Mit inniger Verehrung und Anhänglichkeit
Ihr
gehorsamer Freund
Dr J. Schulze
Burgstraße Nom. 20
Berlin
den 18ten November
1826
[3] N. S. Als ich im Begriff war, diesen Brief auf die Post zu senden, erhalte ich Ihr mir überaus werthes Schreiben vom 12ten d. M., welches ich wenigstens der Hauptsache nach noch im Folgenden beantworten will. – Ihren Reiseplan kann ich nicht genug loben; dasselbe gilt von Ihrer Absicht hier Vorlesungen zu halten. Als Mitglied der K. Akademie der Wissenschaften haben Sie das statutenmäßige Recht, bei der hiesigen Universität Vorlesungen halten zu können, und man wird Ihnen wegen Einräumung eines Auditorii keine Schwierigkeiten zu machen im Stande seyn. Sobald aber auch Damen an den Vorlesungen Theil nehmen sollen, würden Sie in der Nothwendigkeit seyn, einen schicklichen Saal außerhalb der Universität zu suchen. – Doch kann ich Ihnen nicht verhehlen, daß es mir aus mehreren Gründen bedenklich scheint, auch Damen zu Ihren Vorlesungen zuzulassen; seit der Errichtung der Universität sind hier von bedeutenden Männern, so viel ich weiß, keine Vorlesungen vor Damen gehalten worden; die desfallsigen Versuche der Herrn von Holthey und Franz Horn machen zwar eine Ausnahme, die ich indessen nicht zur Nachahmung empfehlen mögte. – In jedem Falle freue ich mich aufs lebhafteste, Sie, mein hochverehrter Freund, in einigen Monaten hier wieder zu sehen; mein persönliches Verhältniß zu Ihnen ist mir ungeachtet des nur kurzen Aufenthalts in Bonn so theuer geworden, daß ich dasselbe auf alle Weise weiter auszubilden wünsche.
Die Zumuthung des Herrn Bartholdi ist höchst unangemessen; irre ich nicht, so ist er ein ehemaliger Jude, der hier zum Christenthum bekehrt worden; und dieser Gattung von Leuten, die sich ungemein vermehrt, ist, wie ich leider aus Erfahrung weiß, [4] eine ungemeine Zudringlichkeit eigen, und sie machen Ansprüche, die ins Lächerliche gehen; es ist gar nicht ungewöhnlich, daß sie sich in der ersten der besten Geld-Verlegenheit unmittelbar selbst an den König wenden. Ueber den H. Bartholdi werde ich nähere Erkundigungen einziehen, und ihm, wenn er es verdient, zu helfen suchen. – Alles, was man Gutes, Treffliches und Ausgezeichnetes von einem Manne rühmen kann, habe ich von Ihnen einem jeden gesagt, und so will ich fortfahren, weil ich Sie eben so sehr verehre als liebe. Aber muthen Sie mir nicht zu, den freigebigsten, gefälligsten und uneigennützigsten Mann einen Knicker zu schelten. Doch will ich Sorge tragen, daß Ihnen von hier nicht wieder Bartholdische Zumuthungen gemacht werden. – Kann der Minister Herr von Altenstein Ihnen in Betreff der Fortführung des Râmâyána irgend eine Erleichterung gewähren, so dürfen Sie Sich versichert halten, daß es ihm eine wahre Freude macht, und er gewiß keinen Weg, der zum Ziele führt, unversucht läßt. Seinen Dank für die letzten Hefte der Indischen Bibliothek werden Sie erhalten haben. – Ich bitte Sie, doch in dem Katholiken (Band 21. Heft 8. August. Seite 208ff.) die treffliche von Görres verfaßte Beurtheilung der Schrift: Lebens- und Todeskunden über J. H. Voß, herausgegeben von Paulus zu lesen.
Boeckh, von welchem ich eben komme, empfiehlt sich Ihrem wohlwollenden Andenken und bittet mit mir um gefällige Beiträge zu unserer Litteratur Zeitung. Bopp hat für das erste Heft die Beurtheilung der Grammatik von Grimm geliefert. Auch der Minister von Humboldt hat sich zu Beiträgen bereit erklärt; die neueste Schrift von Thiersch über gelehrte Schulen ist von mir für das erste Heft beurtheilt. Hegel hat die Abhandlung des Herrn von Humboldt über Bhagavad Gita angezeigt.
Schulze