• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Bonn · Date: 26.12.1818
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 26.12.1818
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 30. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Epoche der Zeitschrift Concordia (6. November 1818 ‒ Mai 1823). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Eugène Susini. Paderborn 1980, S. 44‒47.
  • Incipit: „[1] Wien, den 26ten December 1818.
    Geliebter Bruder! Deine beiden Briefe vom 8ten und 13ten sind gleich nach einander angekommen, so daß [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.225
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20 x 11,7 cm
    Language
  • German
[1] Wien, den 26ten December 1818.
Geliebter Bruder! Deine beiden Briefe vom 8ten und 13ten sind gleich nach einander angekommen, so daß ich nun, nachdem ich mich wenigstens etwas dazu gefaßt und gesammelt habe, beyde zugleich beantworten will.– Deine Eröffnung hat mich mit der tiefsten Bekümmerniß erfüllt und innerlich erschüttert; denn so arg hatte ich es mir doch nicht gedacht, obwohl manches was Du mir in dem letzten Beysammenseyn sagtest, noch mehr aber das was ich in Heidelberg selbst sah, mich schon mit mancher Besorgniß erfüllt hatte. Der Himmel wolle ferneres Unglück verhüten; was ich mir kaum denken mag, so innig leid würde es mir seyn, Deinetwegen und auch Sophiens wegen: denn das ist wohl klar, daß wenn es zu einer Katastrophe kommen, wenn der Unverstand was doch kaum glaublich ist, so weit gehen sollte, so wäre doch auch das Glück und die Blüthe ihres Lebens für immer getrübt und zerstört.– Mein Rath kann nach reifer Ueberlegung nicht anders als sehr einfach seyn. Das erste ist, daß ein solches Mißverhältniß durchaus nur persönlich gehoben und geschlichtet werden kann. O könnte ich doch nur Deinem Wunsche entsprechen, und wollte sich doch nur eine Möglichkeit zeigen, daß ich zugleich [2] mit Dir dort seyn könnte. Ich denke doch, ich würde viel auf die Mutter vermögen, und selbst zwischen Dir und Sophien könnte meine brüderliche Gegenwart wohlthätig und zu gegenseitigem beßerm Verständniß und liebevoller Klarheit einiges mitwirken. Eines kann ich Dir jedoch nicht verschweigen; ich glaube Du irrst Dich darin, wenn Du glaubst, daß die Aufhetzungen der Mutter auch ganz bey Seite gesetzt, in Sophieens Seele selbst gar nichts vorhanden und seit Eurer Verbindung entstanden sey, was <für> die Harmonie störend ist, oder als so wirkend empfunden wird. Ich sah das zu deutlich den Tag, da ich in Heidelberg war; ich sah es mit Schmerz und wie gern wäre ich noch geblieben, aber was ließ sich hoffen in einem oder doch in wenigen Tagen wirken zu können, bey einer so viel verschlungenen Verwirrung der ersten und innersten Verhältniße. Auch fühlte ich mich denn wieder durch den Drang meiner eignen Lage weiter getrieben, das Herz war auch mir schwer, und in der Nähe von Frankf.[urt] hätte ich doch höchstens noch einen Tag zugeben können, was viel zu wenig war, um einen Erfolg zu hoffen. [3] Daß manches in Sophieen vorging, was mir bange machte, bemerkte ich deutlich; unter andern sagtest Du ihr einmal etwas in einem kalten, hofmeisternden Tone, es war eine Kleinigkeit, ich glaube, sie hatte etwas fallen laßen; und ich bemerkte wohl den Eindruck, den es auf sie machte. Es würde mir weniger mißfallen haben, wenn sie gegen Dich aufgefahren wäre, als diese tiefe, schweigende Unzufriedenheit. Eine leidenschaftliche Beleidigung oder Verletzung verzeihen die Weiber leicht, aber diesen kalten, hofmeisternden Ton können sie selten leiden; es ist das wahre Mittel, sich ihr Herz zu entfremden. Und glaube nur nicht, daß zärtliche Liebkosungen und die Fülle der feurigen Umarmung dieses im innersten Grunde des Herzens ganz wegnehmen und völlig heilen können, wenn sie es auch zu desto größerer Täuschung auf eine Zeitlang verdecken und vergeßen machen.– Gern gebe ich Dir zu, daß es der Gipfel des Unverstandes seyn würde, wenn eine junge Frau nach einer Heirath von ein paar Wochen, durch einige Deiner Manieren, die ihr nun einmal als vornehme Verwöhnung, [4] vielleicht als <Aeußerung der> Eitelkeit und Selbstsucht, oder was das schlimmste von allem ist, als Herzenskälte erscheinen, sich von einem Manne wollte abwendig machen laßen, <von> Deinen Eigenschaften, Deinem Werthe und der Liebenswürdigkeit, die sie doch vor der Verbindung recht gut erkannt hat, von einem Manne endlich, den sie selbst gewählt und so wohl gekannt hat, und dem sie so das Jawort gegeben hatte. Ich bin auch überzeugt, daß ohne die Aufhetzungen der Mutter, dieser Schatten von Mißvergnügen in der Seele Deiner Frau leicht zu zerstreuen seyn würde; Du würdest es, in ungestörtem Beysammenseyn, leicht entdeckt und Dein Betragen gegen sie danach verändert haben; oder auch sie hätte sich wohl gesammelt und den Muth gefaßt, sich auf eine sanfte und edle Art allem dem entgegenzustellen, was sie an Dir beklemmt und von Dir entfremdet. Und so glaube ich denn, daß in Ihrem Briefe vom 10ten Nov. doch auch Wahrheit ist, d.h. einiges, was in ihr selbst wurzelt, und nicht bloß von den [5] Aufhetzungen der Mutter <herrührt>, wenn gleich es durch diese erst eigentlich schlimm und giftig wird. Als ich Abschied von ihr nahm, schien sie sehr gerührt und ich war es auch; das Herz schien ihr recht voll und beklemmt zu seyn, und ich hätte, wer weiß was darum gegeben, nicht so forteilen zu müßen.– Das ist also nun mein erster und wesentlichster Rath, daß Du nicht <bloß> die Mutter als den einzigen Gegenstand betrachten sollst, den Du zu bekämpfen hast, sondern auch auf Sophieen selbst denken, deren Herz Du ja doch besitzest, und Dir es leicht erhalten oder wieder gewinnen kannst, wenn Du mit <der> ganzen Kraft Deiner Liebe alles das wegnimmst, was diesen Schatten von Mißtrauen oder Mißbehagen in ihrer Seele erzeugen konnte.– Außerdem ist mein Rath, behandle alles so schonend, so milde, so nachgebend als nur immer möglich, selbst die alberne Weisheit des Vaters und die Leidenschaftlichkeit der Mutter; da es doch eine Sache ist, von der das Glück Deines Lebens abhängt. Den bloßen Gedanken an gerichtliche Proceduren solltest Du [6] Dir selbst nicht einmal erlauben; das wäre ja erschrecklich und in jedem Sinne heillos; noch weniger also auch nur die entfernteste Anspielung darauf machen. Ich würde immer in dem Sinne schreiben, als verstünde es sich von selbst, daß Sophie zu Dir käme, sobald die jetzigen Hinderniße gehoben sind, wobey Du ja wohl zu verstehen geben kannst, daß Du diese eben nicht für genügend hältst, <aber> doch die Sache noch so gehen lassen willst. Besonders ihr solltest Du nur bloß zärtliche Briefe schreiben, als ob sich alles das von selbst verstünde, und wenn ja mit Vorwürfen über das verzögerte Wiedersehen, doch nur mit sehr leisen und schonenden. Durchaus nicht angemeßen und gefährlich scheint es mir, ihr eine schriftliche, definitive Erklärung abzufordern; denn hätte sie sie einmal in einem Sinne, der nicht der rechte wäre, gegeben; so wäre es, wie ich Euer aller Charakter kenne, schwer wieder gut zu machen. Ueberhaupt kann diese ganze Sache, besonders aber das Verhältniß zwischen Dir und ihr durchaus [7] nur persönlich abgemacht und entschieden <werden>. Und auch dafür würde ich mir die gehörige Zeit laßen, mich so recht als ob es gar nicht anders seyn könnte, im Hause festsetzen und wieder einleben, bis ich dann meiner Sache wenigstens bey Sophieen gewiß wäre, und würde wo irgend möglich, selbst die Mutter zu versöhnen suchen. Daß alle Rechte der Welt zu Deinen Gunsten entscheiden, daß ist freylich gewiß, aber darauf würde ich am wenigsten bauen: denn durch gerichtliche Proceduren kann man doch einmal das Glück des Lebens und der Liebe nicht gründen.– Vermeide also alles, und laß lieber alles fallen, was Euch nur exasperirt, wie die Sache mit dem Forte-Piano. Es kömmt <ja> doch alles auf das Persönliche an, und führt jenes empfindliche Briefschreiben zu nichts, als nur die Galle zu vermehren.– Wenn es sich nun, wie ich hoffe, zur Versöhnung neigt, so opfre lieber einiges von Deinen Lebensgewohnheiten, wenn sie Sophieens Herz von Dir entfernen, auf; in der Folge findet sich das ja doch alles. Laß ihr doch in der äußeren Lebenseinrichtung, außer wo es Dein Beruf [8] wirklich und wesentlich erheischt, ganz ihren freyen Willen. Es ist das sicherste und erste Mittel, mit einer Frau glücklich zu seyn; wobey man immer am besten fährt.– Mich wundert übrigens, daß Du zu dem Ueberbringer des besonderen Briefs nicht <noch> lieber Sulpiz B.[oisserée] als Winter erwählt, da der erste so viel Delicatesse und eine so gute Art hat. Mehr als ich sagen kann, freue ich mich, daß Windischmann bey Dir ist und Du Vertrauen zu ihm gefaßt hast. Auf sein Herz kann man Felsen bauen; wie glücklich war es, daß ich Dir so viel von ihm gesagt. Ich grüße ihn von ganzer Seele; theile ihm auch aus diesem Briefe mit, was Dir recht dünkt. Ich schreibe ihm den nächsten Posttag, so wie auch Dir wieder über alle die andren Sachen, über die Universität dort, und auch über meine Lage hier, in der freylich noch gar nichts weiter sich entschieden oder entwickelt hat.– Nun noch ein Rath, lieber Bruder; in solchen Verwirrungen des Lebens, wo ein Riß durch die innerste Seele geschieht, wendet man sich am besten zur Quelle, und sucht Hülfe, Kraft und Licht im Gebet.– Möchte Gott beydes, Licht und Ruhe, Milde und Sanftmuth in Euer Herz geben, Dir und Sophieen; und auch der Mutter, in ihrem leidenschaftlich verwildertem Unglück Trost und beßeren Rath und Entschluß.– Ich umarme Dich von ganzem Herzen.
Friedrich.
[1] Wien, den 26ten December 1818.
Geliebter Bruder! Deine beiden Briefe vom 8ten und 13ten sind gleich nach einander angekommen, so daß ich nun, nachdem ich mich wenigstens etwas dazu gefaßt und gesammelt habe, beyde zugleich beantworten will.– Deine Eröffnung hat mich mit der tiefsten Bekümmerniß erfüllt und innerlich erschüttert; denn so arg hatte ich es mir doch nicht gedacht, obwohl manches was Du mir in dem letzten Beysammenseyn sagtest, noch mehr aber das was ich in Heidelberg selbst sah, mich schon mit mancher Besorgniß erfüllt hatte. Der Himmel wolle ferneres Unglück verhüten; was ich mir kaum denken mag, so innig leid würde es mir seyn, Deinetwegen und auch Sophiens wegen: denn das ist wohl klar, daß wenn es zu einer Katastrophe kommen, wenn der Unverstand was doch kaum glaublich ist, so weit gehen sollte, so wäre doch auch das Glück und die Blüthe ihres Lebens für immer getrübt und zerstört.– Mein Rath kann nach reifer Ueberlegung nicht anders als sehr einfach seyn. Das erste ist, daß ein solches Mißverhältniß durchaus nur persönlich gehoben und geschlichtet werden kann. O könnte ich doch nur Deinem Wunsche entsprechen, und wollte sich doch nur eine Möglichkeit zeigen, daß ich zugleich [2] mit Dir dort seyn könnte. Ich denke doch, ich würde viel auf die Mutter vermögen, und selbst zwischen Dir und Sophien könnte meine brüderliche Gegenwart wohlthätig und zu gegenseitigem beßerm Verständniß und liebevoller Klarheit einiges mitwirken. Eines kann ich Dir jedoch nicht verschweigen; ich glaube Du irrst Dich darin, wenn Du glaubst, daß die Aufhetzungen der Mutter auch ganz bey Seite gesetzt, in Sophieens Seele selbst gar nichts vorhanden und seit Eurer Verbindung entstanden sey, was <für> die Harmonie störend ist, oder als so wirkend empfunden wird. Ich sah das zu deutlich den Tag, da ich in Heidelberg war; ich sah es mit Schmerz und wie gern wäre ich noch geblieben, aber was ließ sich hoffen in einem oder doch in wenigen Tagen wirken zu können, bey einer so viel verschlungenen Verwirrung der ersten und innersten Verhältniße. Auch fühlte ich mich denn wieder durch den Drang meiner eignen Lage weiter getrieben, das Herz war auch mir schwer, und in der Nähe von Frankf.[urt] hätte ich doch höchstens noch einen Tag zugeben können, was viel zu wenig war, um einen Erfolg zu hoffen. [3] Daß manches in Sophieen vorging, was mir bange machte, bemerkte ich deutlich; unter andern sagtest Du ihr einmal etwas in einem kalten, hofmeisternden Tone, es war eine Kleinigkeit, ich glaube, sie hatte etwas fallen laßen; und ich bemerkte wohl den Eindruck, den es auf sie machte. Es würde mir weniger mißfallen haben, wenn sie gegen Dich aufgefahren wäre, als diese tiefe, schweigende Unzufriedenheit. Eine leidenschaftliche Beleidigung oder Verletzung verzeihen die Weiber leicht, aber diesen kalten, hofmeisternden Ton können sie selten leiden; es ist das wahre Mittel, sich ihr Herz zu entfremden. Und glaube nur nicht, daß zärtliche Liebkosungen und die Fülle der feurigen Umarmung dieses im innersten Grunde des Herzens ganz wegnehmen und völlig heilen können, wenn sie es auch zu desto größerer Täuschung auf eine Zeitlang verdecken und vergeßen machen.– Gern gebe ich Dir zu, daß es der Gipfel des Unverstandes seyn würde, wenn eine junge Frau nach einer Heirath von ein paar Wochen, durch einige Deiner Manieren, die ihr nun einmal als vornehme Verwöhnung, [4] vielleicht als <Aeußerung der> Eitelkeit und Selbstsucht, oder was das schlimmste von allem ist, als Herzenskälte erscheinen, sich von einem Manne wollte abwendig machen laßen, <von> Deinen Eigenschaften, Deinem Werthe und der Liebenswürdigkeit, die sie doch vor der Verbindung recht gut erkannt hat, von einem Manne endlich, den sie selbst gewählt und so wohl gekannt hat, und dem sie so das Jawort gegeben hatte. Ich bin auch überzeugt, daß ohne die Aufhetzungen der Mutter, dieser Schatten von Mißvergnügen in der Seele Deiner Frau leicht zu zerstreuen seyn würde; Du würdest es, in ungestörtem Beysammenseyn, leicht entdeckt und Dein Betragen gegen sie danach verändert haben; oder auch sie hätte sich wohl gesammelt und den Muth gefaßt, sich auf eine sanfte und edle Art allem dem entgegenzustellen, was sie an Dir beklemmt und von Dir entfremdet. Und so glaube ich denn, daß in Ihrem Briefe vom 10ten Nov. doch auch Wahrheit ist, d.h. einiges, was in ihr selbst wurzelt, und nicht bloß von den [5] Aufhetzungen der Mutter <herrührt>, wenn gleich es durch diese erst eigentlich schlimm und giftig wird. Als ich Abschied von ihr nahm, schien sie sehr gerührt und ich war es auch; das Herz schien ihr recht voll und beklemmt zu seyn, und ich hätte, wer weiß was darum gegeben, nicht so forteilen zu müßen.– Das ist also nun mein erster und wesentlichster Rath, daß Du nicht <bloß> die Mutter als den einzigen Gegenstand betrachten sollst, den Du zu bekämpfen hast, sondern auch auf Sophieen selbst denken, deren Herz Du ja doch besitzest, und Dir es leicht erhalten oder wieder gewinnen kannst, wenn Du mit <der> ganzen Kraft Deiner Liebe alles das wegnimmst, was diesen Schatten von Mißtrauen oder Mißbehagen in ihrer Seele erzeugen konnte.– Außerdem ist mein Rath, behandle alles so schonend, so milde, so nachgebend als nur immer möglich, selbst die alberne Weisheit des Vaters und die Leidenschaftlichkeit der Mutter; da es doch eine Sache ist, von der das Glück Deines Lebens abhängt. Den bloßen Gedanken an gerichtliche Proceduren solltest Du [6] Dir selbst nicht einmal erlauben; das wäre ja erschrecklich und in jedem Sinne heillos; noch weniger also auch nur die entfernteste Anspielung darauf machen. Ich würde immer in dem Sinne schreiben, als verstünde es sich von selbst, daß Sophie zu Dir käme, sobald die jetzigen Hinderniße gehoben sind, wobey Du ja wohl zu verstehen geben kannst, daß Du diese eben nicht für genügend hältst, <aber> doch die Sache noch so gehen lassen willst. Besonders ihr solltest Du nur bloß zärtliche Briefe schreiben, als ob sich alles das von selbst verstünde, und wenn ja mit Vorwürfen über das verzögerte Wiedersehen, doch nur mit sehr leisen und schonenden. Durchaus nicht angemeßen und gefährlich scheint es mir, ihr eine schriftliche, definitive Erklärung abzufordern; denn hätte sie sie einmal in einem Sinne, der nicht der rechte wäre, gegeben; so wäre es, wie ich Euer aller Charakter kenne, schwer wieder gut zu machen. Ueberhaupt kann diese ganze Sache, besonders aber das Verhältniß zwischen Dir und ihr durchaus [7] nur persönlich abgemacht und entschieden <werden>. Und auch dafür würde ich mir die gehörige Zeit laßen, mich so recht als ob es gar nicht anders seyn könnte, im Hause festsetzen und wieder einleben, bis ich dann meiner Sache wenigstens bey Sophieen gewiß wäre, und würde wo irgend möglich, selbst die Mutter zu versöhnen suchen. Daß alle Rechte der Welt zu Deinen Gunsten entscheiden, daß ist freylich gewiß, aber darauf würde ich am wenigsten bauen: denn durch gerichtliche Proceduren kann man doch einmal das Glück des Lebens und der Liebe nicht gründen.– Vermeide also alles, und laß lieber alles fallen, was Euch nur exasperirt, wie die Sache mit dem Forte-Piano. Es kömmt <ja> doch alles auf das Persönliche an, und führt jenes empfindliche Briefschreiben zu nichts, als nur die Galle zu vermehren.– Wenn es sich nun, wie ich hoffe, zur Versöhnung neigt, so opfre lieber einiges von Deinen Lebensgewohnheiten, wenn sie Sophieens Herz von Dir entfernen, auf; in der Folge findet sich das ja doch alles. Laß ihr doch in der äußeren Lebenseinrichtung, außer wo es Dein Beruf [8] wirklich und wesentlich erheischt, ganz ihren freyen Willen. Es ist das sicherste und erste Mittel, mit einer Frau glücklich zu seyn; wobey man immer am besten fährt.– Mich wundert übrigens, daß Du zu dem Ueberbringer des besonderen Briefs nicht <noch> lieber Sulpiz B.[oisserée] als Winter erwählt, da der erste so viel Delicatesse und eine so gute Art hat. Mehr als ich sagen kann, freue ich mich, daß Windischmann bey Dir ist und Du Vertrauen zu ihm gefaßt hast. Auf sein Herz kann man Felsen bauen; wie glücklich war es, daß ich Dir so viel von ihm gesagt. Ich grüße ihn von ganzer Seele; theile ihm auch aus diesem Briefe mit, was Dir recht dünkt. Ich schreibe ihm den nächsten Posttag, so wie auch Dir wieder über alle die andren Sachen, über die Universität dort, und auch über meine Lage hier, in der freylich noch gar nichts weiter sich entschieden oder entwickelt hat.– Nun noch ein Rath, lieber Bruder; in solchen Verwirrungen des Lebens, wo ein Riß durch die innerste Seele geschieht, wendet man sich am besten zur Quelle, und sucht Hülfe, Kraft und Licht im Gebet.– Möchte Gott beydes, Licht und Ruhe, Milde und Sanftmuth in Euer Herz geben, Dir und Sophieen; und auch der Mutter, in ihrem leidenschaftlich verwildertem Unglück Trost und beßeren Rath und Entschluß.– Ich umarme Dich von ganzem Herzen.
Friedrich.
×
×