• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Coppet · Date: 09.09.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 09.09.1807
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 147–152.
  • Incipit: „[1] Rom am 9 7br. 1807.
    Schon am Sonnabend hätte ich dir gern geschrieben geliebter Freund und Bruder, nemlich das meine Schwester [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,74
  • Number of Pages: 2 S., hs. m. Paraphe
  • Format: 24,4 x 18,9 cm
    Language
  • German
[1] Rom am 9 7br. 1807.
Schon am Sonnabend hätte ich dir gern geschrieben geliebter Freund und Bruder, nemlich das meine Schwester wirklich und in der That an dem bestimmten Tag von hir abgereist ist und mich in trauriger Einsamkeit hir zurük gelassen. Noch kann ich mich nicht darin finden sie nicht zu sehen und mit ihr zusammen zu sein, und nur die Aussicht, auf baldiges wiedersehn, und die Vorstellung das es durchaus Nothwendig war, kann mir diese Entfernung erträglich machen, und noch habe ich weder Muth noch entschluß recht fest fassen können, um etwas ordentliches zu Arbeiten. sobald es mir aber nur ein bischen besser geth werde ich viel an deinen Zeichnungen Arbeiten, die nun um so viel besser und schöner werden sollen da du so lange hast warten müssen. Schreibe mir doch bald wohin du gehst, ob nach Wien, oder hieher, und wie es mit Nachrichten wegen des Basreliefs steth. Ich habe es nicht abformen lassen, weil das wenigstens eine Arbeit von 14 Tagen gewesen wäre, und des vielen Wachses, welches zur Form nöthig gewesen sehr theuer gewesen sein würde, so das das Vergnügen des Abgusses mit dem Preis in gar kein Verhältniß stände. Will Frau v[on] St.[aël] es so will ich das Modell sehr sauber überarbeiten, und ihr in andrer Zeit dis zuschiken. Oder in spätern bessren Zeiten, besuche ich [sie] noch einmal auf 4 Wochen in Coppet, und forme es dann selbst an dem Platz aufgerichte[t] ab. Welches dann wohl am besten ist, und am schnellsten geth. Denn ich hoffe ja zu Gott nicht immer so Arm zu sein als jezt, und auch einmal einige Wochen zu meinem Vergnügen gebrauchen zu können. Ich hatte mir vorgenommen ein par Tage aufs Land zu gehn, um mich zu zerstreuen, aber es ist in jeder Rüksicht unmöglich, ich bin zu Arm dazu, und ein dummes Geschäft hatt mir so viel Verdruß gemacht, und Kosten das die Zeit verstrichen, Morgen kommt auch schon Shick, der mit seiner Frau einige Monathe auf Castel Gandolpho gelebt herein, und so habe ich Niemand einmal draussen, und allein in einer unbekanten Gegend sein ist auch kein Vergnügen. Humboldts bleiben zwar bis im 9br in Albano, aber ich sehe sie jezt gar nicht mehr, und dis ist also für mich keine Geselschaft dort. Die Brun wohnt draussen, Ida ist eine grosse Verehrerin des Fräulein Humboldt, und scheint wie die ganze Familie äußerst närrisch zu sein. Das dumme Kind lehrt so gleichgültig über dein wieder hübsches Gedicht, und sagt von dir ja er ist ein sehr guter Mensch, ach der gute Schlegel, das ich beinahe so böse würde Grob zu werden, und du weist doch das ich Mädchen nicht grob behandle die sonst hübsch sind und ich sie erst zum ersten oder zweiten male sehe. Sie werden glaube ich eher zur Stadt kommen als H.[umboldt], und dann werde ich sie wohl mehr sehn. Ida tanzt hir gar nicht, singt gar nicht in Geselschaften, zeichnet nur, ohne Talent wie mir vorkomt, und ist erschreklich fadt und übersättigt von allen Dingen. Ich schicke dir den Dritten Akt der Judith unsres Freundes Keller mit, Mit der Bitte wenn du es durchgesehn, es an den Prof. Meÿer nach Weimar zu schikken, aber dir dort nicht merken zu lassen das du ihn hast durch uns kennen gelernt, oder er uns kennt, sondern sehr gleichgültig wie einem ein Fremder etwas zuschikt ihm zu schreiben, er habe dir es zugeschikt, um es durchzusehen [2] und dann ihm zuzusenden. Keller wünscht nemlich das sie es in Weimar geben sollen, und Meÿer ist als Landsmann beide sind Züricher, und haben in Rom zusammen gewohnt, sehr grosse Freunde gewesen. so wünscht er nun das sie es in Weimar geben sollen, um sich etwas mehr bekannt zu machen.
– Eigentlich finde ichs vileicht nicht ganz recht das er es allein für seine Arbeit angibt denn die Schwester hatt zu grossen Antheil daran, doch davon ein ander mal. – Nimm es nicht übel das ich dir dismal so in Eil schreibe trotz allem habe ich die Zeit doch versäummt, und muß weil heut Mittwoch ist machen das die Briefe früher auf die Post kommen. – Gestern vormittag habe ich schon einen Brief von der Schwester aus Florenz gehabt, wo sie scheinen am Mittwoche den 3ten Tag nach ihrer Abreise angekommen zu sein, denn der Brief war vom Donnerstag, und wenn sie also dort Freitag wieder abgereist ist, so ist sie wahrscheinlich Dienstag in Verona gewesen, und kann also heut schon in Tirol ankommen, gebe es Gott das es so ist, und Sie in recht froher Gesundheit dise Reise zurükgelegt hatt. und uns alles zum Heil ausschlägt. Ueberhaupt haben wir jezt viel Glük nöthig um nicht ganz unterzugehen. Doch darüber wird dir die Schwester schon mehr schreiben oder geschrieben haben, als ich kann oder weiß. Ich muß es bewundern wie viele kluge Plane Sie zu entwerffen weis, und so stehen wir villeicht alle an der Stufen eines sehr grossen Glüks, in welchem keiner unsrer Freunde vergessen sein soll und kann. Wie sehnlich wünsche ich mit dir eine Zeitlang wider zu leben, und wenn du bei uns wohntest, dann auch Friedrich einmal eine Reise hieher zu uns machen könnte, versteht sich ohne seine Frau, die doch aus vieler Rüksicht etwas unangenehm ist. – Schreib mir bald wider, so wie ich dir sehr bald schreiben will: – Es wäre auch wohl gut wenn du mir einmal schribst was aus dem Monumente für Auguste werden soll, oder soll ich deshalb an M.[adame] Schelling schreiben? Antworte mir gelegentlich hierauf. Ich bin zwar erböthig andre Plane und Zeichnungen zu machen, die schön sind, und sie dan hir auszuführen. besonders wenn man dabei bleiben sollte das man Basreliefs aus Marmor davon machte und den Klotz aus Sandstein, oder dortigem Stein. Du hattest auch ehemals den Plan die Büste Augustes aus Marmor machen zu lassen. Schreib mir doch darüber, Ueberhaupt hast du dir kein künftiges Leben vorgezeichnet? Wie du es wünschest, wenn du auch noch die Ausführung nicht vor dir siehst. Leb wohl für heut, leb wohl, behalt mich Lieb. Das und ein Par andre Sachen müssen auf die Post.
Dein Bruder F.[riedrich] T.[ieck]
Ist es nicht Toll, das unser Bruder sich gar nicht um uns bekümert, seit er von hier weg ist, noch keine Zeile von ihm.
[1] Rom am 9 7br. 1807.
Schon am Sonnabend hätte ich dir gern geschrieben geliebter Freund und Bruder, nemlich das meine Schwester wirklich und in der That an dem bestimmten Tag von hir abgereist ist und mich in trauriger Einsamkeit hir zurük gelassen. Noch kann ich mich nicht darin finden sie nicht zu sehen und mit ihr zusammen zu sein, und nur die Aussicht, auf baldiges wiedersehn, und die Vorstellung das es durchaus Nothwendig war, kann mir diese Entfernung erträglich machen, und noch habe ich weder Muth noch entschluß recht fest fassen können, um etwas ordentliches zu Arbeiten. sobald es mir aber nur ein bischen besser geth werde ich viel an deinen Zeichnungen Arbeiten, die nun um so viel besser und schöner werden sollen da du so lange hast warten müssen. Schreibe mir doch bald wohin du gehst, ob nach Wien, oder hieher, und wie es mit Nachrichten wegen des Basreliefs steth. Ich habe es nicht abformen lassen, weil das wenigstens eine Arbeit von 14 Tagen gewesen wäre, und des vielen Wachses, welches zur Form nöthig gewesen sehr theuer gewesen sein würde, so das das Vergnügen des Abgusses mit dem Preis in gar kein Verhältniß stände. Will Frau v[on] St.[aël] es so will ich das Modell sehr sauber überarbeiten, und ihr in andrer Zeit dis zuschiken. Oder in spätern bessren Zeiten, besuche ich [sie] noch einmal auf 4 Wochen in Coppet, und forme es dann selbst an dem Platz aufgerichte[t] ab. Welches dann wohl am besten ist, und am schnellsten geth. Denn ich hoffe ja zu Gott nicht immer so Arm zu sein als jezt, und auch einmal einige Wochen zu meinem Vergnügen gebrauchen zu können. Ich hatte mir vorgenommen ein par Tage aufs Land zu gehn, um mich zu zerstreuen, aber es ist in jeder Rüksicht unmöglich, ich bin zu Arm dazu, und ein dummes Geschäft hatt mir so viel Verdruß gemacht, und Kosten das die Zeit verstrichen, Morgen kommt auch schon Shick, der mit seiner Frau einige Monathe auf Castel Gandolpho gelebt herein, und so habe ich Niemand einmal draussen, und allein in einer unbekanten Gegend sein ist auch kein Vergnügen. Humboldts bleiben zwar bis im 9br in Albano, aber ich sehe sie jezt gar nicht mehr, und dis ist also für mich keine Geselschaft dort. Die Brun wohnt draussen, Ida ist eine grosse Verehrerin des Fräulein Humboldt, und scheint wie die ganze Familie äußerst närrisch zu sein. Das dumme Kind lehrt so gleichgültig über dein wieder hübsches Gedicht, und sagt von dir ja er ist ein sehr guter Mensch, ach der gute Schlegel, das ich beinahe so böse würde Grob zu werden, und du weist doch das ich Mädchen nicht grob behandle die sonst hübsch sind und ich sie erst zum ersten oder zweiten male sehe. Sie werden glaube ich eher zur Stadt kommen als H.[umboldt], und dann werde ich sie wohl mehr sehn. Ida tanzt hir gar nicht, singt gar nicht in Geselschaften, zeichnet nur, ohne Talent wie mir vorkomt, und ist erschreklich fadt und übersättigt von allen Dingen. Ich schicke dir den Dritten Akt der Judith unsres Freundes Keller mit, Mit der Bitte wenn du es durchgesehn, es an den Prof. Meÿer nach Weimar zu schikken, aber dir dort nicht merken zu lassen das du ihn hast durch uns kennen gelernt, oder er uns kennt, sondern sehr gleichgültig wie einem ein Fremder etwas zuschikt ihm zu schreiben, er habe dir es zugeschikt, um es durchzusehen [2] und dann ihm zuzusenden. Keller wünscht nemlich das sie es in Weimar geben sollen, und Meÿer ist als Landsmann beide sind Züricher, und haben in Rom zusammen gewohnt, sehr grosse Freunde gewesen. so wünscht er nun das sie es in Weimar geben sollen, um sich etwas mehr bekannt zu machen.
– Eigentlich finde ichs vileicht nicht ganz recht das er es allein für seine Arbeit angibt denn die Schwester hatt zu grossen Antheil daran, doch davon ein ander mal. – Nimm es nicht übel das ich dir dismal so in Eil schreibe trotz allem habe ich die Zeit doch versäummt, und muß weil heut Mittwoch ist machen das die Briefe früher auf die Post kommen. – Gestern vormittag habe ich schon einen Brief von der Schwester aus Florenz gehabt, wo sie scheinen am Mittwoche den 3ten Tag nach ihrer Abreise angekommen zu sein, denn der Brief war vom Donnerstag, und wenn sie also dort Freitag wieder abgereist ist, so ist sie wahrscheinlich Dienstag in Verona gewesen, und kann also heut schon in Tirol ankommen, gebe es Gott das es so ist, und Sie in recht froher Gesundheit dise Reise zurükgelegt hatt. und uns alles zum Heil ausschlägt. Ueberhaupt haben wir jezt viel Glük nöthig um nicht ganz unterzugehen. Doch darüber wird dir die Schwester schon mehr schreiben oder geschrieben haben, als ich kann oder weiß. Ich muß es bewundern wie viele kluge Plane Sie zu entwerffen weis, und so stehen wir villeicht alle an der Stufen eines sehr grossen Glüks, in welchem keiner unsrer Freunde vergessen sein soll und kann. Wie sehnlich wünsche ich mit dir eine Zeitlang wider zu leben, und wenn du bei uns wohntest, dann auch Friedrich einmal eine Reise hieher zu uns machen könnte, versteht sich ohne seine Frau, die doch aus vieler Rüksicht etwas unangenehm ist. – Schreib mir bald wider, so wie ich dir sehr bald schreiben will: – Es wäre auch wohl gut wenn du mir einmal schribst was aus dem Monumente für Auguste werden soll, oder soll ich deshalb an M.[adame] Schelling schreiben? Antworte mir gelegentlich hierauf. Ich bin zwar erböthig andre Plane und Zeichnungen zu machen, die schön sind, und sie dan hir auszuführen. besonders wenn man dabei bleiben sollte das man Basreliefs aus Marmor davon machte und den Klotz aus Sandstein, oder dortigem Stein. Du hattest auch ehemals den Plan die Büste Augustes aus Marmor machen zu lassen. Schreib mir doch darüber, Ueberhaupt hast du dir kein künftiges Leben vorgezeichnet? Wie du es wünschest, wenn du auch noch die Ausführung nicht vor dir siehst. Leb wohl für heut, leb wohl, behalt mich Lieb. Das und ein Par andre Sachen müssen auf die Post.
Dein Bruder F.[riedrich] T.[ieck]
Ist es nicht Toll, das unser Bruder sich gar nicht um uns bekümert, seit er von hier weg ist, noch keine Zeile von ihm.
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