Mein werthgeschätzter Herr und Freund! Der unerwartete plötzliche Tod des wackern Bohte hat mich ganz ungemein geschmerzt. Ich habe den Trauerbrief der Witwe empfangen. Bezeugen Sie ihr mein herzlichstes Beileid, und versichern Sie ihr, daß ich, wenn ich mich ihr bei Fortführung des Geschäftes nützlich machen kann, mich gewiß gern dahin verwenden werde. Die versprochene Vorrede werde ich liefern: aber es ist wesentlich, daß ich die noch fehlenden Bogen des ersten Theiles erhalte, um eine Übersicht zu gewinnen. ‒ Nun zu Ihren Angelegenheiten. Mein Gesuch ging vor einiger Zeit nach Berlin ab, und ich erwarte den Bescheid. Ich habe nichts versäumt, um das Ministerium günstig zu stimmen. Deswegen übernahm ich die Rede am Geburtstage Sr. Maj., welche denn auch einen äußerst vortheilhaften Eindruck gemacht hat, der mir sogar durch eine amtliche Belobung versichert worden ist. Deswegen habe ich mich auch, ungeachtet der triftigen Gründe, die ich anführen konnte, dem Rectorat nicht entzogen, wiewohl es eine starke Störung in den Gelehrten Arbeiten ist. Ich hoffe nach Verlauf desselben dagegen einen Urlaub zu erlangen, theils zu einer Reise, theils zum Hierbleiben, ohne Vorlesungen zu halten, um mich dann ganz dem Ramay[ana] widmen zu können. Sobald der Bescheid eingeht, erhalten Sie Nachricht: sollte bis Ende Novembers kein Geld angewiesen seyn, so empfangen Sie eine kleine Anweisung von mir. Ich werde mein möglichstes für Sie thun, ich erwarte mit Zuversicht das gleiche von Ihnen, in Absicht auf die Benutzung der Zeit, und von Ihrer Familie in der Verwendung ihrer Mittel. Ihre Mutter muß ja einsehen, daß für Ihre künftige Förderung in der gelehrten Laufbahn die Fortdauer Ihrer gelehrten Reise, und des Verhältnisses mit mir von der größten Wichtigkeit ist. Arbeiten Sie nur gutes Muthes fort, versäumen Sie dabei die Sorge für Ihre Gesundheit nicht, richten Sie Ihre Oekonomie verständig ein, und seyen Sie wegen des Übrigen außer Sorge. ‒ Das Paket durch den Dr. Fick habe ich richtig erhalten, von Düsseldorf aus, da er nicht selbst hieher kann. Auch die Abhandlung über die Geschichte von Kashmir ist mir zugekommen. Bemerken Sie doch bei allen Ihren Collationen genau den Codex, welchen sie betreffen. Ich habe nun schon zwei kleine Pakete auf losen Blättern von Ihnen, wobei sich gar keine Angabe findet. In dem Buche, worin Sie die ersten Capitel des zweiten Buches abgeschrieben hatten, steht Cod. Jones. Dieß ist doch ohne Zweifel der Bengalische. Wenn Sie die Reinschrift auf lose Blätter schreiben, so lassen Sie solche doch vor der Absendung heften, sie gerathen sonst leicht in Unordnung. Befleißigen Sie sich auch immer einer deutlichen Handschrift. Noch habe ich den ganzen Gehalt Ihrer bisherigen Sendungen nicht durchstudiren können, es wird aber nächstens geschehen. Ich habe so gutes Zutrauen zu Ihrem kritischen Urtheil, daß ich Ihnen gern überlasse, bei der Behandlung der Handschriften nach eigner Einsicht zu verfahren. Nur hüten Sie sich davor, durch eine kleine Zeitersparniß für den Augenblick nicht eine schwere und vielleicht unentwirrbare Arbeit zu veranlassen. ‒ Ich wünsche demnächst, die Materi[2]alien für die ersten beiden Bücher so viel möglich vollständig beisammen zu haben; dann eine Abschrift der übrigen 5 Bücher nach irgend einer Handschrift, um eine Übersicht zu gewinnen. Denn ich möchte doch die erste Lieferung nicht geben, ohne das Ganze gelesen zu haben. ‒ Ich habe den Staatsminister v. Altenstein um eine Empfehlung für Sie an den jetzigen Preuß. Gesandten gebeten, um auf diesem Wege Ihre Sendungen erhalten zu können. ‒ Übrigens wenn der Gesandte wirklich schon da ist, denke ich, Sie könnten nur gerade zu ihm gehen, besonders wenn Sie irgend eine Angelegenheit hätten, sich vermöge der von unsrer Regierung erhaltenen Unterstützung als Preuß. Unterthanen legitimiren, und sich auf mich berufen. ‒ Wie steht es mit dem Cod. des Dr. Leyden? ‒ Colebrookes Erklärung der bewußten Stelle im Ghaṭa Karp[aram] will mir nicht einleuchten. Ein solches Compositum wie adhara ‒ san kann es schwerlich geben, und wenn man die Wörter trennt, so müßte ein Visarga stehen: adharah san, welches das Silbenmaaß alterirt. Wenn dieß nicht im Wege stünde, würde ich vorschlagen: vâr‒asan. Es muß in Paris eine Handschrift des Gh[aṭa] K[arparam] seyn, ich will mir durch Rémusat, der mein eifriger Freund ist, eine Collation zu verschaffen suchen. Sie sind allerdings autorisirt, ein Exemplar von dem dritten Theile des Seramp[orer] Ramay[ana] bei Parbury für meine Rechnung zu nehmen. Ich habe auf den Schluß des Jahres eine gegenseitige Abrechnung mit ihm wegen der gelieferten Exemplare der Bhag[avad] G[îtâ]. ‒ Meine Rechnung in der Botheschen Handlung werde ich zu Anfange des nächsten Jahres berichtigen. Wenn Sie den Calcuttaer Manu für Geld erhandeln können, so nehmen Sie ihn doch ja ‒ mir ist es sehr darum zu thun. Es ist verdrießlich, daß Herr Richter die Cârnataka Grammar verloren hat ‒ er sollte billig auf seine Kosten ein Exemplar aus Madras verschreiben, wenn anders eins zu haben ist. Vor allen Dingen wünsche ich aber das Verzeichniß der Subscribenten. Schreiben Sie doch an Haughton ‒ bitten Sie ihn um Nachricht von seinem Befinden, und bezeugen Sie ihm meine aufrichtige Theilnahme. ‒ Bitten Sie ihn auch um den Schluß des Manu. Ich habe die Bogen bis pag 192. ‒ Wenn Sie die beiden Väter sehen, so sagen Sie ihnen, daß ihre Söhne gesund und vergnügt von einer Fußreise zurückgekommen sind, die ich ihnen in den Ferien gestattet und der Arzt angerathen hatte, und daß sie jetzt wieder fleißig studiren. Ich schreibe beiden nächstens. Meine Nichte ist glücklich in Dresden angekommen. ‒ Melden Sie mir immer alle Asiatischen litterarischen Neuigkeiten, die Sie erfahren.
Ganz der Ihrige
Schlegel.
[3]
[4]