Hochverehrter Herr Professor!
Ew. Hochwohlgeboren werden verzeihen daß ich so frei bin an Sie zu schreiben, wenn Hochdieselben gütigst die Veranlassung und folgende Umstände erwägen wollen. In einem abgeschiedenen Dorfe, verschloß schon in der frühesten Jugend ein feindselig Geschick durch Lähmung der Füße und Kränkelei, für mich die weiten Kreise des Lebens, und da ich weder Gymnasien noch Hochschulen besuchen konnte, blieb es mir selbst überlassen die Mittel zur Ausbildung zu suchen, um wenigstens einigen Ersaz für das Verlorne zu finden.
Natur, Musick, Zeichnung und Lectüre halfen also die Stunden verkürzen, welche ich, besser nicht anwenden zu können, erbittert war.
Dann beschenkte auch die Muse meine einsamen Stunden zuweilen mit einem [2] Liede, und ich hätte wohl Lust daraus ein Bändchen gedruckt zu sehen, nur wünsche ich vorher die Meinung eines würdigen Dichters und Kenners darüber zu wissen, und dieses ist die Ursache meines Schreibens.
Ew. Hochwohlgeboren bin ich daher so frei, in der Anlage Einiges vorzulegen, und Sie zu bitten mir darüber gütigst Ihr Urtheil sagen zu wollen. Ich bin übrigens nicht der Meinung daß der Kunstrichter auf die Individualität und Umstände des Verfassers Rücksicht nehmen könne, nur um der genommenen Freiheit zur Entschuldigung zu dienen, habe ich einiges darüber angeführt.
In der Hoffnung daß Sie bald die Güte haben werden meiner Bitte zu willfahren, verharre ich
mit tiefer Verehrung
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamer Diener
Jacob Vinc. Circel
Bork a/d Lippe
d. 10 Juli 1824.
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