Herzlich geliebter Bruder, schon wartete ich mit großer Ungeduld und Unruhe auf einen Brief von Dir, als ich Deinen letzten erhielt, der mir so reichhaltige Nachricht von allem giebt. Ich habe Dir freilich nicht so viel zu melden, denn meine Lebensart ist sehr einfach und einsam. Doch will ich treulich alles berichten, was ich in Erfahrung gebracht. – Mein indisches Werk ist endlich fertig, der prosaische Theil nehmlich ganz; zu den schon gemachten poetischen Stücken denke ich noch einige hinzuzufügen. Es erscheint bei Mohr in Frankfurt. Dann geht es unverzüglich an die Redaction des Mittelalters und an Karl V. Ich habe auch schon angefangen zum Behuf des letzten Luthers Schriften in den Nachmittagsstunden zu lesen. Ich werde ihn bloß von der politischen Seite nehmen. Sein Deutsch ist wohl kraftvoll aber doch nicht so schön als ich sonst dachte – wenigstens leidet es gar keinen Vergleich gegen die klare Tiefe des Tauler.
Wenn Du Voß zum Mitarbeiter am Shakespeare nähmst, so glaube ich erzeigst Du ihm fast mehr Ehre als er noch verdient. Denkst Du auf eine Rückkehr nach Deutschland so würdest Du auch Zeit genug haben, ihn allein fortzusetzen. Sonst bin ich freilich sehr damit zufrieden, wenn Du eignen Arbeiten oder was ich fast als dasselbe ansehe Bearbeitungen des Altdeutschen allmählig den Vorzug vor Uebersetzungen giebst.
Müllern will man noch vertheidigen. Einen Ruf ins Würtembergische hat er bis jetzt nicht angenommen. Von Goethe werden aber Plattheiten über Plattheiten erzählt; [2] er schreibt übrigens über Farben und Licht und Gebirge immer fort und führt allstets Deinen Calderone mit sich, welchen selbst er eben so sehr als Deine Uebersetzung unbedingt und vergötternd bewundert. – Hier wäre ich eher der Meinung, Du solltest lieber Sophie Bernhardi zur Gehülfin annehmen, als das Werk ganz liegen lassen. Kann sie auch noch nicht viel spanisch, so wird es ihr doch gewiß leicht werden es zu lernen, und bei ihren übrigen Unternehmungen ist es ihr doch wohl ohnehin ganz unentbehrlich. – Mit Reimern riethe ich Dir zur leichtern Auseinandersetzung ihm den einzelnen Verkauf des principe constante zu verstatten – welcher gewiß allgemeinen Beifall finden wird und wohl so sanft katholisch schön ist, als die Andacht zum Kreuz furchtbar und leidenschaftlich.
Nach Deinem Brief zu urtheilen wird es wohl mit dem Vorschlage nach Rom nichts gewesen sein als ein schönes Projekt. Das thut mir leid, denn ich hatte wohl Lust dazu, da ich die wichtigsten spanischen, italiänischen, lateinischen Werke zu Karl V und der oestreichischen Geschichte doch wohl alle dort fände und man doch zu Rom eben muß einmal gewesen sein. Aus Düsseldorf wird ohnehin den Winter wenigstens nichts werden, da bis jetzt noch nichts geschah und von nichts die Rede ist. – Fodrungen hatte ich übrigens gar nicht in meinem Brief an die Stael gemacht, sondern nur die angenommen, die sie selbst bestimmt, nehmlich 120 Karolin jährlich, Sie schrieb auch von einer eben so [3] starken lebenslänglichen Pension. Darauf antwortete ich ihr, daß dieß wohl nur nach der persönlichen Bekantschaft und bei dauernder Verbindung gefodert werden kann; dagegen müßte das Reisegeld, wovon sie auch schrieb, freilich stark sein, da ich die Reise schwerlich unter 100 L[ouis]d[or] mindestens würde machen können, sei es nun daß meine Frau gleich mit oder von hier nach Dreßden ginge; wenn der Vorschlag sonst zu Stande käme, so möchte allenfalls ein Theil jener Summe als Vorschuß angesehn werden. –
Was Du von Constant schreibst wundert mich gar nicht; er hat mir immer ein Mensch von einem nicht sonderlichen Charakter geschienen. Sehr betrübt mich aber die fortdauernde Peinlichkeit Deiner Verhältnisse! Möchtest Du endlich in Ruhe kommen, und die schöne Zeit nicht so übel verliehren! – Wie ist es möglich, daß zwei edle Naturen auf eine solche Weise mit einander umgehn? In den Vorwürfen die Du berührst, ist freilich das Unrecht ganz und gar auf ihrer Seite. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß sie dahin kommen würde, wenn Du nicht auch sie von andern Seiten zu unsanft behandeltest. – Daß Sie Dir auch meintwegen Vorwürfe macht, wundert mich um so mehr, da ich mir gewiß alle Mühe gegeben habe, mich nützlich zu machen. Meine Freunde hier, die gar nicht reich sondern nur wohlhabend sind, haben nach Verhältniß weit weit mehr für mich gethan. – Es ist mir dieß um so kränkender, da es mir freilich die Hoffnung sehr beschränkt, Dich so lange Deine jetzigen Verhältnisse dauern, wieder zu sehen. – Du hast schon mehr als zu viel für mich gethan. Sonst ist meine Lage jetzt drückender, sorgenvoller und ei[4]gentlich erbärmlicher als jemals. Ich weiß in der That nicht wie ich von einem Tage zum andern kommen soll.
Geht ihr wirklich nach Wien, so beneide ich Dir diese Reise von ganzem Herzen, da ich statt dessen die Trübsal von Aubergenville vorigen Winter mitgenossen habe. Benutze alsdann die Reise nur ja recht; besonders durch Studium der altdeutschen Manuscripte auf der Bibliothek deren es herrliche Schätze dort geben muß. – Deinen Plan, unsern Familien Adel zu erneuern, billige ich gar sehr; ich würde vielleicht dasselbe gethan haben, wenn ich mich in Wien dargestellt und es schicklich gefunden hätte. Nur laß alles fein still und bescheiden abgehen, damit nicht ein zu großes Gepratsche darüber entsteht. – Was mich betrift, so sage alsdenn nur jedermann daß ich an einer Oestreichischen Geschichte arbeite, und wenn sich Gelegenheit findet, so laß die Huldigung irgendwo drucken. Die Gesinnung und Stimmung des Volks in O.[esterreich] soll ganz herrlich sein, die abgeschmackten Ungarn ausgenommen, doch sind auch diese mehr vernagelt als untreu. – Die Dänen haben nun ihr Theil bekommen, und zwar aus dem Salze; Gott lasse es ihnen gut bekommen, daß sie zur Einsicht gelangen mögen, woran ich jedoch zweifle.
Deine einzelnen Gedichte, die bei Cotta erschienen sind, Sehnsucht – Glauben haben viel Beifall gefunden; den Freunden so wie mir selbst gefallen die Jungfrau von Orleans und Dein letztes kleines Gedicht am besten. Dichte nur ja fort und laß Dir die Laune nicht verderben. Der Plan zu den Umrissen auf Reisen ist auch sehr gut; es könnte sehr wirksam sein – – Jetzt aber, lieber Freund, mußt Du mich mit dem Mittel[5]alter nicht im Stich lassen, und ernsthaft dazu thun. Alle Deine Plane sind sehr gut; führe nur aus. – Das alte Gedicht von Karl dem Großen im Schilter kannte ich gar wohl und hatte wohl schon den Gedanken ihn neu zu machen; bei dem Roland habe ich keinen Gebrauch davon gemacht, denn ich wollte eben die lateinische Legende ganz rein geben die zu sehr ein fest in sich geschlossnes reines Kunstganzes ist als daß man etwas andres dazu nehmen könnte. – Da Du den Eschilbach für jetzt zurückschiebst, so will ich sehen ob ich irgend eine Episode mit Hülfe der alten Edition und des Scherz den ich bald haben werde, zu Stande bringen kann. Auch mit dem Freygedank ist es ein guter Gedanke. Am meisten wünschte ich jedoch den Walther von Aquitanien. Es ist eine ganz mittelmäßige Deutsche Uebersetzung von 1782 davon vorhanden, die ich wohl erhalten werde; es ist nur deswegen weil der Verfasser behauptet, nach einem Manuscript übersetzt zu haben, das vollständiger sei als das was Fischer edirt. Davon will ich Dir dann noch Nachricht geben. – Was Dir nicht viel Mühe machen kann, wäre ein Dutzend Minnelieder aus der Bodmerischen Sammlung zu bearbeiten, damit die Leute sehen, daß es noch anders gemacht werden kann, als wie Tieck es gemacht. Doch was Du auch poetisches von altdeutschen Sachen giebst kann nicht anders als schön und sehr nothwendig sein. – Der Theuerdank, den ich habe, ist nicht die alte ächte Ausgabe, doch sind die Holzschnitte gut und das Werk daher kostbar. – Hardenberg wird das Geschäft wegen Deiner Büchersammlung gewiß sehr treu besorgen, [6] ich habe so eben einen Brief von ihm, da er mir schreibt, daß er eine Zeitlang sehr unwohl gewesen, und dieß ist wohl die Ursache daß er Dir nicht gleich geschrieben. Auch scheint er sonst manchen Verdruß zu haben. – Von Stolberg habe ich einen äußerst liebenswürdigen Brief erhalten und will seine persönliche Bekantschaft machen sobald ich mich nur ein wenig frei bewegen kann.
Das hat mich am meisten in Deinem Brief gefreut, daß es Dir in den katholischen Orten der Schweiz so besonders gefallen hat, und Du Dich von neuem in Deinem Glauben und Vorsatz bestärkt hast; ich bin auch gewiß, daß Du nur in diesem Hafen volle Ruhe finden wirst, und daß Dir da eine neue Jugend aufblühen wird von innerm Frieden und klarer Anschauung, wenn Du nur von dem Wesen der Leidenschaft, das doch nur eine falsche Scheinjugend ist, Dich losgemacht hast. –
Was Hardenberg betrift, so habe ich noch etwas vergessen. Ich wünschte daß Du noch das eine Werk der Liebe verrichtetest, den Dichter Garten in der A.[llgemeinen] L.[iteratur] Z.[eitung] anzuzeigen; ich glaube es würde für den Absatz gut sein, und fürchte sonst, daß er großen Schaden leidet.
Der Stael empfiehl mich nur recht angelegentlich und herzlich, denn obwohl es mir scheint als ob sie wegen der geleisteten Gelddienste, alles was ich sonst etwa werth bin, nicht sehr beachte, so hege ich doch eine recht aufrichtige und innige Achtung und Zuneigung gegen sie, und könnte viel darum geben, wenn es möglich wäre, sie von der trostlosen Denkart [7] abzulenken die sie doch selbst so unglücklich macht.
Noch eins. Wäre es Dir irgend möglich – durch Deine Connexionen das Manusrcipt der Niebelungen aus St. Gallen selbst zu erhalten, so versäume es ja nicht; man kann sich für ein Collationiren der Art und eines solchen Gedichts doch auf keinen andern Menschen verlassen.
Steffens lebt bei dem Herrn von Berger in Hollstein, Fichte aber muß nach den letzten Nachrichten bei dem Bombardement in Coppenhagen gewesen sein. Ein neuerer Naturphilosoph Namens Oken war kürzlich bei mir, ein gutes und scharfsinniges Professorchen – aber unglaublich beschränkt sind doch diese Deutschen Litteraten allzumal.
Ich werde nun eine Ankündigung des Mittelalters an Cotta senden; freilich sollte ich sie wohl erst an Dich schicken, aber das dürfte zu lange dauern. Auch kann es nur eine vorläufige sein – die specielle Inhaltsanzeige muß warten bis der Druck anfängt und alles ganz bestimmt ist. – Helmina hat in ihrem Kunst- und Lebensmansch aus Paris unter andern einige Gedichte aus dem Altfranzösischen und eine Stelle aus dem Lancelot in Versen, die ihr zum Erstaunen und ganz über mein Erwarten gut gerathen sind. Wenn ich glaubte, daß sie es immer so gut machte, so würde ich sie einladen, irgend eine interessante Kleinigkeit der Art für unser Mittelalter zu schicken, wo es der Mannichfaltigkeit wegen recht gut wäre. Ich fürchte aber, sie wird es dann allzu gut [8] machen wollen und verderben. Unter den persischen Gedichten von Chezy hat mich No 2 ganz entzückt. – Hast Du Lust meine Bitte wegen der Minnelieder zu erfüllen, so theile ich Dir folgende Bemerkung zur Untersuchung mit. Mich däucht Tieck hat den Charakter der Sylbenmaaße gar nicht gefaßt; sie scheinen mir alle auf einem ganz einfachen Grundsatz zu beruhen – nehmlich alle auf dem alten Alexandriner, das Niebelungen Versmaaß gegründet; nur daß Reime vielfach in Mitten der Verse eingeflochten sind, und endlich durch Verlängerung und Verkürzung der Versglieder der Vers von der gewöhnlichen Länge von 13, 14 Sylben sehr abgeht, und wie man es ansieht entweder viel kürzer oder viel länger ist, das letzte scheint mir richtiger. Ich würde sie daher auch ganz nach diesem Schema abdrucken lassen, und solche Gedichte zuerst nehmen die sich den wirklichen Niebelungischen Alexandrinern am meisten nähern, und Stufenweise diejenigen folgen lassen die mehr davon abgehen.
Der Primaleone ist leider zu lang und zu modern märchenhaft für das Mittelalter; der Schluß des Ogier, ein schönes und ziemlich merkwürdiges Stück mag unter den Miscellen seinen Platz finden. – Ueber den Macchiavelli Parallele von Deutschland und Frankreich tritt Bedenken ein wegen der Censur; ließ es doch, ich halte es für Macchiavellis bestes Werk, wenigstens ist es das prophetischste. Gott sei mit Dir. Meine Frau grüßt herzlich.
Friedrich.
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[auf losem Zettel:]
Ich bin sehr begierig, wie Deine Comparaison wirken wird – laß Dich aber doch ja nicht verführen mehr französisch zu schreiben. Es ist mit dem verstockten Heidenvolke doch nichts anzufangen.
Die Inschrift meines Nahmens an dem Schweizersee ist eine zufällige Uebereinstimmung des Nahmens oder es ist ein unbekannter Freund von mir.
Die Unger hat noch immer nichts geschickt. Ein recht großes Unglück ist es für mich, daß ich in dieser traurigen Zeit Cottas Anerbieten nicht angenommen. Könntest Du nicht in der A.[llgemeinen] L.[iteratur] Z.[eitung] auch ein Paar Zeilen über Lother und Maller sagen? – Da es gar nicht von uns sondern ganz der alte ist, so darfst Du es ja ohne Unschicklichkeit loben.
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