• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Coppet · Date: 29.10.1805
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 29.10.1805
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 241‒243.
  • Incipit: „[1] Mein werther und verehrter Freund!
    Es ist mir unaussprechlich wohl, daß das alte freundliche Verhältniß zwischen Sie, ihren Bruder, und mich, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,6
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,3 x 18,9 cm
    Language
  • German
[1] Mein werther und verehrter Freund!
Es ist mir unaussprechlich wohl, daß das alte freundliche Verhältniß zwischen Sie, ihren Bruder, und mich, die so gern im Sinn ihres theuren Verstorbnen eingeth so ganz wieder hergestellt ist. Glauben Sie mir, daß die Stöhrung desselben meinem treflichen Unger, bis zum Erkranken angrif; und daß er noch in den lezten Zeiten, oft darüber sprach, wie es ihm geschienen habe, daß Ihrer Seits nicht ganz das alte herzliche Vertrauen wieder eingetreten sei? er sprach mit Wehmuth darüber; und lebte gern in der Erinnrung der Freuden die uns Ihr Auffenthalt mein theurer Freund bei uns gewährt hatte.
Sie erhalten Rom, und das Poetische Taschenbuch. möchte auch das äußre, an dem wir unsern Fleiß wendeten, und unsre kluge Köpfe zusammen stekten, Ihrer Erwartung entsprechen. Eine kleinere Ausgabe zu veranstalten, schien mir entweihend für die Schönheit des Gedichtes. Ich habe auf Groß velin, und klein Französisch velin druken lassen; HE. Spalding hat gütigst die correktur besorgt, und mir auch eine sehr schöne würdevolle Anzeige [2] für die Zeitung gemacht, welche sie künftig (da sie jezt noch nicht abgedrukt ist) erhalten. Auf wenige Urtheile können Sie etwas geben. Die Bedeutenden z. B. aus der jenaischen Zeitung sollen Sie erfahren, die Kläffer fallen weg. Gerührt hat es mich, daß gestern Zelter mir einen so warmen Dank für das Entzüken brachte, welches Rom ihm macht, welches dem glich, womit ich Ihnen dankte. Es ist alles an seinen addressen besorgt, bis auf Wenige, die nicht zu finden waren. Einige sind mit der Garnison ausmarschirt, Einer gestorben, bei andern haben Sie mein Freund zwar die Hausnummer aber nicht die Straße bemerkt usw.
Ueber die Theile vom Shakespear, lasse ich Ihnen eine vollständige Note aufsetzen. Mein Gedächtniß ist zu siebartig, um mit Ehren bestehen zu können. Sie werden mich freundschaftlich verbinden mein Freund, wenn Sie das Honorar von der vorgestrekten Summe abrechnen. Bei uns sind elende Zeiten; und statt Zahlungen bekomme ich Entschuldigungen. Ich hoffe dieser Zustand soll sich lösen. Schon lange discomptirt unsre Banc nicht mehr, und es erfolgt ein wichtiger Banquerot über dem andern. Nie weiß mann von einer [3] solchen Sperre des baaren Geldes. Meine Geldverlegenheiten entstehen mir zum Theil durch Woltmann, für den ich eine Summe von 2200 Th. für die mein armer Unger gut gesagt hatte, bezahlt habe. Habe ich in Ansehung dieses Menschen, einen groben Irrthum gehabt, so fällt nun auch, der ganze Fluch auf mich zurük. Nein mein Freund, nie war Unger für ihn eingenommen; er mochte ihn eigentlich gar nicht: es war die höchste Großmuth die ihn antrieb, der reinste Edelmuth. Ich, ich war die Närrin, die seine gaucherie für Bescheidenheit; die rusticität mit der er mir die gröbsten Dinge ins Gesicht sagte, für Ehrlichkeit hielt. Nie fiel es mir ein, daß hinter dieser Rohheit, so planmäßiger Lug und Trug verborgen sein könne. Da er so viel von Unger, zu erhalten strebte und erhielt, erschien mir die Grobheit, die ich von ihm erfuhr, um desto mehr als Beweiß eines edlen uneigennützigen Benehmens. Er veranlaßte, daß mein lieber Unger der bis dahin Abends ausser dem Hause war, zu Hause blieb, und sich bei mir gefiel. So hatte ich meinen Gatten wieder, und einen Haußfreund der ihn angenehm unterhielt. Der Irrthum wurde auch an meiner Seite, bald gehoben. Aber mein Unger fuhr fort, ihn mit schweren Aufopferungen zu halten. sobald der Undankbare alles was er durch uns zu [4] erhalten strebte, erhalten hatte, stieß er uns aus. Wir waren ihm nichts mehr; und er jagte jedem falschen Schimmer nach. Jezt steth er, ob schon mit mancher äußern diplomatischen Dignität bekleidet am Rande des Abgrund, worin ihm eine tolle Heirath mit der geschiednen Müchler noch schneller fördern wird.
Von dem Werke von Steffens, der nun in Halle docirt, werde ich Ihnen Nachricht zu schaffen suchen. Fichte ist seit einiger Zeit wieder in Berlin und lebt in Stille und Abgeschiedenheit. Sie finden so wie Ihr Bruder gewiß in Berlin der Freunde viel, die sich Ihrer mit hoher Achtung und Liebe erinnern: wenn schon die Frösche im Sumpfe dazu quaken.
Ich habe meine Bibliothek dem Russischen Kaiser angeboten (der jezt hier ist) nachdem unser König, sie mir refüsirt hat. Sollte ich sie versteigern müssen, sollen Sie zeitig Nachricht und einen Katalog erhalten.
Glücklicher Mann, der im friedlichen Lande wohnt; bei Musen und Grazien seines schönen Daseins froh wird! ich? ich lebe im Kanonen Lande, und um mich her, ist Waffen Getöß. Leben Sie wohl. Der Empfang Ihrer Briefe ist mir wie sonst, ein Festtag. Gönnen Sie mir sie oft und denken heiter und freundlich Ihrer
herzlichen Freundin
Unger
Berlin d. 29. Octb.
1805
[1] Mein werther und verehrter Freund!
Es ist mir unaussprechlich wohl, daß das alte freundliche Verhältniß zwischen Sie, ihren Bruder, und mich, die so gern im Sinn ihres theuren Verstorbnen eingeth so ganz wieder hergestellt ist. Glauben Sie mir, daß die Stöhrung desselben meinem treflichen Unger, bis zum Erkranken angrif; und daß er noch in den lezten Zeiten, oft darüber sprach, wie es ihm geschienen habe, daß Ihrer Seits nicht ganz das alte herzliche Vertrauen wieder eingetreten sei? er sprach mit Wehmuth darüber; und lebte gern in der Erinnrung der Freuden die uns Ihr Auffenthalt mein theurer Freund bei uns gewährt hatte.
Sie erhalten Rom, und das Poetische Taschenbuch. möchte auch das äußre, an dem wir unsern Fleiß wendeten, und unsre kluge Köpfe zusammen stekten, Ihrer Erwartung entsprechen. Eine kleinere Ausgabe zu veranstalten, schien mir entweihend für die Schönheit des Gedichtes. Ich habe auf Groß velin, und klein Französisch velin druken lassen; HE. Spalding hat gütigst die correktur besorgt, und mir auch eine sehr schöne würdevolle Anzeige [2] für die Zeitung gemacht, welche sie künftig (da sie jezt noch nicht abgedrukt ist) erhalten. Auf wenige Urtheile können Sie etwas geben. Die Bedeutenden z. B. aus der jenaischen Zeitung sollen Sie erfahren, die Kläffer fallen weg. Gerührt hat es mich, daß gestern Zelter mir einen so warmen Dank für das Entzüken brachte, welches Rom ihm macht, welches dem glich, womit ich Ihnen dankte. Es ist alles an seinen addressen besorgt, bis auf Wenige, die nicht zu finden waren. Einige sind mit der Garnison ausmarschirt, Einer gestorben, bei andern haben Sie mein Freund zwar die Hausnummer aber nicht die Straße bemerkt usw.
Ueber die Theile vom Shakespear, lasse ich Ihnen eine vollständige Note aufsetzen. Mein Gedächtniß ist zu siebartig, um mit Ehren bestehen zu können. Sie werden mich freundschaftlich verbinden mein Freund, wenn Sie das Honorar von der vorgestrekten Summe abrechnen. Bei uns sind elende Zeiten; und statt Zahlungen bekomme ich Entschuldigungen. Ich hoffe dieser Zustand soll sich lösen. Schon lange discomptirt unsre Banc nicht mehr, und es erfolgt ein wichtiger Banquerot über dem andern. Nie weiß mann von einer [3] solchen Sperre des baaren Geldes. Meine Geldverlegenheiten entstehen mir zum Theil durch Woltmann, für den ich eine Summe von 2200 Th. für die mein armer Unger gut gesagt hatte, bezahlt habe. Habe ich in Ansehung dieses Menschen, einen groben Irrthum gehabt, so fällt nun auch, der ganze Fluch auf mich zurük. Nein mein Freund, nie war Unger für ihn eingenommen; er mochte ihn eigentlich gar nicht: es war die höchste Großmuth die ihn antrieb, der reinste Edelmuth. Ich, ich war die Närrin, die seine gaucherie für Bescheidenheit; die rusticität mit der er mir die gröbsten Dinge ins Gesicht sagte, für Ehrlichkeit hielt. Nie fiel es mir ein, daß hinter dieser Rohheit, so planmäßiger Lug und Trug verborgen sein könne. Da er so viel von Unger, zu erhalten strebte und erhielt, erschien mir die Grobheit, die ich von ihm erfuhr, um desto mehr als Beweiß eines edlen uneigennützigen Benehmens. Er veranlaßte, daß mein lieber Unger der bis dahin Abends ausser dem Hause war, zu Hause blieb, und sich bei mir gefiel. So hatte ich meinen Gatten wieder, und einen Haußfreund der ihn angenehm unterhielt. Der Irrthum wurde auch an meiner Seite, bald gehoben. Aber mein Unger fuhr fort, ihn mit schweren Aufopferungen zu halten. sobald der Undankbare alles was er durch uns zu [4] erhalten strebte, erhalten hatte, stieß er uns aus. Wir waren ihm nichts mehr; und er jagte jedem falschen Schimmer nach. Jezt steth er, ob schon mit mancher äußern diplomatischen Dignität bekleidet am Rande des Abgrund, worin ihm eine tolle Heirath mit der geschiednen Müchler noch schneller fördern wird.
Von dem Werke von Steffens, der nun in Halle docirt, werde ich Ihnen Nachricht zu schaffen suchen. Fichte ist seit einiger Zeit wieder in Berlin und lebt in Stille und Abgeschiedenheit. Sie finden so wie Ihr Bruder gewiß in Berlin der Freunde viel, die sich Ihrer mit hoher Achtung und Liebe erinnern: wenn schon die Frösche im Sumpfe dazu quaken.
Ich habe meine Bibliothek dem Russischen Kaiser angeboten (der jezt hier ist) nachdem unser König, sie mir refüsirt hat. Sollte ich sie versteigern müssen, sollen Sie zeitig Nachricht und einen Katalog erhalten.
Glücklicher Mann, der im friedlichen Lande wohnt; bei Musen und Grazien seines schönen Daseins froh wird! ich? ich lebe im Kanonen Lande, und um mich her, ist Waffen Getöß. Leben Sie wohl. Der Empfang Ihrer Briefe ist mir wie sonst, ein Festtag. Gönnen Sie mir sie oft und denken heiter und freundlich Ihrer
herzlichen Freundin
Unger
Berlin d. 29. Octb.
1805
×
×