Ew. Hochwohlgebohren sage ich meinen wärmsten Dank für Ihren freundschaftlichen Brief vom 19ten Februar. Ihrem Rathe gemäß sende ich heute ein Schreiben an Se. Exe. Herrn Minister von Altenstein, nebst einem vorläufigen Bericht über die Mittel, das Studium der Indischen Sprache und Litteratur in Deutschland gründlich einzuführen.
Nichts wird die Begünstigung meiner Entwürfe nachdrücklicher fördern können, als die Vorträge eines Kenners wie Sie über die wissenschaftliche Wichtigkeit dieses neuen Zweiges orientalischer Philologie.
Es ist mir bloß um die Sache zu thun: für mich begehre ich weiter nichts als neue Arbeiten, und auf eine Zeitlang einige Muße, um diese Arbeiten erst so weit zu fördern, daß ich sie nachher neben meinem gewöhnlichen Lehrfache bestreiten könne.
Ich will Ihnen meine Wünsche ganz offen darlegen. Ich möchte gern diesen Sommer meine systematische Sprachvergleichung vollenden, welche unter dem Titel: Etymologicum novum s.[ive] Synopsis linguarum, Indicae, Graecae, Latinae, Gothicae, Anglosaxonicae, Francicae et cetera erscheinen soll, und wodurch [2] ich mich sowohl bei den classischen Philologen als bey den Kennern des Indischen zu legitimiren hoffe.
Dazu wäre es aber nöthig, daß mir erlaubt würde, den Sommer über weniger Vorlesungen als gewöhnlich, etwa bloß die öffentlichen, zu geben.
Auf den nächsten Winter wünschte ich beauftragt zu werden Indische Typen in Paris verfertigen zu lassen, wobey ich zugleich die dortigen Manuscripte wieder benutzen könnte. Im Frühlinge käme ich dann mit meinen Schätzen nach Deutschland zurück, und es würde rüstig zum Werke geschritten.
Die Reise von hieraus, und den Aufenthalt in Paris, vorausgesetzt daß er in die Jahrszeit welche meine Freunde, Herr von Staël und der Herzog und die Herzogin von Broglie dort zubringen, in deren Hause immer ein Zimmer für mich bereit steht, denke ich von meinem Gehalt bestreiten zu können.
Es ist in der That hohe Zeit, daß mit dem Studium der Indischen Denkmale Ernst gemacht werde. Es wird in Deutschland Mode, darüber mitzusprechen, ohne die Sprache zu kennen, und zu welchen Verirrungen dieß führt, davon sehen wir ein beklagenswerthes Bespiel in der Vorhalle des sonst schätzbaren Ritters.
Auch für das größere Publicum hoffe ich manches erfreuliche in frey nach meiner Weise behandelten Indischen Dichtungen ans Licht zu fördern.
Es ist entschieden mein Lieblingsfach geworden. Sollte es mir nicht gelingen, unsre Gönner dafür zu interessiren, [3] so werde ich dennoch so viel darin zu leisten suchen, als mit meinen Kräften und Mitteln möglich ist. Aber freylich bleibt dann alles precär, und wir bleiben in der Abhängigkeit vom Auslande.
Verzeihen Sie diesen flüchtigen in der Eile geschriebenen Brief. Erhalten Sie mir, ich bitte angelegentlich darum, Ihre wohlwollenden Gesinnungen, und empfangen Sie die Versicherungen der ausgezeichnetsten Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlgeb.
gehorsamster
A. W. von Schlegel
Bonn d. 6ten März
1820