Herr Geheime-Cabinetsrath!
Dr. Vullers sagt mir, er habe das Glück gehabt, von Ew. Hochwohlgeboren einen Brief zu empfangen, welcher ihm einige Aussicht zu der gewünschten Anstellung in Gießen eröffne. Ich bin darüber sehr erfreut, indem ich an der Beförderung dieses bescheidenen, fleißigen und musterhaft gesitteten jungen Gelehrten aufrichtigen Antheil nehme. Seit ich die Ehre hatte Ihnen zu schreiben, und von Ihnen eine so verbindliche Antwort unter d. 24sten Dec. v. J. zu erhalten, habe ich Gelegenheit gehabt, durch fortgesetzten Umgang mit Dr. Vullers, alles was ich zu seiner Empfehlung sagte, bestätigt zu finden. Er nimmt fortwährend Antheil an den praktischen Übungen im Sanskrit bei mir; ich habe mich auch verwichenen Winter zu seinem Schüler gemacht, indem ich mir in einigen Stunden die Anfangsgründe des Persischen erklären ließ. Er hat sich als Privat-Docent hier habilitirt, und hält bereits Vorlesungen, welche Beifall zu finden scheinen, theils exegetische über Bücher des alten Testaments, theils über die Persische Sprache. In seiner so eben erschienenen Schrift: Fragmente über die Religion des Zoroaster, hat er hübsche Proben seiner philologischen Einsichten, und seines [2] kritischen Urtheils gegeben. Da in Gießen eine katholisch theologische Facultät gestiftet worden, so ist es wohl eher ein günstiger als nachtheiliger Umstand für ihn, daß er katholischer Religion ist. Es fehlt noch gar sehr an katholischen Orientalisten; und die Studenten dieser Confession können doch nur bei einem Glaubensgenossen mit vollem Vertrauen exegetische Vorlesungen hören. Die protestantischen Studenten hingegen werden dergleichen von einem katholischen Lehrer, ist er nur sonst ein guter Hebräist, ohne Bedenken benutzen.
Genehmigen Sie die Versicherung der ausgezeichnetsten Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster
AWvon Schlegel
An
Herrn Geheime-Cabinetsrath
Schleiermacher Hochwohlgeb.
in
Darmstadt