Endlich bin ich nach einer langen Abwesenheit wieder hier eingetroffen, mit der gewissen Zuversicht, daß ich ungeachtet derselben noch nicht ganz bey Ihnen werde vergessen seyn. Ich hatte auf die Freude gerechnet, Sie sogleich in Weimar mündlich begrüßen zu können; da ich aber für jetzt noch darauf Verzicht thun muß, will ich es wenigstens von hier aus schriftlich thun. Ich bringe verschiednes mit, um Ihnen meine Ankunft interessanter zu machen: einen Brief oder kleines Packet vom Hofrath Hirt nebst einer kleinen antiken Bronze; zwey Zeichnungen, die um den Preis bey Ihren beyden Aufgaben werben sollen; ferner kann ich Ihnen mein Porträt, von Buri gezeichnet, zeigen. Zu erzählen wird es auch mancherley geben.
Zunächst aber habe ich Ihnen einen Auftrag auszurichten, bey dem keine Versäumniß Statt findet. Madame Unzelmann erbietet sich nämlich, in der letzten Hälfte des Septembers auf dem Weimarschen Theater zu spielen, und ist entschlossen diesen Besuch zu machen, sobald sie nur weiß, daß sie willkommen seyn wird, daß sie nichts dadurch stört, und keinem Verhältnisse in den Weg tritt. Es bedarf dazu keiner förmlichen und offiziellen Einladung, sondern nur eines Winkes von Ihnen. Wenn sie hätte [2] voraussetzen können, die Schauspieler-Gesellschaft in Weimar vorzufinden, so würde sie gar nicht einmal vorläufig angefragt haben, sondern geradezu gekommen seyn; allein da das Theater gewöhnlich erst mit dem Oktober eröffnet wird, so müßte deßhalb doch eine besondre Veranstaltung getroffen werden. Auch [auf] pecuniäre Bedingungen kommt es ihr dabey im mindesten nicht an, sie ist gesonnen dieß mal für die Ehre und ihr eignes Vergnügen ihr Talent aufzuwenden. Sie sagte mir noch ausdrücklich, wenn sie nur die einzige Rolle der Maria Stuart spielen sollte, um Ihr und Schillers Urtheil darüber zu hören, so würde sie schon befriedigt seyn.
Von Berlin ist sie am 24sten Jul. abgereist und gegenwärtig in Breslau. Von dort schreibt sie mir unter dem 1ten Aug., daß sie schon einmal aufgetreten sey, und einen Tag um den andern spiele. Die zwölf Rollen, auf die sie engagirt ist, werden also schon vor Ende Augusts gespielt seyn. Indessen wird sie wahrscheinlich noch eine Anzahl darüber spielen und also bis in die ersten Tage des Septembers dort bleiben. Die Reise hieher ist nicht kurz, sie wird fünf bis sechs Tage unterwegs seyn müssen, also würde sie etwa gegen die Mitte Septembers eintreffen. Ihr Urlaub ist auf zwey Monate, sie kann ihn wohl [3] um etwas verlängern, so daß auf den Aufenthalt in Weimar 10 bis höchstens 14 Tage kämen. Sie wird in dieser Zeit gern so viel spielen als es die Umstände nur immer erlauben; sie ist es schon gewohnt, zuweilen alle Tage auf der Bühne zu erscheinen.
Ihr Auftrag war, gleich bey meiner Ankunft hier die Sache bey Ihnen, oder in Ihrer Abwesenheit bey Schiller einzuleiten. Da ich Sie aber beyde verreist fand, so habe ich keinen Posttag versäumt Ihnen zu schreiben, und zwar glaubte ich Sie am sichersten mit meinem Brief in Cassel zu erreichen, da mir Geheime-Hofrath Loder meldet, daß Sie in diesen Tagen Göttingen verlassen würden. Die Sache leidet, wie Sie sehen, keinen Aufschub; wenn es irgend möglich wäre, wünschte ich, Sie schrieben sogleich von Ihrem jetztigen Aufenthalte aus nach Breslau, (die dortige Addresse der Madame Unzelmann ist: in der Stadt Paris.) damit sie sich darnach einrichten, und die Zeit ihrer Ankunft demnächst genauer bestimmen kann. Ich höre hier versichern, Iffland werde mit Anfang Sept. eintreffen, was ich zwar nach meiner Kenntniß der jetzigen Lage des Berliner Theaters nicht glaube. Wäre es indessen gegründet, so würden die Schauspieler nicht besonders wegen Mad. Unzelmann früher zurückgerufen werden dürfen, und es bliebe [4] Ihnen überlassen, ob Sie das Weimarsche Publicum mit der Erscheinung der ersten Deutschen Schauspielerin überraschen, und nichts zuvor wollen bekannt werden lassen. Bis jetzt ist dieser Plan sowohl hier als in Berlin ganz geheim gehalten worden. Sie selbst würde freylich von Ihnen baldigst bestimmte Nachricht erhalten müssen.
Ich schreibe dieß in Eil, und verspare alles übrige aufs mündliche. Leben Sie unterdessen recht wohl, bald hoffe ich Sie in guter Gesundheit wiederzusehen.
AWSchlegel
Sollte dieser Brief Sie noch in Cassel treffen, so könnten Sie mir eine große Gefälligkeit erweisen, wenn Sie mir von einem dortigen Rath Casparson ein Exemplar von dem 3ten Theile des alten Gedichts: Wilhelm von Oranse, verschaffen u mitbringen wollten. Die ersten beyden Theile besitze ich, der 3te ist gar nicht in den Buchhandel gekommen und einzig bey dem Herausgeber zu haben.