Es hat mir, verehrte gnädige Frau, sehr leid getan, daß unsere heutige Unterredung nicht zustande gekommen ist. Sie waren so gütig, mich mit Ihrem Brief trösten zu wollen. Ich werde mein möglichstes tun, all das, was Sie darin sagen, zu verdienen, und ich wäre untröstlich, wenn ich Ihnen, in was es auch sei, Gelegenheit gäbe, die gute Meinung, die Sie von mir haben, zu ändern. Für mich, der ich das gesellschaftliche Leben gar nicht kenne und der ich mir in beschränkten Verhältnissen einen Weg durch tausend Schwierigkeiten bahnen mußte, ist es selbstverständlich, daß ich frei und aufrichtig geblieben bin, aber selten wird man eine solche Wahrhaftigkeit der Sinnesart, solche Begeisterung für alles Gute und Große wie bei Ihnen bei einer Frau finden, die von ihrem Eintritt in die gesellschaftliche Welt an über alles verfügen konnte, was ihrem Selbstbewußtsein schmeichelte und die dadurch geradezu verführt wurde, sich mehr dem Schein als dem wahren Sein zu verschreiben. Ich würde Scheu haben, mich in einer so glänzenden Gesellschaft wie gestern zu bewegen, wenn sie nicht in Ihrem eigenen Heim stattgefunden hätte; das bewahrt mich sicher davor, eitel und unnatürlich zu werden. Da indessen mein Lebensgefühl nicht sehr stark ist und auch mein Kopf das nicht verträgt, so ist mir von all dem, was ich gestern gehört und gesehen habe, noch etwas wirr, und ich hoffe, Sie werden mir erlauben, daß wir uns lieber allein privat unterhalten. Ich werde morgen wieder mit Vergnügen um zehn Uhr bei Ihnen sein. Mein Gesundheitszustand ist gut und ich habe niemals eine schwache Brust gehabt; wenn ich infolge der sitzenden Lebensweise etwas bleich aussehe, so wird die Ausführung unseres schönen Planes mich auch wieder vollkommen herstellen. Sie sehen aus diesem eiligen Geschreibsel, wie schlecht es noch um mein Französisch bestellt ist. Ich mache mich zum Fürsprecher von Gedanken, sehen Sie bitte über die Form hinweg. Auf morgen!
Mit ergebensten Empfehlungen bin ich, sehr verehrte gnädige Frau,
Ihr gehorsamster Diener
A. W. Schlegel.