Geliebter Bruder, in dem großen Briefe, welcher dem kleinen, worin Du bloß schaltest, folgte, scheinst Du zwar anfangs nicht schelten zu wollen; nachher kommt es aber doch eben so heraus. Vielleicht hast Du auch nach Deiner Weise Recht; doch wenn Du alle Sorgen und Kämpfe wüßtest, die ich hier schon bestanden habe, so würdest Du mehr Theilnahme als Unwillen fühlen. Mündlich einmal mehr davon. Manches ist nur für die mündliche Mittheilung geeignet. – Indessen will ich nun alles mögliche zu thun suchen, um Deine Zufriedenheit zu erhalten. Da Dir doch mit kurzen Briefen nicht gedient ist, so werde ich Dir lieber seltner schreiben, dagegen aber mache Dich auf förmliche Abhandlungen und kleine Bücher in Briefform gefaßt!
Graf Sickingen wird Dir selbst antworten; Dein Brief schien ihm sehr viele Freude gemacht zu haben. Er hatte gemeint, wenn auch die Stael dießmal nicht gleich käme, würdest Du wenigstens den Albert selbst abhohlen, und es schien als ob ihm dieß sehr recht und angenehm gewesen sein würde. Wegen der Familien-Nachricht vom Franz Sickingen habe ich mit ihm gesprochen; es ist leider alles sehr zerstreut und gar nicht hier. Der Kaiser wird im Anfang des kommenden Monaths erwartet. Ich habe mich nun wohl besonnen, daß Deine Aufschrift Franz I sich auf [2] das östreichische Erbkaiserthum bezieht. Ich Narr zähle immer noch rückwärts nach dem alten Deutschen Reich. – Ob es rathsam sein wird, bei der Zurückkunft Deinen Brief zu überreichen, weiß ich noch nicht, so schön der Brief abgefaßt ist. Wenigstens scheint es mir, daß das was mich betrift, einiger Aenderung bedürfe, da Du doch dabei jene nun gehobne Verdrießlichkeit im Sinne hattest. Ich werde darin ganz nach Sickingens Rath handeln. Wenn er aber auch meint daß dieser Brief nicht überreicht werden soll, so wünschte ich doch daß Du recht bald einen ähnlichen Brief entwerfen möchtest; wozu eine äußere Gelegenheit die beste Veranlaßung ist. Daß Du ein Exemplar der dramatischen Vorlesungen übersendest und mit einem Brief begleitest, wäre wohl ohnehin sehr schicklich. Aber das dauert noch wohl ziemlich lange. Hättest Du irgend ein Gedicht etwa auf die Krönung der Kaiserin in Ungarn pp gemacht, so gäbe dieß auch eine vortrefliche Gelegenheit. Du wirst sagen, daß ich als Anwesender dieß weit eher hätte thun können und sollen; aber ich bin durchaus unfähig zu so etwas, wenn mich nicht die unmittelbare Anschauung dazu begeistert. Die Reise nach Preßburg mußte ich mir aber versagen, denn wiewohl die Reise eben nicht bedeutend ist, so ist doch die Parthie jedem sehr theuer [3] gekommen, wegen des entsetzlichen Zusammenflusses von Menschen. Auf die Spanier und für die Landwehr habe ich schon längst etwas im Sinne; die Schwierigkeit ist nur daß man es eben so allgemein verständlich und doch druckbar macht, als etwa die Rückkehr des Gefangenen. – Ueber den Coxe werde ich etwas in die vaterländischen Blätter geben; die Recension des Hormayr bleibt aber für die Heidelberger. Nur die letzte Epoche in der Geschichte des Coxe hat einigen Werth, wegen Benutzung ungedruckter Papiere der Englischen Gesandten, und der Darstellung des ganzen Verhältnisses zwischen Oesterreich und England. Kommt meine Frau diesen Winter noch her, so will ich sehn, daß ich eine Uebersetzung dieses letzten Theils des Ganzen veranstalte. Es war keine geringe Arbeit, diese 3, 4 Bände durchzuackern.
Mit Albert lese ich jetzt den Tacitus de moribus Germanorum. Ich war sehr zufrieden mit ihm, und ganz erstaunt, daß er das Latein so wenig vergessen hat. – Daß er in den Ferien bei Graf M.[oritz] Odonell wohnte, erfuhr ich erst sehr spät, und hätte es auch gar nicht hindern können, da ich dazu gar keine Autorität hatte. Ich bin aber gewiß, daß er sich während dieser Zeit sehr gut aufgeführt hat. – In das Verhältniß mit M.[oritz] Odonell wird es mir schwer, tiefer einzugehn, weil es mir noch ganz räthselhaft ist. Nach Deinen [4] Aeußerungen zu schließen – und so erschien es mir auch – war es gar nicht so ernsthaft, daß von einem dauernden Einfluß auf das Leben bei einem oder dem andern Theil die Rede gewesen wäre. Dann begreife ich aber auch gar nicht, warum die Stael es so schwer nimmt, und sich durch eine solche geringe Disharmonie, dergleichen man doch überall hat oder findet, von dem schönen reichen Wien will abhalten lassen.
Lieber Freund, Du mußt nicht böse werden, daß ich von dem GeldAnerbieten der Stael Gebrauch gemacht. Ich würde in meiner Lage hier, wenn es mir vollends auch noch an Geld fehlte, mich vor Angst nicht zu lassen wissen, und keine Nacht mehr schlafen können. – Sei aber versichert, daß ich nur auf Vorrath denke und mir keine unnütze Ausgabe erlaube.
Meine Frau ist in gutem Wohlsein in Dreßden. Seit einigen Wochen sind ihre beiden Söhne bei ihr. Daß der älteste (seit ungefähr 2 Jahren) entschlossen ist ein Mahler zu werden, weißt Du vielleicht; mir ist es schon deshalb erwünscht, daß er dadurch wenigstens eine durchaus antikaufmännische Bildung erhält. Meine Frau, die anfangs den Gedanken hatte, die beiden Knaben mit nach Wien zu bringen, und sie hier studiren zu lassen, hat nun doch nach eingezogner Erkundigung für [5] besser gefunden, ihnen dort ihre Studien einzurichten, wo sie nun also noch ein Jahr bleiben werden. Sie hat in Folge dessen, da wir schon so lange getrennt sind, den Entschluß gefaßt, herzukommen. Mir kann dieß nicht anders als erwünscht sein. Freilich wird es anfangs mehr kosten. Dagegen kann sie dann aber auch, wenn sie bei mir ist (was sonst nicht möglich ist, weil ich alles durchsehn muß), durch litterarische Arbeiten – Primaleone, Uebersetzung der neuen arabischen Mährchen von Hammer, vielleicht auch wie ich oben schrieb, des Coxe – unsre Einkünfte vermehren. Was mir vollends unmöglich macht, ihrem Wunsch entgegen zu sein, ist der Gedanke, daß vielleicht der künftige Sommer uns wieder trennen wird! – So erfreulich mir jede Aussicht ist, Dich wieder zu sehn, so kann ich Dir doch nicht läugnen, daß es mir lieber wäre, wenn auch nicht grade hier doch irgendwo in Deutschland mit Dir zu leben, als dort im Auslande. Doch die Hauptsache ist freilich immer, daß wir beisammen sind, wovon ich immer mehr die Nothwendigkeit fühle. – Liebster Bruder, meine Briefe enthalten oft Klagen, oder wenigstens Aeßerungen denen ein solches Gefühl zum Grunde liegt. Schilt mich aber deshalb nicht für weichlich. Ich weiß wohl, daß Du auch nicht durchaus auf Rosen ruhst, und ich muß es bewundern – besonders wenn Du es durchsetzest am Shakespear so fort zu arbeiten – [6] wie Du bei allem Störenden so viel für Dich und andre und für die Nachwelt zu Stande bringen und bewirken kannst. – Wegen Deiner Gesundheit bin ich nicht ganz ohne Sorge. Ist das Uebel, worauf Du deutest, dasselbe, wovon Du einmal in Holland und dann in Jena littest, so nimm Dich ja vor den französischen Aertzten in Acht. Das Nicht-Reiten versteht sich in diesem Falle zwar von selbst; keineswegs aber das Nicht-Weintrinken da jene Gonorrhoea benigna ein durchaus asthenisches Uebel ist. Astringirende Waschmittel sind gewiß das beste. Andre Reizmittel aber, deren Du Dich sonst außer dem Wein oft bedientest – als Pfefferminze, Liqueur, Chokolate pp – solltest Du mehr vermeiden. Ich selbst bin auch sorglich über meine Gesundheit; ich fürchte nemlich, die sehr starke und üble Flechte die ich die vorigen Jahre an den Armen gehabt, im Gesicht zu bekommen. Ich werde freilich tapfer dagegen arbeiten und brauchen; nur sind selbst die Mittel, die gegen dieses Uebel einzig helfen, wie Kali, Zinkblume, Cicuta, Merkur pp für den Körper sehr angreifend. Ein 14 Tage her litt ich sehr an übler Verdauung und Diarrhoe. Das letzte Uebel hat mich eigentlich vorigen Posttag zu schreiben abgehalten.
Endlich scheint es, daß der gefesselte Prometheus doch noch auf einen Befreier hoffen darf. Wenigstens hat [7] Cotta wegen Uebernahme des Verlags nicht ganz abschläglich geantwortet. Geht dieß in Erfüllung, so will ich dann selbst auch eifrig mitwirken. Bisher mußte man alle Lust verliehren. Dann muß aber auch Seckendorf einiges wesentlich verändern; das kleine Weimarsche Gesindel Falk-Fernow-Meier-Stoll – hätte gleich anfangs gar nicht dazu gezogen werden sollen. – Den Tristan aber hoffe ich doch giebst Du mir auf jeden Fall in die Europa, wenn Du nehmlich dabei bleibst, ihn sehr bald drucken lassen zu wollen, und ihn nicht etwa für die neue Ausgabe Deiner Gedichte zurücklegen willst. – In diese neue Ausgabe mußt Du ja alle komischen Gedichte aufnehmen (das auf Voß und Matthisson versteht sich – ich riethe aber auch das herrliche auf Fichte). Unter denen auf Kotzebue hast Du, da es ihrer genung sind, eher die Auswahl, falls Du etwa [das eine] oder das andre zurücklassen willst; das Dramolet vom Inhumanus versteht sich. Wie kann die Stael Dir darin rathen wollen, da sie dazu doch die Deutschen Verhältnisse lange nicht genug kennt? Laß Dich wenigstens auf keine Weise dadurch irre machen.
Mit der Nuys, lieber Freund, das ist gar nicht eine so leere Einbildung von mir, als Du denkst. Von eben einem jener selben Männer, deren Rath ich in allem zu folgen so viel Ursache habe, weiß ich, daß sie allerdings hier sehr verdächtig [8] ist, und daß dieser Zusammenhang Dir und unsrer Sache geschadet hat. – Angenehme Abende könntest Du hier leicht finden, wenn Du nur wolltest. Denn wie viele junge hübsche und geistreiche Weiber würden sich freuen, Dich öfter zu sehn, unter denen manche gegen einen Mann wie Du, auch weiter nicht all zu strenge sein würde. – Mir ist das Verhältniß der N.[uys] mit Andr.[éossi] unerträglich. Ueberhaupt habe ich es mir zum festen Grundsatz gemacht, zum Umgang nur solche Leute zu wählen, die gut patriotisch denken. Collin lerne ich sehr schätzen; Haschka desgleichen.
Du solltest einmal, wenn Du Zeit übrig hast, auf einen Zettel schreiben, welche meiner schon gedruckten Gedichte Du bei einer Sammlung ganz zu verwerfen findest, welche bloß zu verbessern. Am Alarkos weiß ich eben nichts zu bessern, als einige einzelne Stellen. Was ihm an Motivirung und Entfaltung als Drama fehlt, scheint mir nicht möglich nachzuhelfen. Tieck laß ihn uns einmal sehr schön vor; er war mir sehr fremd geworden, da ich ihn viele Jahre nicht angesehn hatte. Da gefielen mir einzelne Stellen ausnehmend, das Ganze fand ich so wie besagt.
Tieck hatte seine Behandlung der Niebelungen mit hier. Ich finde, daß er entweder zu wenig oder zu viel [9] geändert hat. Meine Meinung ist; Entweder eine ganz neue Dichtung und totale Umbildung (ohne eine solche scheint mir die Wiedervereinigung mit den skandinavischen Sagen nicht erreichbar) – oder eine kritische Ausgabe. Die letzte mußt Du einmal uns und der Nachwelt, und dem Vaterlande geben. Zögere nur nicht zu lange! –
Schreibe mir doch Henriettens Addresse. Ich habe ihr schon lange schreiben wollen; es aber nicht gekonnt, weil mir die Addresse fehlte. – Klinger ist wieder hier seit einigen Tagen; Brentanoʼs, die ganze Sippschaft war in München, sie lassen sich in Landshut nieder, wo Savigny eine Stelle hat. Sie treiben viel Muthwillen gegen die alte philosophische Perücke, den Jakobi. Es ist nur Schade, daß es selbst solches Gesindel ist. Von Sophie haben wir aus München noch keine Nachricht. Knorring ist immer noch hier, weil seine Geschäfte noch nicht beendigt sind.
Goethens Werke Th. 5–12 habe ich nun endlich erhalten. Das war aber nicht sehr die Mühe werth, da ist ja herzlich wenig neues darin. Ich muß nun aber doch das auch recensiren und b sagen, weil ich einmal a gesagt. Doch gehn die historischen Arbeiten jetzt vor. Melde mir doch was Du von der Achilleis denkst, damit ich ein Urtheil darüber habe.
[10] Das Gerede von den Unannehmlichkeiten in Sachsen und andre ungünstige Aeußerungen darüber gründet sich bloß auf die Verbindung mit G[ent]z, die man natürlich erfahren und sehr übel vermerkt hat.
Der Erzherzog Johann ist fortdauernd in Steiermark und Krain, und wenig Hoffnung daß er auf längere Zeit anher kommen wird. – Ohms kenne ich durch Sickingens Empfehlung. Der jetzige Polizei Direktor Baron Hager ist weniger mit Rottenhan, Sickingen in Verbindung als der vorige; das machte eben den Anstoß.
Fast vergeht jetzt kein Tag, daß ich nicht irgend eine neue wichtige Bekanntschaft mache. Aber sehr wahr finde ich, was Genz mir in kurzen Worten sagte; daß alles hier unglaublich langsam gehe, und man kaum in einem halben Jahr die Fortschritte merke.
Den ehrlichen Ulenspegel grüße nur recht sehr von mir. Gewiß, er ist weit dummer als bös. Der HE. Heckscher ist ein sehr reicher jüdischer Banquier in Hamburg-Paris ansäßig, an welchem letzten Orte ich ihn mehrmale gesehn, da er Henriette kennt, und mit den Brüdern meiner Frau in Handelsverbindung steht.
Mit dem „Stillschweigend hier bleiben“ ohne um Erlaubniß anzuhalten, da bist Du übel berichtet, Freund. Du bist in ganz andren Verhältnissen hier gewesen. Das geht aber sonst so gar nicht. Schon am 5ten Oktober erhielt ich eine Citation auf die kleine [11] Polizei, „warum ich am 3ten nicht abgereißt sei“. Ich hatte unterdessen schon die fernere Erlaubniß (was jene nicht wußte) von der Ober-Polizei erhalten, und so machte es nichts. Indessen siehst Du doch!
Weißt Du, lieber Bruder, was ich eigentlich am meisten wünschte, daß Du an den Kaiser schriebst? – Anhalten um die Erneuerung unsres Adels! Eher ich hier war und alles selbst gesehn hatte, hielt ich es für ein bloßes sehr zu billigendes Familiengefühl von Dir; ich war nicht dagegen aber auch nicht so sehr dafür. Jetzt sehe ich es für recht nothwendig an. Erstlich einmal würde es einigermaßen erörtern helfen, welche Art von Anstellung ich hier suchen und wünschen kann; und dann, was das wichtigste ist, da es ungrischer Adel ist, so werden wir dadurch eo ipso Oesterreicher. Ich bitte Dich daher, diese Sache mit dem äußersten Eifer zu betreiben. Ich habe geglaubt, Du hättest Dir die Urkunde selbst von Moritz schon geben lassen. Du solltest ihm wenigstens gleich deshalb schreiben. Und unterdessen melde mir doch das Jahr in welchem der Brief ausgestellt worden; ferner, welches Amt in Oesterreich und wo dieser Christoph Schl.[egel] bekleidete, dem der Adel ertheilt worden.
[12] Ich umarme Dich von ganzer Seele von ganzem Herzen und von ganzem Gemüthe.
Ewig der Deine
Friedrich.
So eben erhalte ich einen Brief von meiner Frau, daß sie ohne meinen letzten Brief abzuwarten am 22ten abreisen werde, also abgereißt sei. Der Himmel gebe daß sie gut ankommt; ich muß nun sehn, wie ich alles mit Vernunft einrichte. –
Fr Sch.[legel]
Ich habe einen langen Brief an die Stael geschrieben. Allein es ist nur noch eine Viertelstunde hin, ich kann ihn nicht mehr abschreiben, sonst würde auch dieser liegen bleiben. Also entschuldige mich bis Sonnabend und lebe wohl.
Heute ist auch Haschka, der auf dem Lande war, wieder zur Stadt gekommen. Er empfiehlt sich Deinem Andenken.