[2] unser Gustchen wächst zu unsrer Freude heran, du müßtest sie lieben, wenn du sie unter uns sähest, eine zarte feine Bildung, ein ebenso zarter Geist, der manchmal durch alle dem kindischen Wesen so schön hervorblickt, übrigens holt sie ihre frühern Kinderjahre noch nach, wo sie mit ihrer schwachen Gesundheit nicht so fortkommen konnte spielt, läuft und springt und treibts ganz wie ein kleines Kind, ich lasse sie ruhig machen, denn ich habe bemerkt wer die Kinderjahre nicht ganz auslebt dem bleibt immer etwas kindisches Kleben, mit der Musik wird es gut gehen daß wird am eifrigsten getrieben. Nun wollte ich gern den Winter mit dem zeichnen anfangen, daß ist aber ein schwerer Punkt, ich halte bey dem zeichnen nothwendig dafür gleich vom Anfange an einen rechten Zeichenmeister, denn was mir noch vil wichtiger ist als ihre Fortschritte in der Kunst selbst, ist das sie würdige Begriffe davon faßt, und Ehrfurcht für dieselbe bekomt, die gewöhnlichen maitres aber zerstören beides, und würdigen sie nur zu einigen mechanischen Handgriffen herab, die sie ihnen nicht einmal rein bey bringen. Ich hätte einen solchen sehr guten Maitre auf der Fahrt, der von seiner Kunst begeistert ist, und schön darüber lehrt, es ist der Vogel der die Kindernatur so gut darstellt, aber er nimmt die Stunde 1 thlr und daß ist bey unsrer beschränkten Ein[3]nahme unmöglich, ich muß sehen ob ich Traktaten mit ihm schließen kann. – Wir sind diesen Sommer in Carlsbad gewesen, und das hat unsrer aller Gesundheit sehr wohl gethan, für meinen Mann war diese Reise sehr nöthig, der Aufenthalt war sehr angenehm, doch machte sich die Reise ziemlich kostbar, überhaupt fängt an die exorbitante Theurung hier drückend zu werden, und man muß manches in seiner Lebensart verändern, was sonst angenehm war.
Schreib mir doch besonders was die Bernhardin macht und ob sie sich wieder ein bischen erholt, wir haben wohl noch lange keine Hofnung sie in Dresden zu sehen, ich freue mich um deinetwillen daß die Frau von Stael wieder nach Frankreich darf dieses wird dir doch wahrscheinlich lieb seyn. Auf dich darf man wohl fürs erste gar nicht rechnen, dich in Dresden zu sehen? Wie geht es denn mit deinen Schriftstellerischen Planen, sehen wir noch nichts von dem Calderon, und den Schaksspear? hat die Fr. v. Stael ihre Schriftstellerische Laufbahn schon aufgehört? Von Tiek höre ich auch nichts das er etwas herausgiebt, komt es mir nur allein nicht zu Ohren? Daß er wieder ein Töchterchen hat weißt du. Die Emilie die ich erzogen habe, ist glücklich bey dem Carl Hardenberg angelangt wo sie ein gutes Loos haben wird wenn sie sich darnach beträgt. Nun leb wohl bester Bruder
Deine
Charlotte Ernst
Pillnitz,
d. 24. Au[gust]
1805.
[4] An Herrn Professor Aug. Willhelm
Schlegel Wohlgeb.