Wohl ist Dein Brief lange ausgeblieben und ich fürchtete fast, das kalte Wetter hätte Dich auch krank gemacht, wie ich mich denn noch immer nicht erholen kann und auch heute vor Kopfweh nicht im Stande bin in die Breite und Länge zu schreiben. Ich bin seit meinem lezten nicht aus dem Hause gekommen. Eben läßt sich Gottlob die Sonne wieder blicken. ‒ Es freut mich, daß Du bei Bernhardis im Hause bist und Bequemlichkeiten hast. Schreibt Tiek ihnen auch nicht? Auf selbigen zu schimpfen finde ich höchst billig und gerecht; er soll sich wirklich sehr wohl befinden, Loders sind bey ihnen gewesen, und die L. hat mir von dem Besuch erzählt, und wie komisch es ausgesehn hätte, wenn die vier Mannhohen Schwestern zusammen wären auf die Gallerie anmarschirt gekommen. Er ist aber auch ganz toll darüber und hat gegen Steffens, mit dem er in Tarant war oder noch ist, geflucht und gewettert um sich den Ennuy zu vertreiben. Von Fr. Tiek verlautet noch nichts, auch Wiedemann hat ihn seitdem nicht erwähnt. Goethe hat sich 8 Tage in Göttingen aufgehalten, wie mag er das angefangen haben? Die Loder wuste nichts genaues davon, weil ihre Eltern nicht da sind, sie war selbst neugierig und hat mich ordentlich gebeten an Fiorillo darüber zu schreiben um das Nähere zu erfahren. Die Studenten haben ihm eine Musik gebracht, sicher auf Winkelmanns Anstiften, er hat darauf seinen Geist herunter geschickt mit einem Gegenkompliment, weil er schon ausgekleidet sey. Sie hatten es freylich darauf angelegt ihn selbst reden zu hören, wäre es auch mit der Nachtmüze auf dem Kopf und sans culottes gewesen. Auch den allgemeinen Clubb hat er besucht, wo denn die sämtliche Gesellschaft ihm ein Vivat brachte. Übrigens hat er wohl allerley zu sehn gehabt, und die Loder meynte, die Bibliothek hätte ihn gewiß sehr beschäftigt, denn ich könnte nur glauben, er gäbe sich seit einiger Zeit sehr viel mit reellen Wissenschaften ab. ‒ Ich habe selbst Lust an Fiorillo zu schreiben und ihn wegen der Numancia mahnen zu helfen; F. hat ihn doch zuverlässig gesehn und ich vermuthe, daß er wegen Soeder etwas mit ihm verabredet hat. Meyer hat Luise gesagt, er hätte sich vorgenommen hinzugehn.
Deine Schwester haben Loders nicht gesehn, sie waren nur einen Nachmittag in Pillnitz und es hieß, sie wäre noch krank. Weißt Du etwas von ihr? Ich habe auch Deiner Mutter geschrieben und alle andre empfohlne Briefe, aber aus Franken keine Antwort. Es waren einige junge Leute hier, die Steffens aus Bamberg gefolgt waren, um sich Vorlesungen von ihm in Freyberg halten zu lassen, sie haben vorher hier studirt. Er kommt bald her. Die Recension über Schelling ist von ihm, wie wir zum Theil erriethen, zum Teil nicht glauben konnten wegen der griechischen Citaten. Aber die jungen Leute erzählen, daß er das Griechische mit Eifer studirt. Das ist recht brav, wenn er sich nur ein bischen mehr Verstand aneignen könnte, an Geist oder Vernunft fehlt es ihm nicht. ‒ Hast Du denn aber die erzdumme Recension Deiner Gedichte in jener Zeitung gesehn? Es ist ordentlich, wenn die Leute einen Beweis von Unpartheylichkeit etwa geben wollen, als wenn sie Dich zum Stichblatt wählen müsten. Ich gestehe, ich habe mich geärgert, vielleicht thörichter Weise, Schelling hat mich wenigstens ausgelacht. Gott wird hoffentlich auch im Lauf der Zeitlichkeit noch besser richten als wie das Volk, vielleicht auch die Berliner Justiz. Gefaßt mache ich mich auf den Verlust des Prozesses, sorge darum nicht. Eine närrische Szene habe ich mir ausgedacht, wenn ihr nun zusammenkämet zur Verbrennung jener Auflage, und indem das Kind ins Feuer geworfen werden sollte, griffet ihr beyde zu, Du aus Zärtlichkeit für den Dichter, und Unger aus tendresse für die Lettern und das schöne Papier, und ihr versöhntet euch wie ein paar Eheleute à la Kotzebue. Apropos, dieser wird auf seiner Mutter Geburtstag erwartet und ist bereits ein Hotel in Weimar gemiethet. Wenn Ifland in Berlin wäre bey der Durchreise, so wäre er im Stande Kotzebue eine triumphatorische Szene im Schauspielhaus zu bereiten. ‒ Man glaubt in Weimar noch immer, daß Iffland dorthin kommt im Herbst und die Schauspieler alsdenn früher zurück gerufen werden. Ich will mich ferner auf Kundschaft legen, zweifle aber fast. Sie haben große Plane gehabt, es sollen die Brüder von Terenz in Masken gegeben werden, dann Nathan usw. Die Nichtsnuzigkeit der Schauspieler hat es vereitelt und Goethen verdrießlich gemacht.
Kanst Du denken, daß Schiller lezthin Maria Stuart an einem so ungelegnen Tage aufführen ließ, weil die Jagemann den kleinen Matrosen nicht an dem vor der Königin Elisabeth hergehenden Vorstellungstage spielen sollte? Solch eine Angst hat er um die Illusion, und für so schlecht hält er das Publikum. Es war übrigens wohl eher zu fürchten, daß der kleine Matrose an die Elisabeth erinnern möchte als umgekehrt. Luise sagt, daß der Abstand von der Serigny zur Jagemann stark gewesen sey. ‒ Dein Macbeths Motto ist gut und des unsrigen würdig!
Du versprichst vieles aufs mündliche, Du hast viel zu halten, mein lieber Schlegel. Am meisten freue ich mich auf Dein Werk, und es kann es nicht im voraus errathen. Auch auf die Referirung der philosophischen Gespräche mit Fichte und überhaupt seiner Ansichten.
Was ich Dir von Philipp schrieb, war nur eine vorläufige Äußerung von ihm gewesen; Du hättest Dich an seine überschickte Assignation nach dem Datum halten müssen; er wird Dir ja wohl wieder geantwortet haben, daß Du sie für Dich präsentiren kannst. Auch ohne das darfst Du es auf diese meine Autorität hin sicher thun.
Ich habe noch keine Antwort von der Vieweg.
Wenn Dirs angenehm ist, so sollen mich einige Worte an Mad. de Nuys nicht dauren. Aber Du rekommandirst sie sehr schlecht bey mir, indem Du sie eben meiner Artigkeit empfehlen willst. Die Unvollendung kann ich ja eben nicht leiden, und ich würde ihr wahrhaftig nicht böse darum seyn, wenn Du Dich ihrer besser zu rühmen hättest.
Ach, da muß ich Dir doch erzählen, was Ludekus in Erfurt im römischen Kayser gehört und Luisen wieder gesagt hat. Du ständest Dich so gut mit der Unzeline, daß Du sie heirathen wolltest, sie ließe sich von Unzelmann scheiden und Du Dich von mir. Darüber wäre aber Woltmann so eifersüchtig, daß er mir einen anonymen Brief schreiben wollte um mich bey Zeiten von diesem Plan zu benachrichtigen. ‒ Kann man es toller ersinnen? Ludekus hat nicht gewußt, wer die Leute waren, aber es kommt gewiß von Bothe her, der Subproconrektor in Erfurt ist. Es ist mir eine rechte Erleichterung, daß Bernhardi nur Sub ist ‒ ich schäme mich fast immer so sehr, wenn ich diese Adresse mache, wie sonst an Friedrich auf der Charité abzugeben. Die Jungfernbrücke ist etwas drollicht.
Hat Dir denn Friedrich gar nichts von seiner Disputazion gemeldet? Man hat ihn sehr chikanirt, ihm, was unerhört ist, obgleich nicht gegen die Statuten, Opponenten aufgedrungen, einer war der alberne Augusti, der sich sehr impertinent betrug, Friedrich spashaft behandeln wollte, und zulezt gar sagte „in eurem tractatum eroticum Lucinda behauptet ihr das und das etc.“, worauf ihm Friedrich trocken erwiederte, er wäre ein Narr. Nun gab das Aufruhr, Winkelmann und seine Parthey scharrten für Friedrich, die Kümmeltürken für Augusti; Ulrich schrie: seit 30 Jahren habe ein solch scandalum die philosophische Bühne nicht entweihet. Friedrich antwortete, seit 30 Jahren habe man auch niemand so ungerecht behandelt. Die Fakultät hat sich hernach über seine Äußerungen beschwert, ich weiß aber wahrlich nicht, ob die Sache noch in Klage ist. Sie ist auf keinen Fall von Wichtigkeit, und es ist weit schlimmer, daß Gabler nun doch Friedrich wirklich verklagt hat. Schelling hat es indeß abbezahlt. ‒ Ja, ich gäbe auch etwas darum, wenn Friedrich nicht an die Veit geschmiedet wäre. Es wär nie so geworden. Aber wie soll er sie los werden? er ist in ihrer Hand von der oekonomischen Seite. Friedrich hat sich doch rettungslos hineingestürzt. In dépensen hat sie ihn oder sich auch, über der Wuth gesellige Verhältnisse zu unterhalten, verwickelt. Lichtenstein aus Braunschweig, dessen Du Dich wohl erinnern wirst, er war bey unsern kleinen Bällen, sagte lezthin bey Gelegenheit des Claviers, sie hätten Concerte bey Madam Veit gehabt.
Julchen ist mir äußerst nüzlich, und ich denke, die Mutter wird sie mir ja vors erste lassen. Luise nimmt mir nichts ab, im Gegentheil, Asmodi ist ein bischen über sie gekommen, und sie macht mir Verdruß, besonders seit sie aus Weimar zurück ist. Es ging sehr gut in den ersten 6 Wochen. Aber sie muß Galle machen. Es wird recht schön seyn, wenn Du kommst und sie in Zucht hältst. Sie verfolgt nur meine beyden unschuldigen Rosen mit rechter rage. Gut ist es, daß ihr Zorn nicht auf Schelling gefallen ist, der geht recht hübsch mit ihr um, und hat es stets vor Augen keine Gelegenheit zum Zwist geben zu wollen. Sie ist gar zu wunderlich. Es wird sehr selten vorgelesen, denn Schelling kann es im Grunde weder ertragen zu hören noch anhaltend selbst vorzulesen; wenn es einmal geschieht, wie ZE. gestern einige Gesänge aus dem Homer, und wir das Kind dann hinunter schicken wollen, so läuft sie glühend vor Zorn selbst mit weg und sagt, es wäre mir immer zur Last usw. Du wirst eine recht gute Wirkung thun, hoffe ich. Für jezt deprecirt sie Deine Küsse, Julchen aber wird etwas roth. Bring denn auch für Julchen etwa eine Kleinigkeit mit.
Wallensteins Lager wurde in Weimar gegeben. Jean Paul war mit seiner Jeanette Pauline drinn, lief mitten aus dem Stück aus der Loge und rief, ach was ist das für barbarisches Zeug! Sie folgte ihm.
Wie gewöhnlich kommt Voß nun doch nicht, ich habe vergessen, aus welcher Ursache. Schelling hätte ihn besucht selbst in dem Hause seines ärgsten Feindes, des Schütz. Er schreibt Dir heute.
Hast Du denn den Brief von Friedrich begehrt ‒ und was hat er erwiedert? Lebe wohl, mein guter Freund, es kann seyn, daß ich Dir noch manches zu schreiben gehabt hätte, aber ein dumpfes Kopfweh macht mich dumm, solchergestalt verbleibe
Die Deinige.
Du weist auch wohl nicht, daß Friedrich Arabisch lernt und auf die Reitbahn geht? Ich behaupte, er thut das erste, weil die Araber die Pferdezucht gut verstanden, und hält das lezte für ein moyen desto besser arabisch zu lernen.
Schelling hat seinen Brief nicht geendigt ‒ also nächsten Postag.