Ich mußte sie flüchtig lesen, weil B.[ecker] sie mir nicht schicken konnte, und eben ausgehn wollte; doch genung, um mich sehr daran zu laben. An dem Ton finde ich durchaus nichts auszusetzen, er ist vollendet, und besonders ist der Tadel einigemal äusserst glücklich gesagt. Ganz vorzüglich hat mir gefallen was Du über den Inhalt von Natur und Schule sagst, und auch den Abschnitt über die Elegie fand ich sehr interessant. Nur scheinst Du hier beynahe gegen die moderne Elegie ungerecht. Scheint Dir Schillers Erklärung und Herleitung [2] des Elegischen Dichters befriedigend? Ich bin im Wesentlichen völlig damit einverstanden. Meine Meynung über die alte Elegie wirst Du in der zweiten Abhandlung ziemlich vollständig finden. Die Eintheilung der Dichtarten scheint mir überhaupt der fruchtbarste aber auch der schwierigste Theil der Theorie zu seyn – wenn nicht alles ist, wie es sollte, aber auch der gefährlichste. Wehe dem Kenner, der sein System mehr liebt als die Schönheit, wehe dem Theoristen, dessen System so unvollständig und schlecht ist, daß er die Geschichte zerstören muß, um es aufrecht zu erhalten!
Im Ganzen genommen, wüßte ich nichts an Deiner Rezension, was ich anders wünschte. Wenn die Anzeige des Inhalts hie und da kürzer gefaßt, oder ganz weggeblieben wäre, so würdest Du mehr Raum für den Detail behalten haben, für prosodische Bemerkungen, deren Du einige sehr in[3]teressante giebst, u.s.w. Hat Dich der Dante, bey dem diese Auszüge zweckmäßig sind, etwa hierin verwöhnt?
Ich wünsche, daß Du öfter ein klassisches Werk beurtheilen möchtest. Es muß Dir nach diesem Anfang leicht werden, eine grosse Vortreflichkeit im Urtheilen zu erlangen. Ich würde an Deiner Stelle den Meister für die Allgemeine Litteratur-Zeitung rezensiren, und mir wenigstens das Recht vorbehalten, zurück zu schicken, was ich nicht möchte. Denn darin ist die A[llgemeine] Litt.[eratur-]Z[eitung] wie der Schaafstall Christi, daß Gutes und Schlechtes darin aufgenommen wird.
Mehr kann ich Dir für heute nicht sagen, weil ich mich nicht recht wohl befinde, und etwas unheiter gestimmt bin. Dieß ist auch die Ursache, warum ich heute nicht an Kar.[oline] schreibe. Grüsse Sie herzlich, und danke Ihr noch für Ihren letzten Brief. Ich sehe mit Verlangen einem Briefe von Euch entgegen. Ich werde aber auch bald wieder schreiben. [4] Ich habe mich seither zur Uebersetzung des Lysias vorbereitet, und damit eine Zeit zugebracht. Es ist mein Fehler, daß ich alles so schwerfällig treibe. Indessen hoffe ich, daß die Einleitung gut werden soll.
Du schreibst uns doch Deinen Entschluß recht bald in Betreff der Reise?
So oft mich Becker sieht, bittet er um Gedichte von Dir fürs Taschenbuch. Er fürchtet Du möchtest Dich durch Schiller von ihm abtrünnig machen. Die Szene aus Romeo hat er wieder von sich gegeben, ob wohl es hart hielt. Ich habe sie heute an Michaelis geschickt. An der letzten, meynte Körner, die Alexandriner wären länger als das Metrum des Originals. Mir sind die abgekürzten Verse auch beynahe lieber, die ich K.[örner] nicht zeigen konnte, weil sie in dem Briefe standen.
Kar[oline] sage, der Theremin sur les interets politiques de lʼAngleterre relativement aux pouvoirs continentales sey kein Kochbuch, sondern eine [5] äusserst originelle und ideenreiche Charakteristik der Engländer, worin ihre Verschiedenheit von den Europäern, ihre Ähnlichkeit mit den Japanern, Chinesen und Juden sehr launicht entwickelt wird.
Sage mir vom Ruhnken. Lebt er noch? Er ist ein Aechter von der rechten Art. Ich laß s.[eine ep[istula] crit[ica] de or[atoribus] Gr[aecis]. Mann, sprich mir von Ruhnken. Er ist von der Wolfischen Art.
Lebt wohl, Ihr Glücklichen, und schreibt mir bald.
Friedrich.
Habt Ihr meine Rez.[ension] des Kant gelesen?
Daß die Sch.[illersche] Elegie ein lyrisches Ganzes sey, hast Du mir doch noch nicht zur Genüge bewiesen. Die ,philosophischen Epigrammeʻ haben mir sehr gefallen.
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