Mein werther Herr Rath. – Von meiner Enthaltsamkeit haben Sie eine zu gute Idee. Wahr ist es, zum Vergnügen zu lesen wird mir selten vergönnt; aber gute Gedichte halt ich doch fest, und laß mich wohl weiter führen als ich sollte. Nur bescheide ich mich, nicht als Beurtheiler, nicht einmal als bloßer Anzeiger aufzutreten; dann müßte ich doch größere Anstrengung dabey brauchen, und ich betrachte ein Geistes- und Kunstwerk mit zu vielem Respect, als daß ich oberflächlich davon sprechen möchte. Ihre Gedichte bleiben gewiß von mir nicht ungelesen; daß ich Sie schätze, und Ihre Muse nicht weniger, sind Sie wohl versichert; und wünschte Ihnen nur eine Lage die Ihren Verdiensten angemessen wäre. Doch auch hier wird die Zeit die Erfüllung guter Wünsche näher bringen. Ich empfehle mich Ihrer fortdauernden Liebe und Freundschaft.
Heyne