Liebster Freund
Endlich kann ich Ihnen melden daß meine Brüder angekommen sind. Die Reise ist so langsam gegangen weil mein Bruder Ludwig noch zu sehr von der Kranckheit angegriffen ist. Er ist sehr mager geworden, der Fuß ist ihm noch sehr geschwollen und macht ihm viele Schmerzen, er geht noch immer mühseelig an einem Stock. Friedrich aber ist recht gesund und stärker geworden, er benüzt ein Atillier um dan sogleich das Basrelief für Fr[au] v. Stael zu machen. Beide lassen Sie recht herzlich grüssen und besonders der Bildhauer wird Ihnen selbst recht bald schreiben. Das es mit Egidio und Isabella so schlecht gegangen thut mir sehr leid da wir alle so sehr wünschen müssen es gedruckt zu sehn. Mein Bruder Ludwig hatt einen vorteilhaften Contrackt durch den Regierungsrath Voigt in Weimar über die Niebelungen gemacht und dieser macht sich [2] eine wahre Freude darauß Geschäfte für uns zu besorgen, wen[n] es also Frommann nicht nehmen solte wie ich es von ihm nicht glaube so bitte ich Sie liebster das Manußsprickt an Voigt zu schiken dem ich darüber schreiben will. Sie könten dann ein grosses für mich thun wen[n] Sie auch gleich so wie es erschiene die Rezension davon machen wolten. Ich hoffe liebster [Freund] daß sich alle meine Angelegenheiten glücklich beendigen nur müssen wir nichts zu thun unterlassen. Ich weiß nicht wie es komt ich bin viel ruhiger und kälter über alles. Nun mein Bruder angekommen ist habe ich erst noch mit Erstaunen erfahren wie viele Lügen und Schlechtigkeiten sich Bernhardi erlaubt. Könte nur einmal die Zeit da sein wo ich an alle diese niedrige Begebenheiten und an alle unglücklichen Stunden meines Lebens nicht mehr zu denken brauchte. Es hat mich sehr gefreut das Ihnen Egidio [3] und Isabella beim nochmaligen Lesen gefallen hatt, ich wünsche nun herzlig daß es bei Flore und Blantscheflur auch der Fall sein mag. Wen[n] Sie Ihre Elegie beendigt haben so hoffe ich daß Sie uns doch sogleich eine Abschrift davon schiken, wir sind alle sehr begiehrig darauf. Bin ich nur erst etwaß gesunder und freier so will ich noch viele weitläuftige Plane ausführen die mir im Sinne liegen. Daß Ihnen die Zeit so verfliegt ist mir eine grosse Kränkung, orndlich mit Sehnsucht sehn alle vernünftige Menschen Ihren Übersetzungen des Schaekspear und Chalderon entgegen und immer ist es vergebens.
Haben Sie von Fouquet sonst keine Nachricht ob er wohl immer noch mit Bernhardi umgehen mag? Die Kinder sind recht wohl und grüssen Sie recht sehr, meine Freude und mein Glück ist es daß meine Brüder hier sind und ich meine Kinder habe, an jedem Tage komt es mir vor als würden sie ein wenig grösser schöner und [4] klüger. Wilhelm lernt recht orndlich, er kann beinahe gut lesen und freut sich sehr darauf nun auch bald Schreiben und dergleichen Künste zu lernen. Mein Bruder wird ihnen auch bald zeichnen lehren. Vergeben Sie mir liebster Freund daß ich Ihnen so kurz und verwirt antworte, ich bin so zerstreut und ich muß an solchen Tagen wo meine Nerven so gereizt sind jede Art von Geschäft vermeiden. Leben Sie recht wohl und recht glücklich und vergessen Sie niemals
Ihre Freundin
S[ophie] Tieck