• August Wilhelm von Schlegel to Johann Wolfgang von Goethe

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Weimar · Date: 04.04.1800
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johann Wolfgang von Goethe
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Weimar
  • Date: 04.04.1800
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: August Wilhelm und Friedrich Schlegel im Briefwechsel mit Schiller und Goethe. Hg. v. Josef Körner u. Ernst Wieneke. Leipzig 1926, S. 100‒101.
  • Verlag: Insel Verlag
  • Incipit: „[1] Jena d. 4 Apr. 1800
    Haben Sie tausend Dank für Ihre schöne Sendung und den erfreulichen Brief. Ich werde den [...]“
    Manuscript
  • Provider: Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 28/805 St. 20
  • Provenance: Klassik Stiftung Weimar
    Language
  • German
[1] Jena d. 4 Apr. 1800
Haben Sie tausend Dank für Ihre schöne Sendung und den erfreulichen Brief. Ich werde den Mahomet für sich und in Vergleichung mit dem franz. Texte studiren, und nun den goldnen Klang so mancher Verse, und die erhöhende Milderung des Ausdrucks, die mir bey der Aufführung nicht entgingen, näher betrachten können.
Sie erhalten hiebey zwey Exemplare vom Athenäum wovon ich das eine an H. Hofr. Schiller zu befördern bitte. Dießmal ist, wie Sie sehen werden, fast alles von meinem Bruder, von mir bloß die Kritik über Matthisson und Voß. Das über Garveʼs nachgelassene Schriften ist von dem Vf. der Reden über die Religion. ‒ Das Gespräch über die Poesie hat leider an der unrechten Stelle abgebrochen werden müssen; es fehlt nicht viel mehr als ein Bogen.
Was Sie von einem angefangnen Werke schreiben, macht mich freylich unendlich begierig auf die Mittheilung, doch kann ich nichts gegen den Aufschub derselben einwenden. Denn [2] von einem allzu kleinen Theile eines Kunstwerkes kann man sich gar zu leicht einen irrigen Eindruck machen, und indem man nicht im Stande ist den Gang zu übersehen und etwas treffendes darüber zu sagen, den Urheber selbst über die hervorgebrachte Wirkung irre leiten. Sie sollten nur ja, wenn die schöne Jahrszeit eintritt, alle Hindernisse bey Seite schaffen um es zu fördern. Wo immer ein poetischer Plan den andern drängt, da ist jeder Zeitverlust mehr als Zeitverlust.
Ich bin jetzt auch wieder an allerley Studien zu Projekten, und möchte daher jetzt um das altdeutsche Buch von der Weimarschen Bibliothek bitten, wovon Sie mir letzthin einmal schrieben. Ich lege deswegen einen Zettel bey. – Zugleich wollte ich fragen, ob nicht jemand in Ihrer Bekanntschaft die französische Bibliotheque des Romans hat. (Nicht das Tressansche Corps dʼextraits) Es wäre mir sehr geholfen wenn ich sie, und zwar fürs erste die ersten vier bis fünf Bände haben könnte. Ich muß sehr um Verzeihung bitten, daß ich Sie so häufig mit solchen Anliegen behellige, ich bin hier manchmal sehr in der Büchernoth, zwar kann ich aus Göttingen Bücher bekommen, [3] doch ist das mit Weitläuftigkeit und Kosten verbunden.
Die Sonette von Aretin werde ich mit aller Artistischen Abstraction studiren. Dieses erste ist wirklich eine freygebige und magnifique Ankündigung, – die poetische Frechheit hat doch unter allen Gestalten etwas göttliches.
Wegen des Reineke Fuchs können wir uns mündlich ausführlicher besprechen. Für die Wirkung die er bey Alten und Jungen bis auf die kleinsten Kinder nicht verfehlen kann, ist die jetzige Bearbeitung völlig hinreichend. Eine neue wäre hauptsächlich nur ein Kompliment, das den Fortschritten der alten Sylbenmaße gemacht würde. Der größte Vortheil dabey wäre vielleicht, daß hier u da die Ausführung noch mehr homerisirt werden würde.
Mit der Besserung meiner Frau geht es sehr langsam vorwärts. Eine Zeitlang hat sie regelmäßig gute und schlimme Tage gehabt, dieser Wechsel scheint jetzt aufgehört zu haben, doch kommen die Krämpfe unter veränderten Gestalten immer wieder. Ich [4] danke Ihnen in unser beyder Namen für Ihre herzlichen Wünsche und Theilnahme.
Empfehlen Sie mich doch den H. Meyer und Buri bestens. Es bedürfte gewiß keiner Einladungen, um mich bey der ersten Gelegenheit wieder nach Weimar zu locken, wenn ich nicht fürchtete Sie zu stören und Ihnen Zeit zu rauben.
Wenn Sie einmal gelegentlich dem Buchhändler Cotta ein Wort über meine Gedichte sagen könnten, so würden Sie mich sehr verbinden. Ich bin überzeugt daß der Verlag derselben nicht zu seinem Schaden gereichen wird, doch möchte ich ihm gerne vorläufig Zutrauen einflößen, damit er nicht bey feindseligen öffentlichen Urtheilen, die gewiß zu erwarten sind, bange für den Erfolg wird.
Leben Sie recht wohl und gedenken Sie unser.
AWSchlegel
[1] Jena d. 4 Apr. 1800
Haben Sie tausend Dank für Ihre schöne Sendung und den erfreulichen Brief. Ich werde den Mahomet für sich und in Vergleichung mit dem franz. Texte studiren, und nun den goldnen Klang so mancher Verse, und die erhöhende Milderung des Ausdrucks, die mir bey der Aufführung nicht entgingen, näher betrachten können.
Sie erhalten hiebey zwey Exemplare vom Athenäum wovon ich das eine an H. Hofr. Schiller zu befördern bitte. Dießmal ist, wie Sie sehen werden, fast alles von meinem Bruder, von mir bloß die Kritik über Matthisson und Voß. Das über Garveʼs nachgelassene Schriften ist von dem Vf. der Reden über die Religion. ‒ Das Gespräch über die Poesie hat leider an der unrechten Stelle abgebrochen werden müssen; es fehlt nicht viel mehr als ein Bogen.
Was Sie von einem angefangnen Werke schreiben, macht mich freylich unendlich begierig auf die Mittheilung, doch kann ich nichts gegen den Aufschub derselben einwenden. Denn [2] von einem allzu kleinen Theile eines Kunstwerkes kann man sich gar zu leicht einen irrigen Eindruck machen, und indem man nicht im Stande ist den Gang zu übersehen und etwas treffendes darüber zu sagen, den Urheber selbst über die hervorgebrachte Wirkung irre leiten. Sie sollten nur ja, wenn die schöne Jahrszeit eintritt, alle Hindernisse bey Seite schaffen um es zu fördern. Wo immer ein poetischer Plan den andern drängt, da ist jeder Zeitverlust mehr als Zeitverlust.
Ich bin jetzt auch wieder an allerley Studien zu Projekten, und möchte daher jetzt um das altdeutsche Buch von der Weimarschen Bibliothek bitten, wovon Sie mir letzthin einmal schrieben. Ich lege deswegen einen Zettel bey. – Zugleich wollte ich fragen, ob nicht jemand in Ihrer Bekanntschaft die französische Bibliotheque des Romans hat. (Nicht das Tressansche Corps dʼextraits) Es wäre mir sehr geholfen wenn ich sie, und zwar fürs erste die ersten vier bis fünf Bände haben könnte. Ich muß sehr um Verzeihung bitten, daß ich Sie so häufig mit solchen Anliegen behellige, ich bin hier manchmal sehr in der Büchernoth, zwar kann ich aus Göttingen Bücher bekommen, [3] doch ist das mit Weitläuftigkeit und Kosten verbunden.
Die Sonette von Aretin werde ich mit aller Artistischen Abstraction studiren. Dieses erste ist wirklich eine freygebige und magnifique Ankündigung, – die poetische Frechheit hat doch unter allen Gestalten etwas göttliches.
Wegen des Reineke Fuchs können wir uns mündlich ausführlicher besprechen. Für die Wirkung die er bey Alten und Jungen bis auf die kleinsten Kinder nicht verfehlen kann, ist die jetzige Bearbeitung völlig hinreichend. Eine neue wäre hauptsächlich nur ein Kompliment, das den Fortschritten der alten Sylbenmaße gemacht würde. Der größte Vortheil dabey wäre vielleicht, daß hier u da die Ausführung noch mehr homerisirt werden würde.
Mit der Besserung meiner Frau geht es sehr langsam vorwärts. Eine Zeitlang hat sie regelmäßig gute und schlimme Tage gehabt, dieser Wechsel scheint jetzt aufgehört zu haben, doch kommen die Krämpfe unter veränderten Gestalten immer wieder. Ich [4] danke Ihnen in unser beyder Namen für Ihre herzlichen Wünsche und Theilnahme.
Empfehlen Sie mich doch den H. Meyer und Buri bestens. Es bedürfte gewiß keiner Einladungen, um mich bey der ersten Gelegenheit wieder nach Weimar zu locken, wenn ich nicht fürchtete Sie zu stören und Ihnen Zeit zu rauben.
Wenn Sie einmal gelegentlich dem Buchhändler Cotta ein Wort über meine Gedichte sagen könnten, so würden Sie mich sehr verbinden. Ich bin überzeugt daß der Verlag derselben nicht zu seinem Schaden gereichen wird, doch möchte ich ihm gerne vorläufig Zutrauen einflößen, damit er nicht bey feindseligen öffentlichen Urtheilen, die gewiß zu erwarten sind, bange für den Erfolg wird.
Leben Sie recht wohl und gedenken Sie unser.
AWSchlegel
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