• Henriette Mendelssohn to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Bonn · Date: 17. November [1822]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Mendelssohn
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 17. November [1822]
  • Notations: Datum (Jahr) erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 393‒395.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 30. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Epoche der Zeitschrift Concordia (6. November 1818 ‒ Mai 1823). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Eugène Susini. Paderborn 1980, S. 388‒389.
  • Incipit: „[1] D 17 November [1822]
    Verehrter Freund
    Ich bin seit wenigen Tagen in Paris, und es war hier mein erstes angelegenes Geschäft mich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34292
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.15,Nr.43
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. u. U. u. Adresse
  • Format: 24,1 x 18,7 cm
    Language
  • German
  • French
[1] D 17 November [1822]
Verehrter Freund
Ich bin seit wenigen Tagen in Paris, und es war hier mein erstes angelegenes Geschäft mich mit Ihrer Nichte bekannt zu machen. Sie war gütig genug mich schon zweimahl zu besuchen, da meine langweilige Unpäßlichkeit mich am Ausgehen verhindert. Es ist nicht zu sagen wie sehr mir ihre Erscheinung und ihr ganzes zartes, unschuldiges kinderreines Wesen gefällt, ich kan diesen angenehmen Eindruck blos mit dem höchst mißfälligen vergleichen den Herr von Buttlar auf mich macht! Mit höchster Erlaubniß aller bürgerlichen Freiheit und Rechte, könnte ich mir um so eines Mannes willen, die Zeit der lettres de Cachet zurückwünschen, ich würde alles anwenden um solch einen Urias Brief zu erlangen, um mich der Gesellschaft Ihrer Nichte, ohne der häßlichen Zugabe zu erfreuen. Fanny Sebastiani meinte, si lʼon peut juger sur les figures, voilà un ange au pouvoir dʼun diable. – Uebrigens haben Ihre Freunde seit gestern eine Wohnung bezogen in der die liebe Frau recht fleißig zu arbeiten denkt. Ich freue mich sehr etwas von ihren Arbeiten, und vorzüglich das Bild das sie von Ihnen angefangen zu sehn. Sie wird Ihnen selbst sagen, wie artig Gérard schon gewesen. Den Brief [2] an die Gräfin S.[ainte] Au.[laire] habe ich gestern dieser Freundin zugeschickt, sie ist noch auf dem Lande.
Und so wären wir denn theurer Freund, auf eine recht angenehme Weise wieder in Verbindung. Ich will aber diese günstige Schickung nicht blos zu meinem Vergnügen benutzen sondern es mir angelegen sein lassen Sie über Ihren Bruder aufzuklären dem Sie doch wohl Unrecht thun, wenn Sie ihn eines andern Unrechts als der Trägheit beschuldigen. Ich schicke Ihnen zu diesem Zwecke ein Zettelchen daß ich vor mehreren Monaten erhalten, und dessen Inhalt Ihnen genugsam beweisen wird wie sehr Ihrem Bruder an Ihrer Meinung und Liebe gelegen ist. – Ich hätte Ihnen allerdings diese Zeilen sogleich zuschicken sollen, ich konnte aber unmöglich glauben daß nachdem die erste Anregung geschehen er Ihnen nicht sogleich selbst geschrieben haben sollte. Ich antwortete ihm damals daß bloße Zufälligkeiten daran Schuld sein können wenn Sie ihm seit jenem Briefe den ich mit Ihrer Bewilligung vernichtet habe, nicht geschrieben haben. Ich hielt es für meine Pflicht Ihre Meinung weiter nicht zu erörtern, obwohl ich jezt nun ich sein Buch über neuere Geschichte gelesen habe Ihr Erstaunen über ihn wohl begreife! Doch lieber Freund! Was ist alle Politik? gewähren Sie diesem engen Menschen Werk den Triumph nicht, das innige Verhältniß zweier vortreffli[3]chen Brüder gestört zu haben! und wenn ich Ihnen auch zugebe daß jedes Unrecht auf Friedrichs Seite ist, meinen Sie daß seine Religion es billigt, wenn er sich von Trägheit und üblen Gewohnheiten beherrschen läßt, und sagt die indische Lehre nichts von Geduld und Nachsicht? – Nun, lassen Sie mich darauf rechnen daß Sie mit Ihrem Bruder wieder anknüpfen, Sie finden doch auf der Erde nichts besseres als brüderliche Liebe! –
Frau von Buttlar hat mir von Ihrem großen Hause, Ihrer schönen Einrichtung ganz auf französische Weise, und von Ihrer bewundrungswürdigen Thätigkeit viel erzählt. Aber warum ziehen Sie Sich so ganz von aller Geselligkeit zurück? und warum wollen Sie troz dem besseren Rath der Aerzte, sich nicht körperliche Bewegung verschaffen? – Ich weiß leider die Antwort auf diese Frage sehr wohl, es ist die höchste Langweiligkeit seine Gesundheit spazieren zu führen, und über die Sorge für die Erhaltung alles andre zu vernachlässigen. Da wir aber nun einmahl mit unsern Neigungen in stetem Kampf leben sollen, so thun Sie es, gehn Sie spazieren und leben Sie dann wohl und bei steter Gesundheit. –
Fanny ist sehr erbittert auf Sie wegen des Vorwurfs des Stolzes den Sie Ihr gemacht, sie trägt mir aber dennoch Grüße an Sie auf.
Ganz die Ihrige
Marie Mendelsohn
[4] [Adresse]
[1] D 17 November [1822]
Verehrter Freund
Ich bin seit wenigen Tagen in Paris, und es war hier mein erstes angelegenes Geschäft mich mit Ihrer Nichte bekannt zu machen. Sie war gütig genug mich schon zweimahl zu besuchen, da meine langweilige Unpäßlichkeit mich am Ausgehen verhindert. Es ist nicht zu sagen wie sehr mir ihre Erscheinung und ihr ganzes zartes, unschuldiges kinderreines Wesen gefällt, ich kan diesen angenehmen Eindruck blos mit dem höchst mißfälligen vergleichen den Herr von Buttlar auf mich macht! Mit höchster Erlaubniß aller bürgerlichen Freiheit und Rechte, könnte ich mir um so eines Mannes willen, die Zeit der lettres de Cachet zurückwünschen, ich würde alles anwenden um solch einen Urias Brief zu erlangen, um mich der Gesellschaft Ihrer Nichte, ohne der häßlichen Zugabe zu erfreuen. Fanny Sebastiani meinte, si lʼon peut juger sur les figures, voilà un ange au pouvoir dʼun diable. – Uebrigens haben Ihre Freunde seit gestern eine Wohnung bezogen in der die liebe Frau recht fleißig zu arbeiten denkt. Ich freue mich sehr etwas von ihren Arbeiten, und vorzüglich das Bild das sie von Ihnen angefangen zu sehn. Sie wird Ihnen selbst sagen, wie artig Gérard schon gewesen. Den Brief [2] an die Gräfin S.[ainte] Au.[laire] habe ich gestern dieser Freundin zugeschickt, sie ist noch auf dem Lande.
Und so wären wir denn theurer Freund, auf eine recht angenehme Weise wieder in Verbindung. Ich will aber diese günstige Schickung nicht blos zu meinem Vergnügen benutzen sondern es mir angelegen sein lassen Sie über Ihren Bruder aufzuklären dem Sie doch wohl Unrecht thun, wenn Sie ihn eines andern Unrechts als der Trägheit beschuldigen. Ich schicke Ihnen zu diesem Zwecke ein Zettelchen daß ich vor mehreren Monaten erhalten, und dessen Inhalt Ihnen genugsam beweisen wird wie sehr Ihrem Bruder an Ihrer Meinung und Liebe gelegen ist. – Ich hätte Ihnen allerdings diese Zeilen sogleich zuschicken sollen, ich konnte aber unmöglich glauben daß nachdem die erste Anregung geschehen er Ihnen nicht sogleich selbst geschrieben haben sollte. Ich antwortete ihm damals daß bloße Zufälligkeiten daran Schuld sein können wenn Sie ihm seit jenem Briefe den ich mit Ihrer Bewilligung vernichtet habe, nicht geschrieben haben. Ich hielt es für meine Pflicht Ihre Meinung weiter nicht zu erörtern, obwohl ich jezt nun ich sein Buch über neuere Geschichte gelesen habe Ihr Erstaunen über ihn wohl begreife! Doch lieber Freund! Was ist alle Politik? gewähren Sie diesem engen Menschen Werk den Triumph nicht, das innige Verhältniß zweier vortreffli[3]chen Brüder gestört zu haben! und wenn ich Ihnen auch zugebe daß jedes Unrecht auf Friedrichs Seite ist, meinen Sie daß seine Religion es billigt, wenn er sich von Trägheit und üblen Gewohnheiten beherrschen läßt, und sagt die indische Lehre nichts von Geduld und Nachsicht? – Nun, lassen Sie mich darauf rechnen daß Sie mit Ihrem Bruder wieder anknüpfen, Sie finden doch auf der Erde nichts besseres als brüderliche Liebe! –
Frau von Buttlar hat mir von Ihrem großen Hause, Ihrer schönen Einrichtung ganz auf französische Weise, und von Ihrer bewundrungswürdigen Thätigkeit viel erzählt. Aber warum ziehen Sie Sich so ganz von aller Geselligkeit zurück? und warum wollen Sie troz dem besseren Rath der Aerzte, sich nicht körperliche Bewegung verschaffen? – Ich weiß leider die Antwort auf diese Frage sehr wohl, es ist die höchste Langweiligkeit seine Gesundheit spazieren zu führen, und über die Sorge für die Erhaltung alles andre zu vernachlässigen. Da wir aber nun einmahl mit unsern Neigungen in stetem Kampf leben sollen, so thun Sie es, gehn Sie spazieren und leben Sie dann wohl und bei steter Gesundheit. –
Fanny ist sehr erbittert auf Sie wegen des Vorwurfs des Stolzes den Sie Ihr gemacht, sie trägt mir aber dennoch Grüße an Sie auf.
Ganz die Ihrige
Marie Mendelsohn
[4] [Adresse]
· Beiliegender Brief Dritte an Dritte , [Frühjahr 1822]
· Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Gesammelt und erläutert von Josef Körner. Berlin 1926, S. 414–415.
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