Ich läugne es nicht, werther Freund, daß Ihr langes Schweigen mir und uns allen lebhafte Besorgniße erregt hat. In der Ungewißheit, ob Sie durch Geschäffte oder Uebelbefinden abgehalten würden, sahʼ ich jedem Posttage mit dem unruhigsten Verlangen entgegen, und söhnte mich nur dann wieder mit den Täuschungen der Hoffnung aus, als ich durch Luck, von welchem ich höchstens mündliche Nachrichten erwartet hatte, Ihre freundliche Zeilen nebst der interessanten Beilage erhielt. Einige Unruhe erweckte es mir jedoch, als ich bei Eröffnung der Letztern, die sehr wohl bewahrt und versiegelt ankam, statt der 42 Blätter, deren Sie erwähnen, nur 39 fand. In der Gewißheit, daß durch mich nichts verwahrloset worden, da ich gleich im ersten Augenblicke nach Lösung des Siegels die Zählung vornahm, würde es mich doch außerordentlich kränken, wenn Ihre freundschaftliche Mittheilung dieses Werkʼs auch nur entfernt Veranlaßung zu einem Verluste für Sie gäbe. Ich glaube aber um so ehr, daß vielleicht schon im Buchladen eine Verwirrung damit vorgegangen sein kann, da ich das Blatt, wo Virgil und Dante so eben einen Felsengipfel erklimmt haben, und in den feurigen Abgrund hinunter blicken, zweimal antreffe. Ich bewahre das treffliche Werk aufʼs sorgfältigste, und bereite mich durch Hülfe Ihrer Darstellung in den Horen dazu vor, den Damen ein [2] guter Erklärer zu werden. Unsre ganze Gesellschaft dankt Ihnen aufʼs Lebhafteste für den mitgetheilten Genuß dieser Blätter, welche ich Ihnen durch Luck sorgsam bewahrt, wieder zurücksenden werde.
Ob meine Legende vom h.[eiligen] Bonifacius jetzt oder ein andres Mal oder gar nicht gedruckt werden soll, hängt ganz von Ihrer Bestimmung ab. Für den ersten oder zweiten Fall werde ich Ihnen (falls Sie sich nicht früher dagegen erklären) durch Luck noch ein andres geistliches Gedicht überschicken, welches alsdann vielleicht mit Bonifacius und den beiden Arbeiten, die Sie von hier mitnahmen, vereinigt werden könnte, und so einen Band von größerm Umfange bilden würde. Doch hat es damit auf keine Weise Eil. Den Namen Coelestinus hatte ich blos als Klosternamen, ohne anderweitige Beziehung auf den Pabst oder Heiligen angenommen, und er ist mir nicht so sehr an das Herz gewachsen, daß ich ihn nicht mit Freuden gegen einen andern vertauschen wollte, wenn es meinem theuern Meister gefiele, die Firmelung vorzunehmen.
Das Gespräch des Ritters und der Dame steht nebst der Musik, die ich nächstens aufsetzen laßen will, zu ihren Diensten. Da Sie vielleicht Gelegenheit haben, es nach Leipzig zu schicken, soll Ihnen Luck auch dieses mitbringen.
Meine Frau grüßt Sie freundlichst, und war, nächst mir, vor allen über die Ankunft [3] Ihres Briefes erfreut. Sie sieht mit froher Erwartung dem lieblichen Büchlein entgegen, welches Sie ihr verheißen. – Von unsrer aller Gesundheit kann ich Ihnen das Beste sagen. Mein Schwiegervater erwiedert Ihren Händedruck mit lebhaftem Vergnügen über ein so freundliches Andenken. Da, wie ich höre, Bernhardi sich jetzt wieder in Berlin befindet, so bitte ich Sie, auch ihn von uns allen recht herzlich zu grüßen. Vielleicht gewönne er Zeit, uns auf kurz oder lang zu besuchen. Er würde uns sehr erfreuen, und mich, wenn er des Morgens zwischen 11 und 12 kommt, in seine Sprachlehre vertieft finden. Leider weiß ich, daß wir auf Ihren Besuch vor der Hand nicht rechnen dürfen. Erhalten Sie uns nur Ihre Liebe. Ich weiß gewiß die Güte zu schätzen, mit welcher Sie mir zuweilen einen Theil Ihrer kostbaren Zeit widmen, und werde nie so unbescheiden sein, längeres Stillschweigen von Ihrer Seite für Mangel an Theilnahme oder Freundschaft aufzunehmen. Erlauben Sie mir nur, nach wie vor Anfragen über die Kunst an Sie zu richten, und Sie bisweilen zum Richter über meine Arbeiten zu machen.
Ich bin mit inniger Achtung und Liebe
ewig der Ihrige
Fouqué
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