• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Coppet · Date: 03.10.1806
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 03.10.1806
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,11
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,3 cm
  • Incipit: „[1] Berlin d. 3. October 1806.
    Mein verehrter Freund!
    Früher schon hätten Sie mein Theurer Nachricht von mir erhalten, hätte ich nicht [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Berlin d. 3. October 1806.
Mein verehrter Freund!
Früher schon hätten Sie mein Theurer Nachricht von mir erhalten, hätte ich nicht immer noch gehoft Ihnen erfreulichere geben zu können; indes lautet Hh: Bernhardyʼs Erklärung bei jeder erneuerten Äußrung, immer fürchterliche[r] und ist endlich so inflammatorischer Natur gewor[den] daß ich die Sache der ich mich nicht an Kraft und Nachdruk gewachsen fühle ganz aufgebe, und Sie ersuche mein Freund, Sie jemand anderm aufzutragen: ich verstehe sie nicht zu behandeln, und bin auch selbst in Angelegenheiten verwickelt, die mir alle meine Zeit rauben. Jede Ihrer friedlichen Angelegenheiten will ich gern übernehmen, nur keine Streitsachen. Ich schicke Ihnen B. Briefe wie er es wünscht nicht mit; es ist ein pöbelhaftes schimpfen, und Ausfälle auf Personen deren Dasein ich kaum ahnete. Die Bücher sind wieder im Schranke gestellt, und B. hat den Schlüssel, den er fester hält, als Vater Papst den heiligen Schlüssel gehalten hat.
Aus dem Dato werden Sie sehen, daß die Einlage von Koels schon sehr alt ist: aber ich konnte und wollte nicht früher schreiben als die Sache mit B. entschieden war und der Abdruk des schönen Bildes mit gesendet werden konnte. Ich meine [2] Hh: Bollinger hat seine Sache vollkommen hübsch gemacht: aber auch ist das Bild nach welchen er arbeitete sehr schön, ich hebe es Ihnen auf bis Sie darüber desponiren. Der Abdruk den Sie erhalten ist ohne Unterschrift. Ich habe sie nach der auf Rom machen laßen: doch ohne Druckfehler, den ich immer noch nicht verschmerzt habe. Den Damen Allmanach veredelt durch Ihre Aufsätze mein Freund sollen Sie schon erhalten, so bald ich über einen fixirten Auffenthalt meines ambulanten Freundes belehrt bin.
Daß ichs fragen muß: es finden sich viel Shakespear Uebersetzer, die man eigentlich nicht unberufen nennen kann, in so fern Talent den Beruf gibt. Der Sohn von Voss den Uebersetzer des Homer hat den Othello gegeben; die Recension sezte ihn seinem Vorbilde Schlegel zur Seite. Schütz der jüngere hat den Lear mit Erfolg übersezt: sporrnt Sie dies nicht? Doch ist viel Nachfrage nach der Fortsetzung Ihres Unternehmens: und ich wünschte – ich wünschte – Sie wißen wohl was.
Sollten Sie mein Freund nach Rom gehen, und den Hhn: Tieck sehen, so [3] sagen Sie ihn, ich bitte, in meinen Namen, daß er nicht wohl an mir thut: daß mein Unger ihn so ganz der Freund in der Noth war; daß er nicht vergessen sollte: wie oft jener sich wehe that, ihn zu helfen. Aach in dieses Menschen kalter Brust, wer ein schwangres Weib, und liebes Kind einer Grille halber verlassen konnte, waltet die Liebe nicht. Viel weniger Freundschafft & Dankbarkeit
Ich bin izt dabei, mein Etablissement inventiren zu lassen, und alles in Klarheit zu setzen: dies wird Maaßregeln gegen so böse Schuldner veranlaßen, die ihn doch wohl erreichen könnten. Hh: Woltmann der sich seiner Verbindung mit ein halb dutzend Höfchen wegen, für invulnerable hielt habe ich im Cabinet verklagt: es wird wirken.
Ich bin um Ihren Bruder bekümmert, der in einer dem Kriegs & conscribtions nebel unterworfnen Gegend lebt. Der arme arme Friedrich. Wir sind hier in keiner frohen Erwartung in Absicht der politischen Angelegenheiten. Um uns her ist, wo noch nicht Krieg, doch Kriegsgeschrei; und täglich haben wir Durchmärsche Was soll aus den Buchhandel bei der itzigen Klemme werden: wenn Napoleon [4] allem Völkerrechte trotzend deutsche Männer erschießen läßt. Ich habe ein reines Gewißen: und hätte ichs von der Seite nicht; könnte für mein Vaterland sterben; wie gern! den ach, mein Leben ist das Verschlosteste was mein ist! ich liebte Ungern wie wenig Männer geliebt werden. Wir hatten einander von früher jugend zugebildet, und machten so ein wirkliches Ganzes. – Sander der Buchhändler ist verrükt geworden, ist in unsre Königin verliebt, und hat endlich nach einer öffentlichen Anstalt zur Verpflegung gebracht werden. Reimers & Klewitz nehmen sich indes der Geschäfte an.
Geben Sie mir doch bald von sich Nachricht Wer könnte das interressante BrüderPaar vergessen, oder gern von selbiges vergessen werden! und nie nie vergesse ich der frohen Zeit unsres Beisammenseins; es ist einer der wenigen hellen Punkte meines Lebens: der wie ein heller Stern aus Mitternacht hervortritt. Nachher ist uns keine solche Zeit wieder geworden. Ein fataler Colossus erhob sich zwischen uns und trennte die Gemüther. Entfernung & Mißtrauen traten an die Stelle des heitersten Seelen Vereins. Doch war Unger stets Ihrer Liebe werth; bei Gott er wars & bliebs!
Könnte dessen Wittwe das von sich glauben: ein Trost für ihr Leben; das Sie mit voller Seele umfaßt die
Ihrige
Unger.
[1] Berlin d. 3. October 1806.
Mein verehrter Freund!
Früher schon hätten Sie mein Theurer Nachricht von mir erhalten, hätte ich nicht immer noch gehoft Ihnen erfreulichere geben zu können; indes lautet Hh: Bernhardyʼs Erklärung bei jeder erneuerten Äußrung, immer fürchterliche[r] und ist endlich so inflammatorischer Natur gewor[den] daß ich die Sache der ich mich nicht an Kraft und Nachdruk gewachsen fühle ganz aufgebe, und Sie ersuche mein Freund, Sie jemand anderm aufzutragen: ich verstehe sie nicht zu behandeln, und bin auch selbst in Angelegenheiten verwickelt, die mir alle meine Zeit rauben. Jede Ihrer friedlichen Angelegenheiten will ich gern übernehmen, nur keine Streitsachen. Ich schicke Ihnen B. Briefe wie er es wünscht nicht mit; es ist ein pöbelhaftes schimpfen, und Ausfälle auf Personen deren Dasein ich kaum ahnete. Die Bücher sind wieder im Schranke gestellt, und B. hat den Schlüssel, den er fester hält, als Vater Papst den heiligen Schlüssel gehalten hat.
Aus dem Dato werden Sie sehen, daß die Einlage von Koels schon sehr alt ist: aber ich konnte und wollte nicht früher schreiben als die Sache mit B. entschieden war und der Abdruk des schönen Bildes mit gesendet werden konnte. Ich meine [2] Hh: Bollinger hat seine Sache vollkommen hübsch gemacht: aber auch ist das Bild nach welchen er arbeitete sehr schön, ich hebe es Ihnen auf bis Sie darüber desponiren. Der Abdruk den Sie erhalten ist ohne Unterschrift. Ich habe sie nach der auf Rom machen laßen: doch ohne Druckfehler, den ich immer noch nicht verschmerzt habe. Den Damen Allmanach veredelt durch Ihre Aufsätze mein Freund sollen Sie schon erhalten, so bald ich über einen fixirten Auffenthalt meines ambulanten Freundes belehrt bin.
Daß ichs fragen muß: es finden sich viel Shakespear Uebersetzer, die man eigentlich nicht unberufen nennen kann, in so fern Talent den Beruf gibt. Der Sohn von Voss den Uebersetzer des Homer hat den Othello gegeben; die Recension sezte ihn seinem Vorbilde Schlegel zur Seite. Schütz der jüngere hat den Lear mit Erfolg übersezt: sporrnt Sie dies nicht? Doch ist viel Nachfrage nach der Fortsetzung Ihres Unternehmens: und ich wünschte – ich wünschte – Sie wißen wohl was.
Sollten Sie mein Freund nach Rom gehen, und den Hhn: Tieck sehen, so [3] sagen Sie ihn, ich bitte, in meinen Namen, daß er nicht wohl an mir thut: daß mein Unger ihn so ganz der Freund in der Noth war; daß er nicht vergessen sollte: wie oft jener sich wehe that, ihn zu helfen. Aach in dieses Menschen kalter Brust, wer ein schwangres Weib, und liebes Kind einer Grille halber verlassen konnte, waltet die Liebe nicht. Viel weniger Freundschafft & Dankbarkeit
Ich bin izt dabei, mein Etablissement inventiren zu lassen, und alles in Klarheit zu setzen: dies wird Maaßregeln gegen so böse Schuldner veranlaßen, die ihn doch wohl erreichen könnten. Hh: Woltmann der sich seiner Verbindung mit ein halb dutzend Höfchen wegen, für invulnerable hielt habe ich im Cabinet verklagt: es wird wirken.
Ich bin um Ihren Bruder bekümmert, der in einer dem Kriegs & conscribtions nebel unterworfnen Gegend lebt. Der arme arme Friedrich. Wir sind hier in keiner frohen Erwartung in Absicht der politischen Angelegenheiten. Um uns her ist, wo noch nicht Krieg, doch Kriegsgeschrei; und täglich haben wir Durchmärsche Was soll aus den Buchhandel bei der itzigen Klemme werden: wenn Napoleon [4] allem Völkerrechte trotzend deutsche Männer erschießen läßt. Ich habe ein reines Gewißen: und hätte ichs von der Seite nicht; könnte für mein Vaterland sterben; wie gern! den ach, mein Leben ist das Verschlosteste was mein ist! ich liebte Ungern wie wenig Männer geliebt werden. Wir hatten einander von früher jugend zugebildet, und machten so ein wirkliches Ganzes. – Sander der Buchhändler ist verrükt geworden, ist in unsre Königin verliebt, und hat endlich nach einer öffentlichen Anstalt zur Verpflegung gebracht werden. Reimers & Klewitz nehmen sich indes der Geschäfte an.
Geben Sie mir doch bald von sich Nachricht Wer könnte das interressante BrüderPaar vergessen, oder gern von selbiges vergessen werden! und nie nie vergesse ich der frohen Zeit unsres Beisammenseins; es ist einer der wenigen hellen Punkte meines Lebens: der wie ein heller Stern aus Mitternacht hervortritt. Nachher ist uns keine solche Zeit wieder geworden. Ein fataler Colossus erhob sich zwischen uns und trennte die Gemüther. Entfernung & Mißtrauen traten an die Stelle des heitersten Seelen Vereins. Doch war Unger stets Ihrer Liebe werth; bei Gott er wars & bliebs!
Könnte dessen Wittwe das von sich glauben: ein Trost für ihr Leben; das Sie mit voller Seele umfaßt die
Ihrige
Unger.
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