• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Coppet · Date: 14.09.1809
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 14.09.1809
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,21
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,3 x 12,3 cm
  • Incipit: „[1] Berlin d. 14. Septbr. 1809.
    Sie scheinen ungehalten auf mich zu sein, mein geehrtester Freund; meine Ungeduld den Shakespear zu [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Berlin d. 14. Septbr. 1809.
Sie scheinen ungehalten auf mich zu sein, mein geehrtester Freund; meine Ungeduld den Shakespear zu erhalten, ist Ihnen anstößig; wie den, wenn ich Sie versichre, daß ich nur das Organ des Publikums war, welches Ihnen den heißen Wunsch ausspricht, Ihren, Schlegels Uebertragung ins Deutsche, zu erhalten
Daß ich nicht eigensinnig bin, mögen Sie mein Freund darann erkennen, daß ich Ihren Vorschlag eingehe; wenn Sie Ihre Firma dazu geben: und alles allein in der Art übernehmen, daß ich nur mit Sie, über diesen Gegenstand in Verhältniß und Geschäfte stehe. Mit unserm Tieck wäre bei der Gelegenheit abzurechnen, sollte ich meinen. Oder auch nicht; wenn das Werk nur zu stande kommt. Das Publicum, daß sich schwer in unsre Lage versetzen kann, glaubt, daß die vernachläßigende Wittwe, aus Liebe zu ihrer Bequemlichkeit, das vom unvergeßlichen Unger (ich danke mein Theurer Freund, für diesen Beysatz) – so schön begonnene Werk, liegen lasse. Dann mag es sehen und wissen, an wen es lag; und wenn die Fortführung unter Ihrer Aufsicht geschieth, wird es darin einen Ersatz zu finden vermeinen. Aber – dann auch, wehe Ihnen! was für Heinriche und Richarde werden Ihnen angeflogen kommen! Was werden Sie sich abzuwehren haben! was habe ich für Anfordrungen und Zudringlichkeiten abzuwenden gehabt! den alles will ja shakespearisiren: und die liebe Jugend sieth es wohl wie ein übungsbuch, für Deutsche Schwungkraft an, auch wohl als leidige Sprachübung. So bitte ich den, mir Ihre Maaßregeln hierüber wissen zu lassen: und – ich wage kaum, das Wort hinzuzusetzen – den Heinrich die Flügel schnell wachsen zu lassen, daß er sich an seinen Vorgänger schließte. Es war vieleicht indulent für den Geist, einen Termin [2] bestimmen zu wollen; aber der mercantilische Betrieb, ist nun einmal, so ein plumper mechanischer Geselle, der von andern Rüksichten nicht wissen will. Und noch ein groberer Bursch ist der Magen, der wieder ein Knecht des Vorigen ist.
Ich habe gemeint, mein verehrter Freund, über die Elegie Rom, Ihnen schon vor mehr als einem Jahre geantwortet zu haben, daß ich es freudigst erwarte. Geschahe es nicht, so geschehe es hiermit. Doch wünschte ich allenfalls da es so lange zögerte, daß es jezt nun auch noch einen Monat oder sonst was wartete: ich stehe im Begrif einen Plan zu realisiren, den ich Ihnen zu seiner Zeit vorlegen werde, der Ungers Anstalt eine Ausdenung und Dauer verspricht, welche ich ihr zu geben nicht vermag. Künftig mehr hierüber, wenn eine schönere Sonne ihn zur Reife bringt: und die Gewitterwolke sich über das Vaterland verzogen haben wird.
Ihre Bücher, mein Freund, sind den 24. August, in 4. Kisten mit Fuhrmann Klein an Fr: Willmann in Frankfurth am Mayn zur weitern Spedition nach Basel und Copet abgegangen. Sie haben 7. ¾. Centner gewogen, und sind mit 14. r: in 24 Fr:° Fuß pro Schif ℔ in Fracht verdungen Die übrigen Bücher hat Sonin der Auctionnator so wie auch das Bücherspinde, zum Verkauf erhalten, worüber Sie ausgangs des Monats, oder Anfang Octbr: Nachricht zu erhalten haben.
Sie sind nicht mit mein Motto zufrieden, mein Theurer Freund, und würden es noch weniger mit mein Buch sein: welches in seiner Unbedeutsamkeit schwerlich vor Sie Gnade finden wird: es gehört zu der leicht papirnen Waare, die der Wind zerflattert [3] ehe sie über die Gränze kommt. Es ist mir erschienen, als ob sanfter Friede, dem Weibe zieme, so wie Kraft und Krieg dem Manne, dem Weltenzerstöhrer. Ich gehöre nicht zu den rüstigen Amazonen, welche statt der Spindel, die Streitaxt ergreifen. Mein ganzes Büchlein predigt Friede und Versöhnung. Sucht die gute Seite am Feinde auf, ohne seine Fehler, und Riducules zu schonen. Darf ich über mich selbst urtheilen, so ist das Gelungendste darin, ein précis der Lage meines Vaterlandes, während und nach den 30. jährigen Krieg; und den Anstrengungen des großen Kurfürsten, dem Lande wieder aufzuhelfen, was allerdings nicht ohne große Aufopfrungen der Bewohner des Landes geschehen konnte. Dadurch wollte ich mir, dem gegenwärtigen Frivolen Geschlechte andeuten, daß nichts Neus unter der Sonne geschieth.
Ihre Bücher sind eigentlich früher abgegangen, als ich es wußte, den ich wohne zur Wiederherstellung meiner leidenden Kräfte, ausser der Stadt: ich würde, hätte man mir das Abgehen bestimmt gemeldet, Ihnen verschiedne meiner seit Ihrer Abreise von hier herausgegebnen Bücher, auch das Bild Ihrer Freundin mitgeschikt habe, für dessen Eigenthümerin ich mich nie ansehe, noch ansehen werde. Sterbe ich, so erhalten Sie es zurük. In diesen Tagen sprach ein Mann aus der Gegend von Genéve bei mir ein; er brachte mir das schöne Bild meiner Freundin Madme de Morand, die in Confignon ihren Sitz hat; an der ich einst so frei war, Ihnen einen Brief einzulegen, den Sie so frei waren, verlohren gehen zu lassen. & sw. In kommendem Jahre reiset Mr: Theremain wieder zurük, (jezt geth er nach Petersburg: alsdann erhalten Sie viel und mancherlei durch ihn; auch Gedichte von Natalien; oder Fr: von Ahlefeld, [4] die sehr zart und schön weiblich sind.
Fr: Schlegels Gedichte soll ich in diesen Tagen haben. H. Hitzig ist ein rüstiger Verleger; das macht er fängt an; und hat noch nicht gewisse abschreckende Erfahrungen, denen auch er, besonders in dieser für den Buchhandel eisernen Zeit, nicht entgehen wird. In meinem stillen Sommerleben, habe ich Corinna wieder gelesen, die ich beim Correktur leßen, wenig oder doch nicht schön genoß. – Welch ein Geist, ein bewunders werther Geist, der sie erzeugte! wie seh, wie sehr! und doch wieder, wie innig verwandt, mit andere güte & liebe volle weibliche Geister! man fühlt sich verwandt, und ist doch zu blöde sich der vornehmen Verwandschaft zu rühmen! Aber daß diese Frau in Berlin war, daß ich sie nicht sahe, ist grausam! Das macht mein Stillleben und mein weniges Streben, mich zünftig zu machen, in den belletettristischen Weiber häuflein: da werde ich in meiner Unbedeutsamkeit übersehen, und die andern drängen sich vor: weil ich klein bin, verdecken sich mich, mit ihrer Breite.
Und jetzt ists genug, nicht wahr? Wer weiß in welcher angenehmen Stunde ich Sie stöhre? nun, nichts für ungut. Lassen Sie, ich bitte, noch in diesem Jahre daß nicht mehr volle 4. Monat zählt, von sich hören. Jeder Ihrer Briefe macht mir einen Fest Tag: darin man in diesem armen Leben nie genug haben kann und die der Wittwe ohnehin spährlich genug zu gezählt sind.
Ich empfehle mich Ihrem wohlwollenden Andenken: und bin mit Freundschaft und Verehrung
Ihre aufrichtig Ergebene
verw. Unger.
[1] Berlin d. 14. Septbr. 1809.
Sie scheinen ungehalten auf mich zu sein, mein geehrtester Freund; meine Ungeduld den Shakespear zu erhalten, ist Ihnen anstößig; wie den, wenn ich Sie versichre, daß ich nur das Organ des Publikums war, welches Ihnen den heißen Wunsch ausspricht, Ihren, Schlegels Uebertragung ins Deutsche, zu erhalten
Daß ich nicht eigensinnig bin, mögen Sie mein Freund darann erkennen, daß ich Ihren Vorschlag eingehe; wenn Sie Ihre Firma dazu geben: und alles allein in der Art übernehmen, daß ich nur mit Sie, über diesen Gegenstand in Verhältniß und Geschäfte stehe. Mit unserm Tieck wäre bei der Gelegenheit abzurechnen, sollte ich meinen. Oder auch nicht; wenn das Werk nur zu stande kommt. Das Publicum, daß sich schwer in unsre Lage versetzen kann, glaubt, daß die vernachläßigende Wittwe, aus Liebe zu ihrer Bequemlichkeit, das vom unvergeßlichen Unger (ich danke mein Theurer Freund, für diesen Beysatz) – so schön begonnene Werk, liegen lasse. Dann mag es sehen und wissen, an wen es lag; und wenn die Fortführung unter Ihrer Aufsicht geschieth, wird es darin einen Ersatz zu finden vermeinen. Aber – dann auch, wehe Ihnen! was für Heinriche und Richarde werden Ihnen angeflogen kommen! Was werden Sie sich abzuwehren haben! was habe ich für Anfordrungen und Zudringlichkeiten abzuwenden gehabt! den alles will ja shakespearisiren: und die liebe Jugend sieth es wohl wie ein übungsbuch, für Deutsche Schwungkraft an, auch wohl als leidige Sprachübung. So bitte ich den, mir Ihre Maaßregeln hierüber wissen zu lassen: und – ich wage kaum, das Wort hinzuzusetzen – den Heinrich die Flügel schnell wachsen zu lassen, daß er sich an seinen Vorgänger schließte. Es war vieleicht indulent für den Geist, einen Termin [2] bestimmen zu wollen; aber der mercantilische Betrieb, ist nun einmal, so ein plumper mechanischer Geselle, der von andern Rüksichten nicht wissen will. Und noch ein groberer Bursch ist der Magen, der wieder ein Knecht des Vorigen ist.
Ich habe gemeint, mein verehrter Freund, über die Elegie Rom, Ihnen schon vor mehr als einem Jahre geantwortet zu haben, daß ich es freudigst erwarte. Geschahe es nicht, so geschehe es hiermit. Doch wünschte ich allenfalls da es so lange zögerte, daß es jezt nun auch noch einen Monat oder sonst was wartete: ich stehe im Begrif einen Plan zu realisiren, den ich Ihnen zu seiner Zeit vorlegen werde, der Ungers Anstalt eine Ausdenung und Dauer verspricht, welche ich ihr zu geben nicht vermag. Künftig mehr hierüber, wenn eine schönere Sonne ihn zur Reife bringt: und die Gewitterwolke sich über das Vaterland verzogen haben wird.
Ihre Bücher, mein Freund, sind den 24. August, in 4. Kisten mit Fuhrmann Klein an Fr: Willmann in Frankfurth am Mayn zur weitern Spedition nach Basel und Copet abgegangen. Sie haben 7. ¾. Centner gewogen, und sind mit 14. r: in 24 Fr:° Fuß pro Schif ℔ in Fracht verdungen Die übrigen Bücher hat Sonin der Auctionnator so wie auch das Bücherspinde, zum Verkauf erhalten, worüber Sie ausgangs des Monats, oder Anfang Octbr: Nachricht zu erhalten haben.
Sie sind nicht mit mein Motto zufrieden, mein Theurer Freund, und würden es noch weniger mit mein Buch sein: welches in seiner Unbedeutsamkeit schwerlich vor Sie Gnade finden wird: es gehört zu der leicht papirnen Waare, die der Wind zerflattert [3] ehe sie über die Gränze kommt. Es ist mir erschienen, als ob sanfter Friede, dem Weibe zieme, so wie Kraft und Krieg dem Manne, dem Weltenzerstöhrer. Ich gehöre nicht zu den rüstigen Amazonen, welche statt der Spindel, die Streitaxt ergreifen. Mein ganzes Büchlein predigt Friede und Versöhnung. Sucht die gute Seite am Feinde auf, ohne seine Fehler, und Riducules zu schonen. Darf ich über mich selbst urtheilen, so ist das Gelungendste darin, ein précis der Lage meines Vaterlandes, während und nach den 30. jährigen Krieg; und den Anstrengungen des großen Kurfürsten, dem Lande wieder aufzuhelfen, was allerdings nicht ohne große Aufopfrungen der Bewohner des Landes geschehen konnte. Dadurch wollte ich mir, dem gegenwärtigen Frivolen Geschlechte andeuten, daß nichts Neus unter der Sonne geschieth.
Ihre Bücher sind eigentlich früher abgegangen, als ich es wußte, den ich wohne zur Wiederherstellung meiner leidenden Kräfte, ausser der Stadt: ich würde, hätte man mir das Abgehen bestimmt gemeldet, Ihnen verschiedne meiner seit Ihrer Abreise von hier herausgegebnen Bücher, auch das Bild Ihrer Freundin mitgeschikt habe, für dessen Eigenthümerin ich mich nie ansehe, noch ansehen werde. Sterbe ich, so erhalten Sie es zurük. In diesen Tagen sprach ein Mann aus der Gegend von Genéve bei mir ein; er brachte mir das schöne Bild meiner Freundin Madme de Morand, die in Confignon ihren Sitz hat; an der ich einst so frei war, Ihnen einen Brief einzulegen, den Sie so frei waren, verlohren gehen zu lassen. & sw. In kommendem Jahre reiset Mr: Theremain wieder zurük, (jezt geth er nach Petersburg: alsdann erhalten Sie viel und mancherlei durch ihn; auch Gedichte von Natalien; oder Fr: von Ahlefeld, [4] die sehr zart und schön weiblich sind.
Fr: Schlegels Gedichte soll ich in diesen Tagen haben. H. Hitzig ist ein rüstiger Verleger; das macht er fängt an; und hat noch nicht gewisse abschreckende Erfahrungen, denen auch er, besonders in dieser für den Buchhandel eisernen Zeit, nicht entgehen wird. In meinem stillen Sommerleben, habe ich Corinna wieder gelesen, die ich beim Correktur leßen, wenig oder doch nicht schön genoß. – Welch ein Geist, ein bewunders werther Geist, der sie erzeugte! wie seh, wie sehr! und doch wieder, wie innig verwandt, mit andere güte & liebe volle weibliche Geister! man fühlt sich verwandt, und ist doch zu blöde sich der vornehmen Verwandschaft zu rühmen! Aber daß diese Frau in Berlin war, daß ich sie nicht sahe, ist grausam! Das macht mein Stillleben und mein weniges Streben, mich zünftig zu machen, in den belletettristischen Weiber häuflein: da werde ich in meiner Unbedeutsamkeit übersehen, und die andern drängen sich vor: weil ich klein bin, verdecken sich mich, mit ihrer Breite.
Und jetzt ists genug, nicht wahr? Wer weiß in welcher angenehmen Stunde ich Sie stöhre? nun, nichts für ungut. Lassen Sie, ich bitte, noch in diesem Jahre daß nicht mehr volle 4. Monat zählt, von sich hören. Jeder Ihrer Briefe macht mir einen Fest Tag: darin man in diesem armen Leben nie genug haben kann und die der Wittwe ohnehin spährlich genug zu gezählt sind.
Ich empfehle mich Ihrem wohlwollenden Andenken: und bin mit Freundschaft und Verehrung
Ihre aufrichtig Ergebene
verw. Unger.
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