• August Wilhelm von Schlegel to Ludwig Tieck

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Dresden · Date: 17.09.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Ludwig Tieck
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Dresden
  • Date: 17.09.1801
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Hg. v. Edgar Lohner auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition. München 1972, S. 90‒92.
  • Incipit: „[1] Jena, den 17. September 1801
    Liebster Freund!
    Es ist mir sehr angenehm, daß du einmal wieder ein Zeichen des Lebens giebst. Dein [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(18)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,8 x 11,9 cm
    Language
  • German
[1] Jena, den 17. September 1801
Liebster Freund!
Es ist mir sehr angenehm, daß du einmal wieder ein Zeichen des Lebens giebst. Dein Bruder ist vor beynahe 14 Tagen in Weimar angekommen. Am Dienstage vor acht Tagen fuhr er mit Catel (der in Weimar am Schlosse Arbeit hat, und bey dem er wohnt) nach Jena herüber, ich war aber gerade denselben Tag nach Weimar geritten um ihn aufzusuchen, und verfehlte ihn also dort. Das schlechte Wetter hielt mich ab, den Abend noch wieder zurück zu reiten, ich brachte also den Tag bey Goethe zu, und kam am andern Morgen nach Jena zurück. Glücklicher Weise hatte mich dein Bruder abgewartet, und blieb nun ein paar Tage bey uns. Ich habe ihn gleich sehr lieb gewonnen, wir sind wie alte Bekannte. Dein eingeschloßnes Blatt an ihn habe ich gleich mit der ersten Post nach Weimar geschickt, er wird es nun aber doch noch nicht erhalten haben, denn ich erhielt gleich Morgens darauf ein Billet von ihm hier aus dem Wirtshause, er sey mit Catel wieder hier durchgekommen, aber ohne sich aufzuhalten; sie gingen [2] nach Schwarzburg, und würden den 18ten oder 19ten wieder hier eintreffen. Da werde ich ihm alsdann den Inhalt deines Blattes mündlich sagen. Er verläßt Weimar noch nicht so gleich, weil er Goethes Büste machen wird, wozu dieser ihm 8 Tage sitzen muß; doch er wird dir das nächstens genauer schreiben.
Hier sind wiederum Aushängebogen vom Almanach. Es wird rasch fortgedruckt, in 14 Tagen ist alles fertig. Du versprichst noch Beyträge: sie müßten sehr bald ankommen, um noch mit hinein geordnet zu werden. Deine Schwester meldet mir von einem Gedichte für den Almanach, das sie an dich geschickt; ich hoffe du wirst es nicht aufgehalten haben, es würde noch sehr willkommen seyn.
Liebster Freund, die Correcturen kosten mir sehr viel Zeit und Mühe, ich bin dafür bekannt, ein genauer Abschreiber und Corrector zu seyn; wenn du aber deine Gedichte ganz fehlerfrey gedruckt haben willst, mußt du für bessere Handschriften sorgen. Ich hätte dich die Romanze nur sollen abschreiben lassen, sagst du; als wenn ich dir nicht täglich darum angelegen hätte, so lange du in Berlin warst, ich predigte aber tauben Ohren. [3] Nachher reistest du weg und vergaßest sie; man fand das Manuskript unter weggeworfenen Papieren, so daß es überhaupt nur durch einen Zufall gerettet ist. Ich fand es mislich, dir es zu überschicken, ohne vorher eine Abschrift zu nehmen; es konnte verloren gehen, und wer war im Stande zu weißagen, wann du einmal die Abschrift schicken würdest. Ich nahm also die Mühe über mich, ich bin doch sonst ziemlich geübt deine Hand zu lesen, dießmal überstieg ihre Schlechtigkeit aber allen Begriff, und wenn bey der Enträthselung dieser seltsamen Chiffern nicht mehr Versehen vorgefallen sind, so ist es immer ein Glück. Das eine, was du anders wünschest, ist eine völlig veränderte Leseart, die du erst jezt bestimmt angiebst; was du mir darüber nach Berlin schriebst, war so, daß ich nichts daraus zu nehmen wußte. Daß die ausgelassene Strophe wirklich im Manuscripte steht, davon kann ich mich kaum überzeugen. Was die andern Fehler betrifft, so habe ich die Aushängebogen nicht hier, um nachzusehen: ich habe sie Goetheʼn gelassen. Die eine Stelle habe ich so [4] construirt: „Wir sind Sünder, daß (damit) wir in den Tod die Lilienblume lieben.“ Wie du die Lilienblume construiren willst, wenn du leben schreibst, kann ich mir aus dem Gedächtnisse gar nicht vorstellen. –
Kurz, du wirst künftig wohl mehr Sorge anwenden müssen. Es ist keine Billigkeit darin, daß du selbst deine Produkte so straußenähnlich verwahrlosest und dann willst, daß dieß andre nachhohlen sollen.
Durch die Art, wie du unsre bisherigen Misverständnisse erwähnst, ist natürlich alles beseitigt. Es ist aber doch besser, wenn man Ursachen der Unzufriedenheit zu haben glaubt, daß man sie an den Tag legt, so ist nachher alles weggeräumt. Ich habe immer noch über deinen Lakonismus zu klagen. Wie es nun eigentlich mit der Herausgabe von Hardenbergs Nachlaß steht, darüber schreibst du nicht eine Sylbe. So habe ich es auch erst von Friedrich erfahren müssen, daß eine große Anzahl von geistlichen Liedern von ihm vorhanden ist. In der That, dieß sieht nicht freundschaftlich aus. – Da in dem Inhaltsverzeichnisse bey dem Namen Novalis etwas von seinem Tode erwähnt werden muß, so gebe ich dir anheim, dieß aufzusetzen, und dabey die zu erwartende Herausgabe des Nachlasses anzukündigen. Du müßtest es aber unverzüglich mit der ersten Post schikken, sonst ist es zu spät. –
Schütze hat mir keine Vollmacht gegeben, seinen Namen auszudrucken, sondern die Abkürzung verlangt. Viele Grüße an deine Frau.
Dein
AWS.
[1] Jena, den 17. September 1801
Liebster Freund!
Es ist mir sehr angenehm, daß du einmal wieder ein Zeichen des Lebens giebst. Dein Bruder ist vor beynahe 14 Tagen in Weimar angekommen. Am Dienstage vor acht Tagen fuhr er mit Catel (der in Weimar am Schlosse Arbeit hat, und bey dem er wohnt) nach Jena herüber, ich war aber gerade denselben Tag nach Weimar geritten um ihn aufzusuchen, und verfehlte ihn also dort. Das schlechte Wetter hielt mich ab, den Abend noch wieder zurück zu reiten, ich brachte also den Tag bey Goethe zu, und kam am andern Morgen nach Jena zurück. Glücklicher Weise hatte mich dein Bruder abgewartet, und blieb nun ein paar Tage bey uns. Ich habe ihn gleich sehr lieb gewonnen, wir sind wie alte Bekannte. Dein eingeschloßnes Blatt an ihn habe ich gleich mit der ersten Post nach Weimar geschickt, er wird es nun aber doch noch nicht erhalten haben, denn ich erhielt gleich Morgens darauf ein Billet von ihm hier aus dem Wirtshause, er sey mit Catel wieder hier durchgekommen, aber ohne sich aufzuhalten; sie gingen [2] nach Schwarzburg, und würden den 18ten oder 19ten wieder hier eintreffen. Da werde ich ihm alsdann den Inhalt deines Blattes mündlich sagen. Er verläßt Weimar noch nicht so gleich, weil er Goethes Büste machen wird, wozu dieser ihm 8 Tage sitzen muß; doch er wird dir das nächstens genauer schreiben.
Hier sind wiederum Aushängebogen vom Almanach. Es wird rasch fortgedruckt, in 14 Tagen ist alles fertig. Du versprichst noch Beyträge: sie müßten sehr bald ankommen, um noch mit hinein geordnet zu werden. Deine Schwester meldet mir von einem Gedichte für den Almanach, das sie an dich geschickt; ich hoffe du wirst es nicht aufgehalten haben, es würde noch sehr willkommen seyn.
Liebster Freund, die Correcturen kosten mir sehr viel Zeit und Mühe, ich bin dafür bekannt, ein genauer Abschreiber und Corrector zu seyn; wenn du aber deine Gedichte ganz fehlerfrey gedruckt haben willst, mußt du für bessere Handschriften sorgen. Ich hätte dich die Romanze nur sollen abschreiben lassen, sagst du; als wenn ich dir nicht täglich darum angelegen hätte, so lange du in Berlin warst, ich predigte aber tauben Ohren. [3] Nachher reistest du weg und vergaßest sie; man fand das Manuskript unter weggeworfenen Papieren, so daß es überhaupt nur durch einen Zufall gerettet ist. Ich fand es mislich, dir es zu überschicken, ohne vorher eine Abschrift zu nehmen; es konnte verloren gehen, und wer war im Stande zu weißagen, wann du einmal die Abschrift schicken würdest. Ich nahm also die Mühe über mich, ich bin doch sonst ziemlich geübt deine Hand zu lesen, dießmal überstieg ihre Schlechtigkeit aber allen Begriff, und wenn bey der Enträthselung dieser seltsamen Chiffern nicht mehr Versehen vorgefallen sind, so ist es immer ein Glück. Das eine, was du anders wünschest, ist eine völlig veränderte Leseart, die du erst jezt bestimmt angiebst; was du mir darüber nach Berlin schriebst, war so, daß ich nichts daraus zu nehmen wußte. Daß die ausgelassene Strophe wirklich im Manuscripte steht, davon kann ich mich kaum überzeugen. Was die andern Fehler betrifft, so habe ich die Aushängebogen nicht hier, um nachzusehen: ich habe sie Goetheʼn gelassen. Die eine Stelle habe ich so [4] construirt: „Wir sind Sünder, daß (damit) wir in den Tod die Lilienblume lieben.“ Wie du die Lilienblume construiren willst, wenn du leben schreibst, kann ich mir aus dem Gedächtnisse gar nicht vorstellen. –
Kurz, du wirst künftig wohl mehr Sorge anwenden müssen. Es ist keine Billigkeit darin, daß du selbst deine Produkte so straußenähnlich verwahrlosest und dann willst, daß dieß andre nachhohlen sollen.
Durch die Art, wie du unsre bisherigen Misverständnisse erwähnst, ist natürlich alles beseitigt. Es ist aber doch besser, wenn man Ursachen der Unzufriedenheit zu haben glaubt, daß man sie an den Tag legt, so ist nachher alles weggeräumt. Ich habe immer noch über deinen Lakonismus zu klagen. Wie es nun eigentlich mit der Herausgabe von Hardenbergs Nachlaß steht, darüber schreibst du nicht eine Sylbe. So habe ich es auch erst von Friedrich erfahren müssen, daß eine große Anzahl von geistlichen Liedern von ihm vorhanden ist. In der That, dieß sieht nicht freundschaftlich aus. – Da in dem Inhaltsverzeichnisse bey dem Namen Novalis etwas von seinem Tode erwähnt werden muß, so gebe ich dir anheim, dieß aufzusetzen, und dabey die zu erwartende Herausgabe des Nachlasses anzukündigen. Du müßtest es aber unverzüglich mit der ersten Post schikken, sonst ist es zu spät. –
Schütze hat mir keine Vollmacht gegeben, seinen Namen auszudrucken, sondern die Abkürzung verlangt. Viele Grüße an deine Frau.
Dein
AWS.
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