Die Ankunft Ihrer Brüder, geliebteste Freundin, hatte ich schon vor Ihrem Briefe aus andern Nachrichten erfahren, und mich von Herzen darüber gefreut. Denn die Verspätung beunruhigte mich theils Ihretwegen, theils befürchtete ich daß die Beschwerden der Reise in der heißen Jahrszeit einem aus der Gesellschaft eine Krankheit möchten zugezogen haben. Jetzt hoffe ich für Sie alle die günstigsten Wirkungen vom Clima, da die große Hitze nun ziemlich vorüber seyn muß, ohne daß sie irgend einem geschadet. Ihrer Gesundheit, hoffe ich, soll vor dem Eintritt der schlimmen Jahrszeit recht gründlich aufgeholfen seyn. Ob Ihr ältester Bruder die Bäder noch gebrauchen wird, oder durch die bloße Wirkung der anhaltenden Wärme hergestellt zu werden hofft, habe ich aus Ihrem Briefe nicht sehen können. Die Kinder gewöhnen sich am leichtesten, und scheinen ja nach dem was Sie sagen recht herrlich zu gedeihen. Ich kann an diese liebenswürdigen Wesen nicht ohne wahre Erquickung des Herzens denken. Diese Freude muß Ihnen doch auf alle Weise ungetrübt erhalten werden.
Hoffentlich wird unserm Bildhauer Rom sowohl leiblich als geistig gut bekommen. Ich habe mir immer geschmeichelt einen Brief von ihm zu empfangen, ich weiß nicht ob der meinige in München zu ihm gelangt ist. Natürlich wird er sehr beschäftigt seyn, sowohl mit der Betrachtung der Gegenstände, als seinen eignen Planen, Einrichtungen und Arbeiten.
Verzeihen Sie mein Stillschweigen seit einigen Wochen. Den ersten Theil dieser Zeit war ich ganz in mein Gedicht über Rom vertieft. Ich war verdrießlich über dessen langsames Fortrücken und entschlossen nicht eher abzulassen als bis es vollendet wäre. – Hierauf vollendete ich unverzüglich einen ziemlich lang gewordnen Aufsatz für die Allg.[emeine] Lit.[eratur] Zeitung: Artistische und literarische Nachrichten aus Rom. Ich wollte das was Sie und Ihren Bruder betrifft abschreiben um es Ihnen zu schicken, wurde aber bey Absendung des Packets durch den Abgang der Post übereilt. Ich habe von Ihren dichterischen Arbeiten gesprochen, besonders von Florio und Blanscheflur; von Ihres Bruders Herausgabe der Niebelungen; von der Hoffnung durch Sie beyde die Handschriften der Vaticanischen Bibliothek für die Freunde der Altdeutschen Poesie benutzt zu sehen. Ich wünsche daß Sie mit dem was ich gesagt zufrieden seyn mögen.
Die letzte Zeit habe ich in einer unangenehmen Ungewißheit über unsre Plane für den Winter geschwebt. Sie wissen, die Absicht war ihn in einer Französischen Provinzialstadt in der Nähe von Paris zuzubringen, dieß ist nun durch den Krieg und andre Umstände rückgängig geworden, und ich habe dadurch die Hoffnung eingebüßt, ein vierzehn Tage in Paris, und vielleicht einen Theil der Wintermonate mit meinem Bruder zuzubringen. Nach vielen Zweifeln und Überlegungen wird es wohl dabey bleiben, daß wir keine Reise irgend wohin unternehmen, sondern uns ruhig in Genf halten, was mir sehr zuwider ist, doch werde ich die Zeit zu Arbeiten zu benutzen suchen.
Der Krieg, über den die Gerüchte lange geschwankt, scheint nun völlig entschieden. Die Oesterreicher sind in Bayern eingerückt, eine große Russische Armee wird ihnen vermuthlich auf dem Fuße folgen. Ob Preußen sich neutral behaupten kann, ist sehr zweydeutig, es scheint sehr heftig auf der einen Seite von Frankreich, auf der andern von Rußland gedrängt zu werden. Man sagte schon die Französischen Truppen würden Hanover verlassen und die Preußischen einrücken. Dieß wäre ein Beweis von der behaupteten Neutralität des Nordens von Deutschland gewesen, es wird aber jetzt widersprochen. Ergreift der Krieg auch jene Gegenden, so steht bald wieder ganz Europa in Flammen. Der Himmel gebe, daß Neapel nicht darein verwickelt werden mag, sonst könnten Sie in Rom leicht unangenehme Wirkungen davon erfahren. Überhaupt wird der Aufenthalt in Rom nicht mehr so ruhig seyn, weil doch unfehlbar die Lombardey zum Kriegsschauplatze wird.– Die Künstler bedürfen auch Frieden für ihre Beschäftigungen, der Krieg entfernt alle Fremden, und folglich auch die von ihnen herrührenden Bestellungen, von Rom. Alles dieß erfüllt mich mit Sorgen.
Mein Bruder schreibt ziemlich mißmuthig über seine Lage; seine Hoffnungen werden nun vollends rückgängig, denn wer denkt bey solchen Zeiten an gelehrte Anstalten? – Meine gute Mutter ist zwar von ihrem Beinbruch hergestellt, aber doch sehr geschwächt, so daß sie wenig zu Fuße gehen kann.
Von Hufeland habe ich keine Antwort, doch befremdet mich dieß nicht bey seinen vielen Geschäften. Ich bin gewiß ihm so geschrieben zu haben, daß es ihm Eindruck hat machen müssen.
An Fouqué schreibe ich jetzt, und werde ja dann erfahren, ob er noch in einiger Verbindung mit B[ernhardi]. Fast vermuthe ich das Gegentheil aus seiner fortdauernden Wärme für mich. Ich erfahre daß eine kleine Sammlung Romanzen vom Thale Ronceval, die ich mit Vergnügen gelesen, von ihm ist; von den noch übrigen Mitgliedern unsers ehemaligen Zirkels in Berlin, sollen sie nicht mit Beyfall aufgenommen seyn, da giebt doch wohl B.[ernhardi] den Ton an.
Meine Schwester erkundigt sich mit lebhafter Theilnahme nach Ihrem Befinden. Sie hat nebst ihrer Tochter das Carlsbad mit gutem Erfolge gebraucht; sie rühmt daß Augustchens Gesundheit sich sehr gestärkt, und daß sie jetzt in Munterkeit und Spielen ihre Kindheit nachhohlt.
Mein Bruder freut sich sehr über Ihre Wahl von Florio und Blanscheflur, und hegt große Erwartungen davon. – Ich hoffe Sie werden, wenn Sie die letzte Hand an dieses liebliche Werk gelegt, mir die Abschrift davon für den Druck zu machen auftragen.
Von Frommann habe ich wegen Egidio und Isabella noch keine Antwort, und daher zum zweytenmale geschrieben, im Fall etwa mein erster Brief nicht zurecht gekommen wäre. Der Regierungsrath Voigt ist freylich nahe bey Leipzig, und verliert also nicht so viel Zeit wie ich mit dem Erwarten der Antworten. Sobald Sie es mir auftragen, werde ich das Manuscript mit einem Briefe an ihn senden.
Mit dem Shakespear und Calderon haben Sie sehr recht, ich mache mich selbst alle Tage daran. Aber wenn eine solche Arbeit eine Zeitlang unterbrochen, so geht man schwer an den Entschluß sich wieder in das Joch zu spannen. – Zudem habe ich eine Leidenschaft zu Studien über die alte Geschichte, den Ursprung der Völker und Sprachen gefaßt, die ihrer Natur nach endlos sind. Ich kann mich Tagelang in Lateinische Etymologieen vertiefen. Indessen rechne ich gewiß, daß auf Ostern ein neuer Band von Shakespear und der 2te vom Calderon erscheinen soll.
Meine Elegie ist ziemlich lang geworden, 300 Verse, und hat mir fast so viel Zeit gekostet als ein ganzes Buch. Ich habe sie an Mad. Unger geschickt, mit der Empfehlung sie unverzüglich und schön abzudrucken, was sie hoffentlich übernehmen wird. Zugleich habe ich den Auftrag ertheilt eine Anzahl Exemplare an die Freunde in Rom zu befördern. Sollte sich dieß verzögern, so müßte ich mich zu einer Abschrift entschließen, was mir allerdings hart fällt. Ich bin sehr begierig, zu erfahren wie dieß Gedicht, das ganz auf dem Standpunkte des Alterthums geschrieben ist, Ihnen und Ihren Brüdern gefallen wird.
Geben Sie mir doch Nachricht von Tiecks Almanach, ob und wann und wie er erscheint? Hätte ich früher davon gewußt, so hätte ich wohl Beyträge liefern können. Den von meinem Bruder herausgegebnen habe ich noch nicht, doch muß er abgedruckt seyn.
Wir haben diesen Sommer wie gewöhnlich viel Gesellschaft hier gehabt. Verschiedne Fremde, unter andern war Chateaubriand auf einige Stunden hier, der sehr geistreich und liebenswürdig ist. Dann alle durchreisenden Prinzen; der Erbprinz von Bayern hat mir wieder wie in Rom viel Wohlwollen bezeugt. Ich wollte er wäre so gescheidt und verschaffte meinem Bruder eine Stelle bey der Münchner Akademie; aber der Krieg verhindert an dergleichen zu denken, er ist plötzlich aus der Schweiz weggereist. Die Genfer Gesellschaft gefällt mir aber gar nicht, darum werde ich mich möglichst zurückziehn, und studiren. Für jetzt genieße ich noch die Landluft, die Aussicht auf den See und unsern herrlichen Park; ich reite ziemlich oft und bade mich im See, um nicht alle jugendlichen Gewöhnungen zu verlieren.
Der älteste Staël ist in Paris in einer Pension, ich habe also bloß für den zweyten zu sorgen, der sich liebenswürdig entwickelt. Er war sonst sehr wild und flatterhaft; da man findet, daß das Leben mit mir wohlthätig auf ihn wirkt, so macht es mir auch wieder Freude.
Grüßen Sie Knorring aufs freundschaftlichste von mir; die Werke von St. Martin müssen erst von Paris kommen, hier ist fast nichts davon.
Sagen Sie Wilhelm, daß ich mit höchster Ungeduld einen Brief von seiner Hand erwarte, und daß wir bey der nächsten Zusammenkunft viele gelehrte Geschichten vom gehörnten Siegfried u. s. w. mit einander lesen wollen. Fragen Sie Felix von meinetwegen, ob er nicht ein wenig Italiänisch spricht, und ob er sich noch so entrüstet, wenn man ihn Antonio nennt. Ich herze die lieben Engel, und grüße die Freunde sämtlich aufs beste. Leben Sie tausendmal wohl. Ich habe wenigstens durch die Länge meines Briefes mein Stillschweigen wieder gut zu machen gesucht.