• Ludwig Ferdinand Huber to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Stuttgart · Place of Destination: Jena · Date: 09.01.1800 bis 11.01.1800
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Ludwig Ferdinand Huber
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Stuttgart
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 09.01.1800 bis 11.01.1800
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 362657327
  • Bibliography: Geiger, Ludwig: Dichter und Frauen. Neue Sammlung. Berlin 1899, S. 114‒116.
  • Incipit: „[1] Stuttgard, 9. Jan. 1800.
    Ei nun, es gehen wohl mehr Leute schriftlich und mündlich mit einander um, die im Herzen von [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33865
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.11,Nr.3
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 23,1 x 19,1 cm
    Language
  • German
  • French
  • English
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Stuttgard, 9. Jan. 1800.
Ei nun, es gehen wohl mehr Leute schriftlich und mündlich mit einander um, die im Herzen von einander halten, was wir einer von dem andern zu halten uns nun laut erklärt haben! Daß Ihre Meinung von meiner Einfalt erst mit meinem lezten Briefe an Sie, und mit meiner Rezension ihren Anfang genommen hat, da Sie doch vorher weit Mehreres von mir gelesen und gehört hatten, soll mich keinesweges irre machen. Ich meines Theils halte Sie eben so wenig wie mich selbst für einfältig. So z. B. ist Ihre Persiflage der Rezension des hyperb. Esels in ihrer Art allerliebst. Die Anmerkung über die leise Berührung dessen was ich in meinem Briefe an Sie für höchst schändlich erklärt hätte, konnten Sie sich indessen ersparen, da in dem Briefe an Sie manches auch ganz anders von mir qualifizirt wurde, als in der Rezension des Atheneums. Wenn die Rezension des kleinen Husaren endlich einmal erscheint und Ihnen den versprochenen Spaß macht, werden Sie finden, daß ich nicht leise berühre was mir eine kräftigere Berührung zu fordern scheint. So wenig ich, nach Carolinens Urtheil und Wissen, von griechischer Sprache, von Philosophie und Poesie, kurz von Allem worinn Ihr Meister seid, verstehe, so bin und bleibe ich nichtsdestoweniger überzeugt, daß die großen Dinge, auf welche es Euch bei allen Euren Bestrebungen ankommt, wenn sie würklich groß, und so groß sind, daß ich nicht die entfernteste Ahndung davon habe, unmöglich durch den kleinen Husaren, durch die Fragmente, den Blütenstaub, den literarischen Reichs Anzeiger, die harte, schwerfällige, äußerst ungöthische Poesie der Uebersezungen aus dem Griechischen, u. s. w. befördert werden können – ja, daß selbst das Beste was Ihr treibt, Eure feinen Kritiken von Lafontaine und andern, Eure geniesbarsten Aufsäze im Athenäum, noch gar sehr weit von Beförderung großer Dinge entfernt ist.
[2] Ich bleibe doch dabei: es kommt vielleicht eine Zeit, wo Sie finden werden, daß tolle oder preziöse Floskeln, harte Verse, ausschließliche Prätensionen im Bewundern und Herabsezen u. dgl. m., eine weit ärgere und pedantischere Pedanterei ausmachen, als die Pedanterei der Billigkeit. Uebrigens sind Sie in Ihrem jezigen Wesen ganz konsequent, indem Sie diese meine Pedanterei, und den daraus erwachsenden, tragischen Ton meines ersten Briefs persifliren. Diese Ihre Konsequenz habe ich als sehr wahrscheinlich angenommen, wie ich ihn schrieb; nunmehr ist mirʼs ganz recht, die Sache von meiner Seite, wie Sie von der Ihrigen, au comique zu nehmen.
Was meine freie und unbefangne Meinung über das Athenäum, die Lucinde u. s. w., mit dem gegenwärtigen, ungeheuren Streit der Finsterniß mit dem Licht, des Despotismus mit der Freiheit, des Schlendrians mit der Vernunft, was er mit Bonaparte und Paul mit Sièyes und Pitt, zu schaffen hat, bin ich ganz at a loss zu errathen. Euer Styl, Eure Verse, Eure Gedanken sind neu, kräftig, fließend, natürlich, klar, oder sie sind es nicht: dabei dünkt mich Aristokratismus und Demokratismus nicht das Mindeste zu thun zu haben, außer wie etwa Collot dʼHerbois die Lyoner als zu mitraillirende Aristokraten ansah weil sie ihn auf dem Theater ausgepfiffen hatten. Die Lyoner waren würklich arge Aristokraten und so mag es unter Euern Gegnern manchen Feind, oder doch zweideutigen Freund des Lichts und der Freiheit geben; das aber, womit sie bei Euch zu thun haben, hat mit dem Licht und der Freiheit nicht mehr zu schaffen thun als Collots Spiel auf der Bühne. All mein billiges Rezensiren, all Eure erzdeutsche Ueberdeutschheit, wird für das Glük und die Vervollkommnung der künftigen Geschlechter von sehr geringem Gewicht seyn.
Ich bin zu galant, um zu sagen, daß ein Brief von einer Dame des Zurükschikens an seinen Eigenthümer nicht werth ist; ich bin zu aufrichtig um das Zurükschiken ausdrüklich zu fordern: ich wiederhole also [3] blos, was ich auf den Fall, daß ihn Caroline nicht etwa lieber wiederhätte, geschrieben habe.
Leben Sie recht wohl.
L. F. Huber
11 Jan.
Ich schrieb Ihnen Obiges in erster Stimmung nach Empfang Ihres Briefs, eilte aber nicht es abzuschiken, da es nichts Pressantes war. Eben aber schikt mir Cotta einen Brief von Ihnen nebst einer Erklärung Ihres Bruders. Dies ist etwas zu Ernsthaftes, als daß ich säumen möchte, Ihnen eine Abschrift von meiner Erklärung zu schiken, die ich in diesem Augenblik an Cotta sende, mit der Bitte, beide baldmöglichst in einer Beilage abdruken zu lassen. Der Ton unsrer sonstigen Verhältnisse gehört hieher nicht; ich nehme auch nicht den Schatten einer Möglichkeit an, daß Sie an der Wahrheit eines oder Ihr Bruder an der Wahrheit eines einzigen Worts meiner Erklärung zweifeln ... könnten. Als ich die Anzeige in der Beilage las, war mir die materielle Möglichkeit eines Misverständnisses einen Augenblik widrig eingefallen, noch stärker aber die moralische Unmöglichkeit. Lieb ist mirs daß nach Ihres Bruders Erklärung Falk unschuldig ist; sie scheint auf Reinhard zu gehen, der mir nicht eingefallen war – doch zu solch einer Erz Infamie hätte ich Falk für zu gut gehalten.
[4] An Herrn
Herrn A. W. Schlegel
in
Jena.
[1] Stuttgard, 9. Jan. 1800.
Ei nun, es gehen wohl mehr Leute schriftlich und mündlich mit einander um, die im Herzen von einander halten, was wir einer von dem andern zu halten uns nun laut erklärt haben! Daß Ihre Meinung von meiner Einfalt erst mit meinem lezten Briefe an Sie, und mit meiner Rezension ihren Anfang genommen hat, da Sie doch vorher weit Mehreres von mir gelesen und gehört hatten, soll mich keinesweges irre machen. Ich meines Theils halte Sie eben so wenig wie mich selbst für einfältig. So z. B. ist Ihre Persiflage der Rezension des hyperb. Esels in ihrer Art allerliebst. Die Anmerkung über die leise Berührung dessen was ich in meinem Briefe an Sie für höchst schändlich erklärt hätte, konnten Sie sich indessen ersparen, da in dem Briefe an Sie manches auch ganz anders von mir qualifizirt wurde, als in der Rezension des Atheneums. Wenn die Rezension des kleinen Husaren endlich einmal erscheint und Ihnen den versprochenen Spaß macht, werden Sie finden, daß ich nicht leise berühre was mir eine kräftigere Berührung zu fordern scheint. So wenig ich, nach Carolinens Urtheil und Wissen, von griechischer Sprache, von Philosophie und Poesie, kurz von Allem worinn Ihr Meister seid, verstehe, so bin und bleibe ich nichtsdestoweniger überzeugt, daß die großen Dinge, auf welche es Euch bei allen Euren Bestrebungen ankommt, wenn sie würklich groß, und so groß sind, daß ich nicht die entfernteste Ahndung davon habe, unmöglich durch den kleinen Husaren, durch die Fragmente, den Blütenstaub, den literarischen Reichs Anzeiger, die harte, schwerfällige, äußerst ungöthische Poesie der Uebersezungen aus dem Griechischen, u. s. w. befördert werden können – ja, daß selbst das Beste was Ihr treibt, Eure feinen Kritiken von Lafontaine und andern, Eure geniesbarsten Aufsäze im Athenäum, noch gar sehr weit von Beförderung großer Dinge entfernt ist.
[2] Ich bleibe doch dabei: es kommt vielleicht eine Zeit, wo Sie finden werden, daß tolle oder preziöse Floskeln, harte Verse, ausschließliche Prätensionen im Bewundern und Herabsezen u. dgl. m., eine weit ärgere und pedantischere Pedanterei ausmachen, als die Pedanterei der Billigkeit. Uebrigens sind Sie in Ihrem jezigen Wesen ganz konsequent, indem Sie diese meine Pedanterei, und den daraus erwachsenden, tragischen Ton meines ersten Briefs persifliren. Diese Ihre Konsequenz habe ich als sehr wahrscheinlich angenommen, wie ich ihn schrieb; nunmehr ist mirʼs ganz recht, die Sache von meiner Seite, wie Sie von der Ihrigen, au comique zu nehmen.
Was meine freie und unbefangne Meinung über das Athenäum, die Lucinde u. s. w., mit dem gegenwärtigen, ungeheuren Streit der Finsterniß mit dem Licht, des Despotismus mit der Freiheit, des Schlendrians mit der Vernunft, was er mit Bonaparte und Paul mit Sièyes und Pitt, zu schaffen hat, bin ich ganz at a loss zu errathen. Euer Styl, Eure Verse, Eure Gedanken sind neu, kräftig, fließend, natürlich, klar, oder sie sind es nicht: dabei dünkt mich Aristokratismus und Demokratismus nicht das Mindeste zu thun zu haben, außer wie etwa Collot dʼHerbois die Lyoner als zu mitraillirende Aristokraten ansah weil sie ihn auf dem Theater ausgepfiffen hatten. Die Lyoner waren würklich arge Aristokraten und so mag es unter Euern Gegnern manchen Feind, oder doch zweideutigen Freund des Lichts und der Freiheit geben; das aber, womit sie bei Euch zu thun haben, hat mit dem Licht und der Freiheit nicht mehr zu schaffen thun als Collots Spiel auf der Bühne. All mein billiges Rezensiren, all Eure erzdeutsche Ueberdeutschheit, wird für das Glük und die Vervollkommnung der künftigen Geschlechter von sehr geringem Gewicht seyn.
Ich bin zu galant, um zu sagen, daß ein Brief von einer Dame des Zurükschikens an seinen Eigenthümer nicht werth ist; ich bin zu aufrichtig um das Zurükschiken ausdrüklich zu fordern: ich wiederhole also [3] blos, was ich auf den Fall, daß ihn Caroline nicht etwa lieber wiederhätte, geschrieben habe.
Leben Sie recht wohl.
L. F. Huber
11 Jan.
Ich schrieb Ihnen Obiges in erster Stimmung nach Empfang Ihres Briefs, eilte aber nicht es abzuschiken, da es nichts Pressantes war. Eben aber schikt mir Cotta einen Brief von Ihnen nebst einer Erklärung Ihres Bruders. Dies ist etwas zu Ernsthaftes, als daß ich säumen möchte, Ihnen eine Abschrift von meiner Erklärung zu schiken, die ich in diesem Augenblik an Cotta sende, mit der Bitte, beide baldmöglichst in einer Beilage abdruken zu lassen. Der Ton unsrer sonstigen Verhältnisse gehört hieher nicht; ich nehme auch nicht den Schatten einer Möglichkeit an, daß Sie an der Wahrheit eines oder Ihr Bruder an der Wahrheit eines einzigen Worts meiner Erklärung zweifeln ... könnten. Als ich die Anzeige in der Beilage las, war mir die materielle Möglichkeit eines Misverständnisses einen Augenblik widrig eingefallen, noch stärker aber die moralische Unmöglichkeit. Lieb ist mirs daß nach Ihres Bruders Erklärung Falk unschuldig ist; sie scheint auf Reinhard zu gehen, der mir nicht eingefallen war – doch zu solch einer Erz Infamie hätte ich Falk für zu gut gehalten.
[4] An Herrn
Herrn A. W. Schlegel
in
Jena.
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