denke; aber leider ist es nur zu wahr, daß ich nun kein Mittel mehr in Händen habe, einen neuen Versuch zu machen. Die Gefangenschaft soll dennoch übrigens von der Art sein, daß die Gefangenen sich jede Bequemlichkeit verschaffen können.
Mancherlei Geschäfte erlauben mir nicht, Ihnen heute mehr zu sagen, theurer Freund. Erhalten Sie mir Ihr Andenken, und lassen Sie mich bald wieder von Ihnen hören. Ewig mit der herzlichsten Achtung und Freundschaft der
Ihrige,
Humboldt.
Meine sichre Adresse ist immer, wo ich auch sein mag:
H. Legationsrath v. H.
auf der Jägerbrükke in
im Humboldtschen Berlin.
Hause.
od:
abzugeben beim in
H. Präsidenten
von
Dacheröden. Erfurt.
[1] Berlin, 25. Mai, 1793.
Ihr Brief, theurer Schlegel, war mir um so erfreulicher, als er mir völlig unerwartet kam, indem ich mich schon, da Sie einen Brief, den ich gleich nach meiner Verheirathung an Sie nach Göttingen schrieb, ganz unbeantwortet ließen, von Ihnen vergessen glaubte. Desto trauriger aber fand ich den Inhalt, und noch trauriger, als der selbst, ist es, daß ich Ihnen erst so spät eine Antwort geben kann und diese dennoch so unbefriedigend ausfallen muß. An demselben Abend, an dem ich Ihren Brief erhielt, bekam ich einen andren von Ihrer Freundin selbst, in dem sie mir den unglüklichen Vorfall erzählte, und ohngefähr die nemliche Bitte als Sie, an mich that. Denken Sie Sich, liebster Freund, wie sehr mich diese Briefe erschütterten, und wie eifrig ich auf die Mittel dachte, die mir etwa zu Gebote ständen. Leider aber waren dieß nur sehr wenige. Das erste war Dalberg. Dalberg aber sagte mir, daß er schon [2] durch Gotter ein Memoire für sie erhalten, und dem Kurfürsten übergeben habe, und daß er, wie ich auch freilich nur zu genau weiß, mehr zu thun außer Stande sei. Da dieß fehlschlug, schrieb ich an Frau von Pfürdt, die Sie vielleicht unter ihrem französischen Namen Ferrette besser kennen, und mit der ich in Erfurt bekannt geworden war. Von dieser habe ich vor einigen Tagen Antwort erhalten. Sie schreibt mir, daß sie meinen Brief dem Kurfürsten übergeben habe, daß sie sich aber weiter in Justizsachen nicht mengen könne. Indeß sei sie gewiß, daß nach der Uebergabe von Mainz alle Untersuchungen beschleunigt werden würden; wenn gleich vorher nicht leicht eine angefangen werden dürfte. ‒ Sie sehen, mein Bester, wie wenig tröstliche Nachrichten ich Ihnen zu geben im Stande bin. Indeß ist die ganze Lage der Sachen jezt sehr ungünstig. Die Gefahr, der Abfall von Personen, auf die man sicher rechnete, und so manches andre hat ein unüberwindliches Mistrauen erwekt, das Unglük, das die Mainzer durch die Klu[3]bisten erduldet; die Erbitterung, die dadurch bei ihnen entstanden ist, erfordert eine sehr genaue, allen Formen gemäße Untersuchung der Sache auch der bloß im Mindesten Verdächtigen. Wenigstens sind dieß die Gründe, die man anführt. Privatempfehlungen, auch die besten, helfen gewiß nichts, und ich habe daher Mad. Böhmer gerathen, sich von der Hannöverschen Regierung aus Fürsprache zu verschaffen. Sollten Sie vielleicht durch den jungen Arenswald etwas ausrichten können?
Das endliche Schiksal der Gefangenen der Art, wie Mad. Böhmer ist nicht zu fürchten. Ich habe nichts gehört, wodurch sie sich im Mindesten schuldig gemacht hätte, und ich habe viel Grund zu vermuthen, daß man selbst gegen die Schuldigen nachsichtig sein wird. Aber dieß ist und bleibt immer ein leidiger Trost. Ihre jezige Gefangenschaft muß [i]hre Gesundheit untergraben, sezt sie dem Urtheile aller Uebelgesinnten oder Schlechtunterrichteten aus, und beraubt sie noch überdieß der Freude, ihre Mutterpflichten gegen ihre Tochter zu erfüllen. Das Herz blutet mir, wenn [4] ich daran denke; aber leider ist es nur zu wahr, daß ich nun kein Mittel mehr in Händen habe, einen neuen Versuch zu machen. Die Gefangenschaft soll dennoch übrigens von der Art sein, daß die Gefangenen sich jede Bequemlichkeit verschaffen können.
Mancherlei Geschäfte erlauben mir nicht, Ihnen heute mehr zu sagen, theurer Freund. Erhalten Sie mir Ihr Andenken, und lassen Sie mich bald wieder von Ihnen hören. Ewig mit der herzlichsten Achtung und Freundschaft der
Ihrige,
Humboldt.
Meine sichre Adresse ist immer, wo ich auch sein mag:
H. Legationsrath v. H.
auf der Jägerbrükke in
im Humboldtschen Berlin.
Hause.
od:
abzugeben beim in
H. Präsidenten
von
Dacheröden. Erfurt.
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